Rheinland-Pfalz Erster Krankheitstag künftig unbezahlt? Diskussion auch in RLP
Der Vorschlag von Allianz-Chef Oliver Bäte, Arbeitnehmern am ersten Tag einer Krankmeldung keinen Lohn mehr zu zahlen, hat eine heftige Debatte ausgelöst - auch in Rheinland-Pfalz.
Frank Darstein führt das Hotel Darstein an der sogenannten blauen Adria im pfälzischen Altrip in zweiter Generation. Mehr als 40 Menschen arbeiten hier, die Personalkosten sind für ihn ein wesentlicher Faktor, ob sich der Betrieb rechnet oder nicht.
Den Gedanken, den ersten Krankheitstag nicht mehr bezahlen zu müssen, findet Darstein attraktiv. "Ich glaube, dass wir neue Wege gehen müssen. Weil der Krankenstand allgemein einfach zu hoch ist - nicht nur in der Gastronomie, sondern überhaupt."
Findet den Gedanken, den ersten Krankheitstag nicht mehr bezahlen zu müssen, attraktiv: Unternehmer Frank Darstein.
Krankenstand steigt an
Tatsächlich sei der Krankenstand in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, sagt eine Studie der Techniker-Krankenkasse. In den letzten fünf Jahren sei er von durchschnittlich knapp zwei Wochen auf nun rund 18 Tage angewachsen. Das sei innerhalb der EU mit Abstand der höchste Wert. Auch in Rheinland-Pfalz steigt die Zahl der Krankmeldungen.
Frank Darstein meint, das könne nicht allein zu Lasten der Arbeitgeber gehen. "Es ist definitiv so, Schnupfen, Husten, Heiserkeit war früher keine Krankheit. Heute ist es so, dass man da mindestens 14 Tage zu Hause bleiben muss, um das auszukurieren." Natürlich wolle er nicht, dass eine Angestellte, die hier mit ihren Gästen in Kontakt ist, schniefend und röchelnd durch die Gasträume gehe. "Aber die hat auch andere Möglichkeiten, ihr Team zu unterstützen." Damit nicht wieder eine andere das ausbaden müsse, bloß weil sie sich etwas unwohl fühle.
Jennifer Kwast sieht das anders. Die 24-jährige arbeitet als Eventmanagerin seit einigen Monaten im Hotel, hilft aber mal auch im Service aus. Einen unbezahlten Krankheitstag fände sie unfair - "vor allem, wenn man eine Person ist, die tatsächlich sehr selten krank ist und sich dann auch schlecht fühlt". Oft brauche man dann nur diesen einen Tag zum Auskurieren.
Bäte beklagt hohe Kosten für die Wirtschaft
Oliver Bäte, der Chef des Allianz-Konzerns, hatte die Wiedereinführung des Karenztages angeregt. 77 Milliarden Euro hätten kranke Arbeitnehmer im vorigen Jahr die deutsche Wirtschaft gekostet, sagte Bäte dem "Handelsblatt". "Von den Krankenkassen kommen noch einmal 19 Milliarden Euro hinzu. Das entspricht rund 6 Prozent der gesamten Sozialausgaben."
Mit seinem Vorschlag könnten pro Jahr 40 Milliarden Euro eingespart werden, betonte der Manager.
DGB weist Forderung zurück
Susanne Wingertszahn, die Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, widerspricht dieser Darstellung. Sie hält die Forderung nach einem Karenztag für einen Vorschlag aus der Mottenkiste. "Und der führt dazu, dass Menschen krank zur Arbeit gehen, damit sie am Ende des Monats noch genügend Geld auf dem Konto haben." Dazu käme, dass andere Kolleginnen und Kollegen angesteckt würden.
Selbst die Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) zieht beim Karenztag nicht mit. Aber Franziska Bliewert hält es trotzdem für nötig, das Sozialsystem in Deutschland insgesamt zu überdenken. "Es ist eben nicht nur die Krankenversicherung. Es ist genauso die Rentenversicherung, Pflegeversicherung. Wir haben überall Beitragsbelastungen." Dass die Systeme da sind, fände sie gut und richtig, betont Bliewert. "Aber wir müssen schauen, wie die Lasten verteilt sind und wo wir ein gesamtstrukturell besseres System schaffen können, damit wir nachhaltig sind und auch die zukünftigen Generationen abgesichert ist."
Bonussystem statt Lohnstreichung
Mittelständler Manuel Einhaus steht dem Karenztag ebenfalls kritisch gegenüber. Er leitet zwei Lackierereien für Autoteile, eine in Bingen, die andere in Monzingen (Kreis Bad Kreuznach). Rund 250 Menschen arbeiten an den zwei Standorten.
Zwar würde ein unbezahlter erster Krankheitstag dem Arbeitgeber etwas Geld sparen. Er befürchtet aber, dass die Folgekosten höher ausfallen könnten. Stattdesssen hat er für den Standort in Monzingen mit seinem Geschäftspartner ein Bonussystem eingeführt. Das soll Anreize schaffen, sich möglichst selten krank zu melden.
Missbrauch würde mit Lohnabzug nicht verhindert werden, betont Einhaus. "Ich glaube, dass die Diskussion vor allem auch auf die sogenannten Blaumacher abzielt. Als Unternehmer hat man wahrscheinlich immer wieder Pappenheimer, die eher auffällig sind." Gleichzeitig sei der Nachweis natürlich auch schwierig, "ob die denn tatsächlich jetzt blau machen oder krank sind". Da seien dann vielleicht auch Ärzte gefragt, "ob es Sinn macht, nur drei Tage lang krankzuschreiben an Stelle von fünf Tagen".
Zudem suche er nach Krankschreibungen immer wieder das Gespräch mit den Angestellten, betont Einhaus. Damit wolle er Ursachen herausfinden und eventuelle präventive Maßnahmen abklären.
Sendung am Do., 16.1.2025 20:15 Uhr, Zur Sache Rheinland-Pfalz, SWR RP