Voller Gerichtssaal in Bonn

Nordrhein-Westfalen Befangenheitsantrag im Prozess gegen Bonner Kinderpsychiater Winterhoff

Stand: 21.05.2025 15:25 Uhr

Das Verfahren gegen Michael Winterhoff steht auf der Kippe. Grund: Ein Befangenheitsantrag gegen die Richter und Schöffen.

Von Christoph Hensgen

Gestellt hat den Antrag am Mittwoch eine Opfer-Anwältin. Sie machte damit ihr Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Strafkammer deutlich.

Befangenheitsantrag im Prozess gegen Bonner Kinderpsychiater Winterhoff

Dass es ein wichtiger Tag im Prozess um den Winterhoff werden könnte, hatte sich angedeutet. Beobachter hatten erwartet, dass die Strafkammer am Vormittag über einen so genannten Aussetzungsantrag der Verteidigung entscheiden würde.

Verteidigung kritisiert Staatsanwaltschaft

Psychiater und Buchautor Michael Winterhoff als Angeklagter an der Seite seiner Verteidigerin vor dem Bonner Landgericht.

Der Angeklagte und seine Verteidigerin beim Prozessauftakt.

Die Strafverteidigerin des angeklagten Bonner Kinderpsychiaters hatte beantragt, das Verfahren sofort auszusetzen. Sie hat schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erhoben. Die arbeite intransparent und habe die vorliegenden Fälle "nicht ansatzweise ausermittelt".

Tatvorwurf: Gefährliche Körperverletzung

Michael Winterhoff werden 36 Fälle gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen. Winterhoff soll Kindern und Jugendlichen über Jahre ohne entsprechende medizinische Notwendigkeit und ohne Einwilligung sedierende Medikamente verschrieben haben. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Der WDR und die Süddeutsche Zeitung hatten den Fall 2021 aufgedeckt. Ins Rollen kam er nach der ARD Story "Warum Kinder keine Tyrannen sind".

In der ARD-Mediathek sind außerdem alle drei Folgen einer WDR-Dokureihe verfügbar.

Fehlende Akten?

Vor Gericht hatte Winterhoffs auch Zweifel geäußert an der Aktenführung der Staatsanwaltschaft. Die Fallakten seien nicht komplett. Immer wieder erreichten Unterlagen die Verteidigung viel zu spät. Ihre Forderung: Die Hauptverhandlung solle ausgesetzt und erst dann fortgesetzt werden, wenn sichergestellt sei, dass sämtliche Akten vollständig seien.

Tatsächlich deuteten die Richter an, dass man sich über die Aussetzungsanträge Gedanken gemacht habe. Und es für möglich halte, zuerst die zehn vollständig ausermittelten Fälle der Anklage weiter zu verhandeln. Das würde bedeuten, die andere 26 Fälle von diesem Verfahren abzutrennen und erst dann zu verhandeln, wenn sie ausermittelt seien – also alle Zeugen ausfindig gemacht und befragt worden und die entsprechenden Akten komplett wären.

Befangenheitsanträge gegen gesamte Strafkammer

Doch zu diesem Beschluss kam es gar nicht erst. Denn während einer Zeugenvernehmung hat eine der Opfer-Anwältinnen im Namen ihrer Mandantin einen Befangenheitsantrag gegen die gesamte Strafkammer gestellt.

Sie begründete ihren Antrag am Mittwochnachmittag damit, dass die Strafkammer angekündigt habe, einige Fälle der Anklage abzutrennen. Zudem halte sie die Richter und Schöffen für befangen, weil sie Fragen an die heutige Zeugin nicht zugelassen hätte. Zwei weitere Nebenklage-Anwälte schlossen sich dem Antrag an.

Muss Prozess ganz neu verhandelt werden?

Jetzt müssen andere Richter über den Befangenheitsantrag entscheiden. Sollten sie den für gerechtfertigt halten, wäre der Prozess sofort vorbei und müsste von einer neuen Strafkammer ganz von vorne verhandelt werden. Sollte der Befangenheitsantrag dagegen zurückgewiesen werden, würde sich die Besetzung der Richter nicht verändern.

Ob und wann über den Aussetzungsantrag der Verteidigung entschieden wird, ist völlig unklar. Fest steht nach dem heutigen Tag nur, dass sich der Prozess gegen den Bonner Kinderpsychologen in die Länge zieht.

Unsere Quellen:

  • Beobachtungen des WDR-Reporters bei Gericht

Über dieses Thema berichten wir am 21.05.2025 auch im WDR Fernsehen: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.