
Nordrhein-Westfalen Milliarden Euro auf vergessenen Konten: Wie so was passieren kann
In Deutschland liegen Milliardenbeträge auf Konten, die keinem zugeordnet werden können. Wie kann ein Konto vergessen werden? Was passiert mit dem Geld? Und Tipps, damit euch das nicht selbst passiert.
Sein Geld vergisst man nicht, oder? Manchmal passiert das aber doch. Schätzungen zufolge sollen hierzulande zwischen 1,8 und 4,2 Milliarden Euro auf sogenannten vergessenen oder nachrichtenlosen Konten liegen. Von einer solchen Summe ist in einem Gutachten die Rede, das im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt wurde und das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Die Bundesregierung will nun dieses Geld einkassieren und in einen Fonds für soziale Investitionen umleiten.
- Ab wann gilt ein Konto als vergessen?
- Wie kommt es dazu, dass ein Konto als vergessen gilt?
- Gibt es keine Möglichkeit, die Eigentümer noch zu ermitteln?
- Was passiert bislang mit diesem Geld?
- Was hat die Bundesregierung jetzt mit den Milliardenbeträgen vor?
- Was sagt die Deutsche Kreditwirtschaft dazu?
- Wie behalte ich den Überblick über all meine Konten?
- Was ist sonst noch wichtig, damit Konten nicht in Vergessenheit geraten?
- Wie komme ich an Geld von "geerbten" Konten?
Ab wann gilt ein Konto als vergessen?
Konten gelten bisher als vergessen oder nachrichtenlos, wenn es darauf seit 30 Jahren keine Bewegungen mehr gegeben hat und zudem die Bank keinen Kontakt zum Kontobesitzer oder der Kontobesitzerin hat. Darauf weist Stephanie Heise von der Verbraucherzentrale NRW im Gespräch mit dem WDR hin.
Eine gesetzliche Definition, was konkret ein vergessenes oder nachrichtenloses Konto ist, gibt es nicht. In einer Kurzinformation des Deutschen Bundestages heißt es, von nachrichtenlosen Konten werde in Ermangelung einer allgemeingültigen Definition gesprochen, "wenn zu den Inhabern bzw. Berechtigten von Bankkonten seit längerer Zeit kein Kontakt (mehr) besteht."
Wie kommt es dazu, dass ein Konto als vergessen gilt?
Dass es überhaupt soweit kommt, dass Menschen ein Konto, Anlage-Depots oder Sparverträge vergessen, hat nach Einschätzung des Gutachtens verschiedene Ursachen. Erfahrungen aus anderen Vergleichsländern zeigen, dass folgende Umstände das Vergessen begünstigen:
- Multi-Banking bei verschiedenen Geldinstituten
- Umzüge
- Tod des Eigentümers oder der Eigentümerin.
Gibt es keine Möglichkeit, die Eigentümer noch zu ermitteln?
Laut dem Verbraucherportal Finanztip werden die Banken nicht von sich aus aktiv, wenn es längere Zeit keine Bewegungen mehr auf einem Konto gab. Wenn beispielsweise Angehörige von Verstorbenen den Verdacht haben, dass es auf einem Konto noch Geld geben könnte, müssen sie handeln - also auf die Bank zugehen und sich als die rechtmäßigen Erben ausweisen.
Was passiert bislang mit diesem Geld?
![Vergessene Konten | dpa/WDR[m]um Montage Kommentarfunktion / Hut, Kontoauszüge](https://images.tagesschau.de/image/421ecaf7-198a-4f93-8b4a-4561571c9004/AAABl4is8zk/AAABkZLlUbs/16x9-960/wdr-vergessene-konten-100.jpg)
Vergessene Konten
Das Geld liegt auf dem jeweiligen Konto und verfällt nicht. Finanztip zufolge liegt es solange bei der Bank, bis sich Erben melden. Die Geldinstitute sind verpflichtet, auch noch Jahrzehnte nach der letzten Kontobewegung das Guthaben auszuzahlen. Nach 30 Jahren müssen Banken und Sparkassen das Geld ausbuchen und als Gewinn versteuern. Aber: Auch nach den 30 Jahren stehen die Geldinstitute noch in der Pflicht, die Beträge auf vergessenen Konten auszuzahlen, falls sich Erben melden und ihre Berechtigung nachweisen können.
Was hat die Bundesregierung jetzt mit den Milliardenbeträgen vor?
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist auf Seite 79 zu lesen: "Wir fördern soziale Innovationen und nutzen dafür Gelder aus nachrichtenlosen Konten in einem revolvierenden Fonds." Das bedeutet: Die Bundesregierung könnte das Geld aus einem deutschen Social Impact Fonds nutzen, um soziale Innovationen zu tätigen. Aber auch hier gilt: Die Gelder in dem Fonds sollen rückzahlbar bleiben - falls doch noch ein Eigentümer oder eine Eigentümerin mit berechtigtem Anspruch auftaucht. Mehr als ein Vorhaben ist der Fonds zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht - es ist also noch nichts entschieden.
Was sagt die Deutsche Kreditwirtschaft dazu?

Kathleen Altmann vom Bundesverband deutscher Banken
"Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass alle Gelder oder Wertpapiere, die bei Kreditinstituten verwaltet oder verwahrt werden und keine Eigenmittel sind, den Kundinnen und Kunden gehören", sagte Kathleen Altmann vom Bundesverband deutscher Banken im Namen der Deutschen Kreditwirtschaft dem WDR. Das ändere sich auch nicht, wenn ein Kunde verstirbt. Denn dann übernehmen seine Erben 1:1 seine Rechtsposition.

Ohne Testament und Angehörige erbt meistens das Bundesland das Geld
Auch der Fall, dass es keine Angehörigen gibt, die Erben werden können, ist in Deutschland geregelt. In Paragraph 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist festgelegt, dass das Bundesland erbt, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz hatte, wenn kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden ist. Im Übrigen erbt laut BGB der Bund. Für diesen Sachverhalt brauche es folglich keine weitere gesetzliche Regelung, so Altmann.
Von dem Vorhaben der Bundesregierung können laut Altmann letztlich solche Konten betroffen sein, bei denen sich Kunden über einen längeren Zeitraum nicht bei dem Kreditinstitut gemeldet haben und die Konten deshalb als "nachrichtenlos" gelten. "Hier ist völlig offen, ab welchem Zeitraum, unter welchen Bedingungen und zu welchen Zwecken die Gelder des Kunden ohne seine Einwilligung an einen Dritten übertragen werden sollen", so Altmann.
Wie behalte ich den Überblick über all meine Konten?
Idealerweise legt man eine Liste mit den eigenen Konten und Finanzanlagen an und prüft diese mindestens einmal im Jahr. "Die Liste kann man etwa als Tabelle auf Papier oder am Computer machen", rät Verbraucherschützerin Heise. Ebenfalls denkbar sei es, sämtliche Konten und Finanzanlagen in einer Multi-Banking-App festzuhalten und diese regelmäßig zu aktualisieren.
Was ist sonst noch wichtig, damit Konten nicht in Vergessenheit geraten?

Tipp der Verbraucherzentrale: Testament machen
Im Fall eines Umzugs sollte man der Bank unbedingt die neue Adresse mitteilen. Ebenfalls wichtig: "Unbedingt ein Testament machen", rät Heise. Aufzulisten sind darin nicht zuletzt Konten und Finanzanlagen. In dem Testament sollte es klare Regelungen geben, wer von den Hinterbliebenen was erbt. Ist das Testament beim Amtsgericht hinterlegt, wird es im Todesfall den Hinterbliebenen eröffnet - und sie können sich dann ums Erbe kümmern.
Wie komme ich an Geld von "geerbten" Konten?
Hinterbliebene sollten sich beim Amtsgericht einen Erbschein ausstellen lassen. Zuständig ist das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen. "Mit diesem Erbschein geht man zur Bank und macht sein Erbe geltend", so Heise.