Drohne über einem Industriegelände

Nordrhein-Westfalen Low-Level Agenten: Wie kann NRW sich gegen russische Spionage wehren?

Stand: 21.05.2025 20:02 Uhr

Im Landtag wurde am Mittwoch diskutiert, wie sich NRW gegen russische Spionage wappnen kann. Über die Bedrohung herrschte Einigkeit - bei der Frage nach geeigneten Maßnahmen weniger.

Von Nina Magoley

Das allgemeine Schaudern war greifbar im Landtag am Mittwochmorgen: Von einem "Spionagethriller" war die Rede, vom "Plot für eine Netflix-Serie", von einem "schlechten Film" mit Drehort NRW. Gemeint waren die jüngsten Entdeckungen russischer Spionage- oder Sabotageversuche, bei denen Verdächtige auch in NRW festgenommen wurden. Alle Parteien außer der AfD hatten dazu eine "Aktuelle Stunde", eine Debatte im Landtag, beantragt.

Landtag zu festgenommenen russischen Spionen | Aktuelle Stunde

Am 14. Mai waren drei mutmaßliche Handlanger - alle Ukrainer - zeitgleich in Köln, Konstanz und der Schweiz festgenommen worden. Es sollen sogenannte "Low-Level Agenten" sein: Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind das keine geschulten Geheimdienstmitarbeiter, sondern Menschen, die zum Beispiel über Social Media für einzelne Aktionen oder Operationen angeworben würden. Für Sabotage, Propaganda oder Ausspähung. Sie seien oft durch prorussische Äußerungen aufgefallen und bekämen teils nur wenig Geld für ihre Einsätze.

"Die Bedrohung ist unter uns und real"

Einig waren sich CDU, Grüne, SPD und FDP darüber, dass es sich bei den Aktionen um hybride Kriegsführung von Russland handele. Darunter versteht man die Ausweitung eines rein militärischen Kampfeinsatzes etwa durch Spionage, Sabotage, Cyberangriffe, Wahlbeeinflussung oder Desinformations-Kampagnen. Deutschland stehe im Zentrum dieser Angriffe, ganz besonders NRW. "Die Bedrohung ist unter uns und real", sagte der CDU-Abgeordnete Gregor Golland. Er erinnerte auch an Vorfälle aus dem vergangenen Jahr: An den Flughäfen Leipzig, Warschau und Birmingham waren 2024 Sprengsätze in Frachtflugzeugen entdeckt worden, versteckt in Paketen.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft sollen auch hier "Low-Level Agenten" im Auftrag des Kremls gehandelt haben. Ziel seien Sabotageakte auf Gütertransporte in Deutschland gewesen.

"Taschengeldagenten"

"Das passiert nicht irgendwo, sondern ist Realität 2025, hier in NRW", beschwor auch die Grüne Julia Höller. "Russland führt längst Krieg gegen uns", sagte sie, "hybrid, leise und brandgefährlich". Sogenannte "Taschengeldagenten" würden online für einfache Dienste rekrutiert – "mal als Paketboten, mal als Plakatbeschmierer, oft ohne zu wissen, wessen Spiel sie wirklich spielen". Einige hundert Euro, ein bisschen Taschengeld – "und plötzlich werden sie Teil eines geopolitischen Machtkampfes". Diese Gefahr sei zu lange unterschätzt worden.

SPD sieht "keine Strategie"

Weniger Einigkeit, dafür mehr Unsicherheit war zu spüren bei der Frage, ob NRW ausreichend aufgestellt ist, um sich gegen solche Angriffe zu schützen. NRW stehe "im Fadenkreuz" der Sabotageakte, stellte die SPD-Abgeordnete Christina Kampmann fest. Energie- und Wasserversorgung müsse man als besonders gefährdet sehen. Dagegen sei bei der Landesregierung "keine Strategie erkennbar", meinte Kampmann. Innenminister Herbert Reul (CDU) nenne immer mal wieder "ein paar Punkte", etwa wie das soeben beschlossene neue Landesverfassungsschutzgesetz. "Ein Gesamtkonzept aber gibt es nicht", so Kampmann.

Innenminister Reul wies solche Vorwürfe zurück: Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz habe "das schon lange im Blick". Man setze bereits auf konkrete Maßnahmen. So seien die Festnahmen in Köln, Konstanz und der Schweiz schließlich auf die gute Arbeit des Landesverfassungsschutzes in NRW zurückzuführen.

Reul: "Keine Gesamttheorie"

Die Sicherheitsbehörden in NRW verfügten über "einen Besteckkasten", an dem viel gearbeitet worden sei. So gebe es im LKA spezielle Ansprechpartner für Spionage. Sie hätte dazu beigetragen, "diese Typen zu erwischen". Zusätzliche Experten für Cybercrime tauschten sich regelmäßig aus. Die Drohnenabwehr der NRW Polizei sei die beste in Deutschland.

Strategie sei aber "weniger Gesamttheorie, sondern konkret helfen". Es sei außerdem blauäugig zu denken, dass ein Bundesland allein den Schutz der kritischen Infrastruktur stemmen könne.

AfD sieht Schuld bei der Energiewende

Christian Loose von der AfD erklärte, die größte Gefahr für Deutschland gehe von der "politischen Dummheit von innen" in Gestalt der Energiewende aus. Sie habe "das Netz" geöffnet für Angriffe von außen. FDP-Mann Marc Lürbke rief die Landesregierung auf, die Wirtschaft in NRW zu stärken und verwies auf Unternehmen, die weltweit gefragte Techniken zur Drohnenabwehr herstellten.

Innenminister Reul appellierte an das Plenum: Es brauche die Gemeinsamkeit aller demokratischen Parteien, um aktiv handeln zu können. Worauf Christina Kampmann von der SPD konterte: Ihre Partei habe der Landesregierung vielfach Zusammenarbeit angeboten, "aber ganz konkret bieten Sie uns das fast nie an". Beim Sicherheitspaket gegen islamistischen Terrorismus warte die SPD bis heute auf ein Angebot der Zusammenarbeit.