
Nordrhein-Westfalen Weniger Frischluft für Kölner Osten? Protest gegen Bauprojekt
Im Kölner Osten sollen rund 1.500 neue Wohnungen gebaut werden - auf einem Gelände, über das die Stadt mit Kaltluft versorgt wird.
Auf den ersten Blick wirkt das Gebiet zwischen den Kölner Stadtteilen Neubrück, Brück und Rath/Heumar alles andere als besonders. Auf den Feldern rund um den Rather See wachsen unter anderem Raps und Gerste. Nahe Rath gibt es ein großes Feld, auf dem Erdbeeren gepflückt werden können. Immer wieder trifft man auf den Feldwegen auf Fußgänger - mit und ohne Hund -, Jogger und Radfahrer. Doch dieses so unscheinbare Areal ist vor allem im Sommer extrem wichtig für Köln.
Kühle Luft am Abend
Das merkt man allerdings erst, wenn es dunkel wird. Dann kühlt es auf den Feldern im Osten der Stadt rapide ab. Einerseits, weil dort die Temperatur schneller sinkt als auf den versiegelten Flächen rundherum. Andererseits weil kalte Luft, die aus dem Bergischen Land über den Königsforst nach Köln strömt, genau hier entlang fließt. Klimaforscher nennen so etwas eine Kaltluftschneise.

Frank Patt vom "Bündnis für die Felder"
"Und diese Schneise will die Stadt Köln zubauen lassen", sagt Frank Patt vom "Bündnis für die Felder", das sich gegründet hat, als die Pläne der Stadt vor mehr als zwei Jahren bekannt wurden.
Köln will 1.500 Wohnungen bauen lassen
Demnach soll an zwei Stellen auf dem Gelände gebaut werden. Auf dem ehemaligen "Madaus-Gartenland" am Neubrücker Ring nördlich des Rather Sees sollen bis zu 850 Wohnungen - teilweise auch in mehrstöckigen Wohnblöcken - entstehen. Außerdem könnten in dem Bereich zwischen Brück-Rather-Steinweg und Rösrather Straße weitere Wohnhäuser sowie Sportplätze und eine Schule entstehen.

Ein Feld auf dem ehemaligen "Madaus-Gartenland"
"Dabei ignoriert die Stadt, dass über diese Flächen noch weitere Stadtteile mit Kaltluft versorgt werden", sagt Patt. Ihn ärgert besonders, dass es mehrere Studien gibt, die die Bedeutung der Flächen als Kaltluftschneise herausstellen. Zuletzt eine Analyse des Deutschen Wetterdiensts (DWD), die er 2024 für die Stadt anfertigte und die als "Grundlage für die Anpassung an den Klimawandel in Köln" dienen soll.
Stadt Köln: Hohe Bedeutung für Stadtklima
Darin empfiehlt der DWD, dass die Stadt die "nächtliche Kaltluftzufuhr aus dem Umland durch Flurwinde [...] planerisch" schützen soll. Flächen, über denen nachts die Luft abkühlt, sollten nicht bebaut werden und "das Eindringen der Kaltluft in die Stadt durch den Schutz von vorhandenen Ventilationspfaden begünstigt" werden.
In der Verwaltung ist man sich der Bedeutung des Geländes durchaus bewusst. "Die vorliegenden Freiflächen haben aus stadtklimatischer Sicht eine sehr hohe Bedeutung für die unmittelbar angrenzende Wohnbevölkerung in den Stadtteilen Brück und insbesondere Neubrück und Rath-Heumar während austauscharmer Wetterlagen", erklärt ein Stadtsprecher auf Anfrage des WDR.
Diese Bedeutung wolle man auch bei der Planung berücksichtigen. Eine sorgfältige Umweltprüfung soll demnach helfen, einerseits "eine nachhaltige und ausgewogene städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten". Andererseits sollen so "die planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Entwicklung dieser Flächen geschaffen werden".
"Fläche für Stadtklima weniger wichtig"

Sabine Pakulat (Grüne), Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses Köln
Ein erstes Gutachten habe gezeigt, dass die Fläche für den Kälteaustausch in Köln weniger wichtig sei als angenommen, sagt wiederum Sabine Pakulat (Grüne), Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses in Köln. "Jedenfalls nicht im Nahbereich für Neubrück." Das seien aber alles Dinge, die im Rahmen der Umweltprüfung geprüft und bewiesen werden müssten. "Dafür gibt es ja dieses langwierige Verfahren eines Bebauungsplans, damit diese ganzen Gutachten und Prüfungen auch gemacht werden", sagt Pakulat.
Am Donnerstag machte der Stadtentwicklungsausschuss dafür den Weg frei und beschloss die Aufstellung eines Babuungsplanes für das Gelände. Zudem stimmte der Rat einer "frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung zur Änderung des Flächennutzungsplanes" zu. In diesem sind die Gebiete, die bebaut werden sollen, bislang noch als Grünfläche ausgewiesen. Kommt der Beschluss durch, kann das Areal zu einer Wohnbaufläche umgewidmet werden.
1,6 Quadratkilometer Grünfläche sollen Wohnbauland werden

Peter Jüde vom "Bündnis für die Felder"
Allerdings nicht nur für die Felder, auf denen wirklich gebaut werden soll. Insgesamt sollen 161 Hektar umgewidmet werden - das entspricht einer Fläche von 225 Fußballfeldern. "Das würde bedeuten, dass neben den bereits geplanten Bauprojekten in Zukunft auch noch die Fläche dazwischen bebaut werden kann", sagt Peter Jüde, der ebenfalls im "Bündnis für die Felder" aktiv ist.
Der Gedanke ist nicht ganz abwegig, denn in Köln fehlen Wohnungen. Laut einer Studie des Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hätten in der Stadt zwischen 2021 und 2025 jedes Jahr fast 7.500 Wohnungen gebaut werden müssen. Tatsächlich entstanden sind bis 2023 jedes Jahr aber nur gut 2.700. Selbst wenn man die dadurch fehlenden Einheiten nicht mitrechnet, liegt der Bedarf laut IW ab 2026 bei fast 4.600 Wohnungen - pro Jahr.
"Das ist ein typischer Flächenkonflikt", sagt Pakulat. "Fläche ist das, was eine Großstadt am wenigsten hat und womit sie auch am sorgsamsten umgehen muss." Deshalb nehme man auch die Sorgen der Bürger und Bürgerinnen ernst.
Unsere Quellen:
- Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Köln
- Interview mit dem Frank Patt und Peter Jüde vom "Bündnis für die Felder"
- Stadt Köln
- Klimaatlas NRW des Landesamtes für Natur, Umwelt und Klima NRW
- Stadtklimaprojektionen der Häufigkeit von Temperaturkenntagen als Grundlage für die Anpassung an den Klimawandel in Köln, DWD 2024