Bundeskanzler Merz und US-Präsident Trump treffen sich

Nordrhein-Westfalen Kanzler Merz - ein idealer Sonderpädagoge für Trump! | MEINUNG

Stand: 06.06.2025 18:15 Uhr

Musk ist wichtig für die Zukunft von Trump. Merz aber auch. Nach seinem gelungenen Antrittsbesuch kann der deutsche Kanzler noch eine interessante Rolle in D.C. spielen, meint Ralph Sina.

Von Ralph Sina

Ansatzweise tätschelt Trump das Knie des Kanzlers. Mit einer etwas zurückhaltend-gehemmten Geste. Verbunden mit dem Kompliment:

Ein guter, ein schwieriger Mann.

US-Präsident Trump beim Empfang von Kanzler Merz im Oval Office

In diesem Moment habe ich gedacht: Perfekter kann es für Merz nicht laufen! Er hat sie mit Bravour bestanden, die gefährliche Reality-TV-Show in der ovalen "Höhle des Löwen".

Gute Stimmung, ohne zu schleimen

Genau das muss aus meiner Sicht in der besonders bedrohlichen Ära Trump II die Rolle des deutschen Kanzlers sein: einen guten atmosphärischen Draht zum US-Präsidenten schaffen, ohne sich zum europäischen Trump-Schleimer und unglaubwürdigen Hanswurst in Deutschland und im Rest der Welt zu machen.

Liebesdienerischer Schwachsinn kommt dem Kanzler Gott sei Dank nicht über die Lippen. Im Gegenteil: Der Kanzler hat im Oval Office betont wenig gesagt. Aber im wichtigen Moment das Entscheidende!

Merz gibt im entscheidenden Moment den Ton an!

Als es nämlich um den achtzigsten D-Day-Jahrestag ging, die Landung der Alliierten in der Normandie und damit den Anfang vom Ende des Hitler-Krieges. Auf die Trump-Zwischenbemerkung, das sei für die Deutschen kein "great day", also kein toller Tag gewesen parierte Merz: "Das war die Befreiung meines Landes von der Nazi-Diktatur" und schlug den Bogen zu Putins Vernichtungs-Krieg gegen die Ukraine.

Erneut seien die Amerikaner in der starken Position einen Krieg zu beenden. Gemeinsam mit den Europäern. "Wir sollten darüber sprechen" betonte Merz eindringlich. "Das werden wir", erwiderte aus meiner Sicht fast kleinlaut der Trump-Koloss. Der Kanzler hat den amtierenden US-Präsidenten als das vorgeführt, was er aus meiner Sicht ist: supergefährlich, weil ein intellektuelles Würstchen. Und als ich Trump in der D-Day-Szene so kleinlaut lauschend neben Merz sah, hatte ich den Eindruck: die Trump-Dämmerung, sie hat begonnen.

Seine politische Schlagkraft und sein Rückhalt bröckeln. Dass Merz in Washington auch noch Zeuge der Elon Musk-Attacke auf seinen angeblichen Männerfreund wurde, verstärkt diesen Eindruck bei mir.

Ein Trump, der vor den Zwischenwahlen im November nächstes Jahr den Macht-Verlust wittert, ist doppelt gefährlich. Deshalb ist der gute Merz-Draht ins Weiße Haus extrem wichtig.

Grundsätzlich positiv - aber mit Substanz

Merz hat sich mit diesem Antrittsbesuch als idealer politischer Sonderpädagoge im Umgang mit Trump qualifiziert. Schade, dass seine Parteifreundin Ursula von der Leyen in Sachen EU-Zölle das entscheidende Wort hat. Kluge Frauen, wie von der Leyen oder in seiner ersten Amtszeit Angel Merkel, sind für den Macho Trump ein atmosphärischer Albtraum, bevor sie überhaupt das Weiße Haus betreten. Für Trump ist die Politikwelt im Kern ein Herrenclub. Vielleicht kann von der Leyen den Trump-Sonderpädagogen Merz zu ihrem "EU-Botschafter" in D.C. ernennen...

Trump wirkt bis ins Sauerland

Die kurz vor dem Merz-Besuch verhängten 50 Prozent-Zölle sind nämlich ein Riesenproblem. Nicht nur für kränkelnde Großkonzerne wie Thyssenkrupp in Duisburg, sondern auch für mittelständische Automobilzulieferer - gerade in dem Friedrich Merz gut vertrauten Südwestfalen, die nämlich Stahl- und Metall weiterverarbeiten.

Nehmen wir als ein Beispiel die Jörg Vogelsang-GmbH & CO. KG aus Hagen, führender Hersteller von Spannstiften und Spannbuchsen in Europa und Marktführer aller Automobil-Produkte, die im Rollbiegeverfahren produziert werden. Die Hagener Firma kann und will jetzt nicht einfach mal schnell komplett in die USA umziehen, um Trumps Einfuhr-Zöllen zu entkommen. Obwohl sie in Kentucky bereits einen Produktionsstandort besitzt. Denn in den USA fehlen Fachleute, um die Maschinen aus Hagen zu bedienen.

Außerdem weiß niemand, wie lange Trump seinen Zollirrsinn durchhält. Vielleicht gibt es übermorgen einen Deal? Diese Ungewissheit ist das lähmende Gift für die deutsche Exportwirtschaft. Von der Stahl- bis zur Automobilwirtschaft. Von Großunternehmen bis zu Mittelständlern aus NRW. Gegen diese Lähmung anzuarbeiten und auf den US-Präsidenten zollmindernd einzuwirken, ist jetzt eine der sehr vielen Trump-Herausforderungen für Friedrich Merz.

Private Gemeinsamkeiten sind nützlich

Als Golfspieler, Hobbypilot, ehemaliger Mitarbeiter des US-Finanzriesen BlackRock und personifizierte Atlantik-Brücke hat Merz einen reichen Fundus an deutschamerikanischen Männer-Anekdoten, um den Chauvi und Möchtegern "Weltklasse-Manager" Trump zu beeindrucken und gleichzeitig für eine gute Stimmung zu sorgen.

Ukrainischer Präsident Selenskyj tifft den US-Präsidenten Trump in den USA

Der ukrainische Präsident Selenskyj und US-Präsident Trump

Dass Friedrich Merz ein sehr gutes amerikanisches Englisch spricht, ist in diesem Zusammenhang kein Nachteil. Seine körperliche Größe auch nicht. In Washington ist es ein offenes Geheimnis, dass Trump kleine Männer wenig respektiert. Der Ukraine-Held-Selenskyj als Opfer des Möchte-Gern-Großen im Weißen Haus ist in diesem Kontext nur ein besonders irritierendes Beispiel.

Der deutsche Kanzler kann jedenfalls froh sein, dass dieser US-Präsident ihn im Weißen Haus nur am Knie tätschelte und nicht ähnlich innig herzte wie einen anderen deutschsprachigen Besucher im Juli 2018.

Trump küsste Juncker

Und Jean-Claude Juncker küsste ihn mannhaft zurück! Aber Trump küsste zuerst.

Ich erinnere mich noch gut an diese absurde Szene.
Aber wie gesagt: Merz kann stolz sein auf die gebremste Begeisterung von Donald Trump. Mehr Zuneigung wäre nämlich auch politischer Mord!

Ein Kuss von einem Brutalo-Autokraten wie Donald Trump ist 2025 aus meiner Sicht ein Todeskuss. Friedrich Merz hat seinen ersten körperlichen Trump-Kontakt mit kluger Selbst-Beherrschung überstanden.

Merz-Taktik: Durchatmen und auch Mal runterschlucken

Merz war mehrfach in der Ukraine. Und noch vor kurzem in Kiew. Er hat das Leiden unter Putins Mordmaschinerie gesehen. Wieviel Selbstverleugnung muss ein denkender und mitfühlender Staatsgast in den USA aufbringen, um bei Trumps grauenhaftem Monolog über die "raufenden Jungs" Putin und Selenskyj nicht aufzuspringen, "shame on you" zu rufen und fluchtartig das Weiße Haus zu verlassen!

Der Eid auf die Verfassung (Schaden vom deutschen Volk abwenden ...) und Trumps Macht-Monopol zwingen einen deutschen Kanzler, nach außen Fassung zu bewahren, wenn eigentlich Fassungslosigkeit die einzig angemessene Reaktion wäre.

Wie geht es jetzt weiter?

Merz kann im besten Fall ein wichtiger "Trump-Einflüsterer" werden. Ein Verstärker für seine Parteifreundin Ursula von der Leyen aus Brüssel, die jetzt auf Trumps Zoll-Krieg gegen Europa reagieren muss. Merz ist aber auch ein wichtiger transatlantischer Unterstützer für alle Republikaner in Washington D.C., die klar auf der Seite der Ukraine stehen! Wie zum Beispiel der mächtige US-Senator Lindsey Graham, der gerade für schärfere US-Sanktionen gegen Putin kämpft und vor wenigen Tagen Merz in Berlin besucht hat. Ich finde diese transatlantische Connection jetzt sehr spannend und existentiell wichtig.

Wenn dieser Kanzler dabei hilft, den irrlichternden und gefährlichsten US-Präsidenten der Nachkriegszeit von seinem Pro-Putin und Anti-EU-Kurs abzubringen, wäre für Frieden und Wohlstand bei uns sehr viel gewonnen! Ob Friedrich Merz das auch nur im Ansatz gelingt, ist völlig offen.

Es bleibt uns nur das Prinzip Hoffnung.

Wie findet ihr die Strategie von Merz. Und kriegt er das Zollproblem mit Trump geregelt? Lasst uns darüber diskutieren in den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.