
Nordrhein-Westfalen Gil-Ofarim-Konzert in Bochum: "Bevor die Scheiße wieder beginnt"
Gil Ofarim stand am Gründonnerstag zum ersten Mal seit dem Antisemitismus-Skanal auf der Bühne. Warum seine Fans trotzdem hinter ihm stehen und wie sein erster Schritt Richtung Neustart gelaufen ist.
"Yeah", ruft Gil Ofarim in den Raum, bevor er ans Mikrofon tritt und seine E-Gitarre einstöpselt. Eine Ansage, vielleicht auch ein bisschen Selbstmotivation. Immer wieder klopft er sich auf das Herz: "Danke" ist von seinen Lippen abzulesen. 200 Fans empfangen den Sänger mit Applaus und Jubel.
In der Schlange am Einlass herrscht zunächst noch Anspannung - Gil Ofarim wird öffentlich nach wie vor stark kritisiert, vorab gab es Boykottaufrufe für das Konzert. Kontrolliert wird gründlich: Kein Edding und kein Deo darf mit in den Club. Je voller der Konzertsaal wird, umso losgelöster wird die Stimmung. Das letzte Stück Spannung weicht, als die ersten Töne erklingen: keine Demonstrationen vor der Tür. Die Fans sind unter sich.
Dana ist 42. Sie ist extra aus der Schweiz angereist: "Mir tut er von Herzen leid. Es ist gemein, wie lange die Leute nachtragend sind. Ganz egal, was war, er ist immer noch ein Mensch." Sie ist Fan, seitdem der Sänger 1997 erstmals in der Bravo zu sehen war.
Von Foto-Love-Story zu viraler Empörung
Gil Ofarim ist zwar der Sohn des israelischen Musikers Abi Ofarim, doch es war eine Foto-Love-Story in der Bravo, die ihn zum Teenie-Star machte. Ein 15-Jähriger mit Bandshirt und langen Haaren: Der Rebell unter den Nick Carters und Justin Timberlakes.
Es folgten viele Bravo-Titelseiten und das übliche Auf und Ab eines Musikers, der in der Öffentlichkeit erwachsen wird. Vor einem Jahr schien Ofarims Karriere vorbei. 2021 veröffentlichte er ein Video, in dem er behauptete, in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein. Das Video ging viral und löste Empörung aus.
Die unerwartete Wendung: Ofarim wird zum Beschuldigten
Doch im Laufe der Ermittlungen wurde Ofarim selbst zum Beschuldigten. Wegen falscher Verdächtigung musste er sich vor Gericht verantworten. Im November 2023 begann der Prozess gegen ihn. Ofarim gestand, die Geschichte erfunden zu haben. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Ein Jahr später meldete er sich mit einem Statement zurück und kündigte das Konzert an. Über 2.300 Kommentare gab es zu seinem Instagram-Post: Kritik, Unverständnis, polemische Anspielungen auf das Leipziger Hotel. "Niemand möchte das sehen", schrieben mehrere User.
Doch für heute bleibt der Hass draußen im Internet. "Bevor die Scheiße wieder beginnt", sagt Ofarim, als die Band das Intro zum nächsten Song spielt. Die Fans, überwiegend weiblich, singen jede Zeile mit. Daniel, einer der wenigen Männer, ist wegen der Musik hier. Den Skandal hat er gar nicht so richtig verfolgt: "Ist mir piep-egal", sagt der 34-Jährige.

Gil Ofarim spielt vor 200 Fans in der Bochumer Matrix
Nadine aus Karlsruhe ist mit gemischten Gefühlen gekommen. Der Starschnitt von Ofarim hängt nicht mehr in ihrem Zimmer, aber treu bleibt sie ihm trotzdem. "Was wirklich passiert ist, weiß nur er selbst."
Nadine weiß aber, dass sie Dana ohne Gil nie kennengelernt hätte. Seit 15 Jahren treffen sich die Freundinnen auf Konzerten. "Hier sind Gesichter, die sehe ich immer wieder seit 25 Jahren", sagt Dana. Nicht jeder spricht offen über den Skandal. "Wir reden nicht mit der Presse", sagt das Street-Team, das vor dem Konzert Ofarim-Buttons verteilt hat.
Später löst sich doch die Zunge: "Wir wollen nicht mehr als Fan-Girlies dargestellt werden", sagt eine von ihnen: "Ich bin schließlich 50." Gil Ofarim und die Fans sind zusammen erwachsen geworden. Nur das zählt für sie.
Entschuldigung an die Fans
Ofarim blickt immer wieder durch die Reihen, schnappt Kommentare auf und antwortet locker. Doch mitten in der Show wird er ernst: "Wenn ihr online auf diesen verrückten Sachen namens Social Media surft: Ihr kriegt einiges ab. Es tut mir leid."
Die Anwesenheit der Presse ist ihm bewusst. Mehrfach erwähnt er, was er am nächsten Tag lesen möchte: Unter anderem Dankbarkeit für den Club, der auch Häme einstecken musste. Schon mehrfach war Ofarim in der Bochumer Matrix. Mal spiele er im großen Raum, mal im Kleinen wie heute.

Gil Ofarim in seinem "Save Space" umrungen von seinen Fans
Es scheint, als wolle der Musiker, dass der Abend nicht endet: Nach anderthalb Stunden folgt eine halbe Stunde Zugabe. Dann noch eine: Ohne Verstärker, ohne Mikrofon, nur mit einer Akustikgitarre singt Ofarim, umringt von Fans. Das ist ihr Safe Space.
"Man kann die Zeit nicht zurückdrehen"
"Man kann nicht die Zeit zurückdrehen. Man kann Zeiten und Sachen, die geschehen sind, nicht verändern. Man will nur aus diesem Alptraum aufwachen. Aber man kann trotzdem eins machen: Nicht aufgeben", sagt Ofarim, als er seine Single "Korrektur der Zeit" anspielt. Jeder im Raum weiß, wovon er spricht. Viele von ihnen haben ihm wohl verziehen. Außerhalb dieses Raums lässt sich die Zeit aber nicht so einfach korrigieren.
Vor der Clubtür ist es ruhig geblieben. Der Mannschaftswagen der Polizei verschwindet gegen 22.45 Uhr, während Ofarim noch Autogramme schreibt.
Unsere Quellen:
- Matrix Bochum
- Instagram-Posting von Gil Ofarim
- Reporterin vor Ort
Über dieses Thema haben wir am 17.04.2025 auch im WDR Hörfunk berichtet: 1LIVE, ab 6 Uhr.