
Nordrhein-Westfalen Der US-Präsident und der Rechtsstaat: Was darf Donald Trump?
Druck auf Universitäten, Ignorieren von Gerichten - Donald Trump will das politische System in den USA umbauen. Wer hält dagegen?
Donald Trump bringt nicht nur die Außenpolitik der USA durcheinander. Auch in der Innenpolitik vergeht kaum ein Tag, an dem der US-Präsident nicht ein Dekret erlässt oder etwas Einschneidendes für sein Land verkündet.
Was das für den amerikanischen Rechtsstaat bedeutet, ordnet der Politikwissenschaftler Thomas Jäger von der Universität Köln ein.
WDR: Trump betreibt in den USA einen schnellen und radikalen Umbau von Staat und Gesellschaft. Darf er das alles?

Politik-Professor Thomas Jäger
Professor Thomas Jäger: Was er alles darf, interessiert ihn nicht. Eigentlich gibt es für das Präsidentenamt klare Regeln, die in der Verfassung und in Gesetzen niedergelegt sind. Das Problem ist: Er hält sich nicht daran. Er macht, was er will.
WDR: Über welche Kompetenzen verfügt das Präsidentenamt tatsächlich?
Jäger: Der Präsident hat eine Reihe von eigenen Kompetenzen und solche, die er mit dem Kongress teilt. Doch Trump versucht die Kompetenzen des Präsidentenamtes so auszuweiten, dass ihm niemand reinreden kann. Er nimmt den Kongress einfach nicht ernst und handelt in dessen Kompetenzbereich.

Das Kapitol in Washington
Handelspolitik ist zum Beispiel Sache des Kongresses. Der Präsident darf im Notfall, wenn die Sicherheit der Vereinigen Staaten gefährdet ist, eingreifen. Doch mit seiner Zollpolitik setzt er sich über die Regeln hinweg. Es ist doch nicht davon auszugehen, dass deutsche Autos die nationale Sicherheit der USA bedrohen! Doch der Kongress wehrt sich nicht. Das ist das Muster.
WDR: Wie funktioniert die Gewaltenteilung in den USA?
Jäger: Beide haben ihre Kompetenzen: der Kongress und der Präsident. Und in wichtigen Fragen müssen beide zusammenarbeiten. Nämlich dann, wenn es darum geht, Gesetze zu verabschieden. Diese brauchen eine Mehrheit im Kongress und die Unterschrift des Präsidenten.

Trump: Regieren mit Dekreten
Aber beim Haushaltsrecht beispielsweise bestreitet Trump, dass der Kongress ihm sagen kann, wofür er Geld ausgeben soll. Trump löst Bundesbehörden auf, die nur der Kongress auflösen könnte, wenn es nach der Gesetzeslage geht. Aber diese Gesetzeslage gilt in den USA momentan nicht.
Die Vereinigten Staaten haben aufgehört, im strikten Sinne in diesen Fragen ein Rechtsstaat zu sein. Das sieht man am Umgang mit der dritten Gewalt, der Justiz. Trump missachtet Gerichtsurteile einfach.
WDR: Was ist das Ziel von Trump?
Jäger: Er verfolgt das Ziel einer imperialen Präsidentschaft. Es geht darum, die USA im Inneren so umzubauen, dass die Kompetenzen beim Präsidenten gebündelt sind und er ohne Restriktionen handeln kann.
Trump verbindet damit eine klare autoritäre Ausrichtung. Er will unter anderem Medien und Universitäten verbieten, etwas anderes zu denken oder zu schreiben, als es ihm gefällt.
WDR: Wer kann Trump an seiner Politik hindern?

Der US-Supreme Court
Jäger: Hindern kann ihn erstens der Supreme Court und die Gerichte. Nur: Trump ignoriert deren Entscheidungen einfach. Der Supreme Court sagt ihm zwar, was er nicht tun darf, aber das ignoriert er. Und zweitens könnte ihn der Kongress hindern, falls nach den Zwischenwahlen 2026 die Demokraten dort entsprechende Mehrheiten haben.
WDR: Wer leistet tatsächlich Widerstand von denen, die Macht haben?
Jäger: Keiner.
WDR: Und wer könnte sich ihm entgegen stellen?
Jäger: Im Kongress könnten sich etwa die republikanischen Abgeordneten dagegen wehren, dass der Präsident die Kompetenzen des Kongresses beschneidet und dort eingreift. Sie tun es nicht.
Die Gerichte geben Klagen gegen die Politik der Regierung zwar statt. Die Regierung interessiert es aber nicht. Und öffentlicher Protest durch Demonstrationen und anderes hat bisher keine Wirkung entfaltet.
WDR: Ist der Kampf denn schon entschieden?
Jäger: Der Ausgang ist momentan noch offen. Aber was die politischen Kräfte in den USA angeht, gibt es derzeit niemanden, der sich gegen Trump effektiv wehrt. Die einzigen, die sich wehren, sind die Märkte. Das heißt also, die Renditen für Anleihen sind der schärfste Gegenwind, den Trump momentan erfährt.
Die amerikanische Gesellschaft ist derzeit noch bereit, die schweren Schäden die Trump dem Land zufügt, hinzunehmen. Ob sie sich dagegen wehren wird, ist die große Frage. Dass Trump seine Politik selbst revidiert, ist nicht zu erwarten.
WDR: Ist eine solche Politik, wie Trump sie macht, auch bei uns denkbar?
Jäger: Trumps Politik ist in jedem System denkbar, in dem sich demokratische Kräfte und die Justiz nicht mehr gegen die Gewalt der Exekutive wehren können - oder wollen. Auch in der Bundesrepublik ist das prinzipiell möglich.

Das Bundesverfassungsgericht schützt das Grundgesetz
Wir sind zwar insofern geschützt, als es eine Verfassung gibt, die gilt. Und ein Verfassungsgericht, das für die Einhaltung der Verfassung sorgt. Aber was passiert, wenn sich die Exekutive nicht mehr an die Verfassung hält und offiziell erklärt, dass die Rechtsprechung für sie uninteressant ist?
Auch wenn wir kein Präsidialsystem wie in den USA haben, sondern ein parlamentarisches System: Demokratien können sterben - in jeder Form von Demokratie.
Das Interview führte Dominik Reinle.