Rheinland-Pfalz Syrische Familie aus Pirmasens verteidigt Fahad A.

Stand: 05.06.2025 18:13 Uhr

Vor einer Woche nahmen BKA-Beamte den 47-jährigen Syrer Fahad A. aus Pirmasens wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit fest. Im Gespräch mit dem SWR hält dessen Familie die Vorwürfe für ungerechtfertigt.

Von Eric Beres, Tarek Khello

Die Anschuldigungen wiegen schwer: 2011 und 2012 soll Fahad A. als Gefängniswärter der syrischen "Geheimdienstabteilung 251" in Damaskus Häftlinge gefoltert haben. Er habe auf Anweisung beispielsweise Inhaftierte an der Decke aufgehängt.

Durch solche Methoden seien in dem Gefängnis "mindestens 70 Gefangene ums Leben" gekommen, so die ermittelnde Bundesanwaltschaft.

Nach der Festnahme hatte der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe den Haftbefehl gegen Fahad A. in Vollzug gesetzt. Er befindet sich in Untersuchungshaft.

Festnahme von Fahad A. für Familie überraschend

Fahad A.s Angehörige in Pirmasens können das nicht nachvollziehen. Sie leben seit 2021 in Deutschland. Zuerst kam der älteste, heute 20-jährige Sohn. Dann folgten Fahad A., dessen Ehefrau und fünf weitere Kinder im Rahmen des Familiennachzugs. Zuvor hatte die Familie jahrelang in der Türkei gelebt.

Ihr Mann habe in Pirmasens mit Essensauslieferungen Geld verdient, habe die deutsche Sprache gelernt. Am vergangenen Dienstag sei er auf dem Parkplatz einer Sprachschule festgenommen worden, berichtet seine 43-jährige Ehefrau Ilam Ramadan dem SWR. Für die Familie sei dies völlig überraschend gewesen. Sie berichten eine andere Version von Fahad A.s Rolle im Assad-Regime.

Social-Media-Beitrag auf Instagram von swraktuell

Unterschiedliche Aussagen zu Fahad A. auf Social Media-Kanälen

Die Aufgabe ihres Mannes sei es unter anderem gewesen, Häftlinge zur Behandlung in ein Krankenhaus zu bringen. Gefangene habe er gut behandelt, weshalb er selbst vom Regime für mehrere Monate eingesperrt worden sei. "Sie haben mir gesagt, mein Mann habe Kriminellen und Terroristen geholfen. Er habe Informationen an deren Familien geliefert. Das sei verboten", erzählt Ilam Ramadan.

Auf arabischen Social-Media-Kanälen finden sich unter Meldungen über Fahad A.s Festnahme unterschiedliche Kommentare. In einigen heißt es, er sei ein berüchtigter Geheimdienstoffizier gewesen. In anderen, er habe Häftlingen Zugang zu Medikamenten ermöglicht. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Ilam Ramadan berichtet, ihr Mann habe Akten aus dem Gefängnis geschmuggelt, um die Verbrechen des Assad-Regimes aufzudecken, etwa Listen von toten Häftlingen.

Warum liegt das Verfahren bei der deutschen Justiz?
Grundlage für das Verfahren ist das Weltrechtsprinzip. Seit 2002 können bestimmte Verbrechen - Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen - in Deutschland geahndet werden. Und dass auch dann, wenn weder die Tat hierzulande geschehen ist noch die Angeklagten oder die Opfer aus Deutschland kommen. Menschen, die solche Verbrechen begangen haben, sollen in Deutschland nicht frei sein, so die Idee. Im deutschen Recht ist das Weltrechtsprinzip in § 6 StGB niedergelegt.

Fahad A. berichtete 2015 bei "Al-Jazeera" von Verbrechen

Ist Fahad A. also in Wahrheit ein Held? Im Jahr 2015, nach der Flucht seiner Familie in die Türkei, berichtet er im katarischen Fernsehsender "Al-Jazeera" offen über Verbrechen des Assad-Regimes. In dem Interview, das noch heute im Internet zu finden ist, sprach er über Folter durch speziell geschultes Personal: "Sie wendeten viele Methoden an, darunter Elektroschocks, Mord, Erhängen und vieles mehr."

Fahad A. kam auch in dem weltweit beachteten Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz gegen Anwar R., den stellvertretenden Leiter des Foltergefängnisses 251 in Damaskus zur Sprache. Ein Zeuge sagte, er habe erst von Fahad A. erfahren, dass sein Bruder auf einer Liste mutmaßlich toter Gefangener stehe. Das geht aus Gerichtsprotokollen der Organisation "The Syria Justice and Accountability Centre" (SJAC) hervor.

Syrischer Menschenrechtsanwalt: Unterstützer sehen Fahad A. als Helden

Ein bekannter syrischer Menschenrechtsanwalt sagte 2022 in einem TV-Interview, Fahad A. sei ein ranghoher Offizier gewesen. Er habe ihm wichtige Unterlagen übergeben, habe ihm unter anderem die Orte von vier Massengräbern genannt. Laut dessen Ehefrau hat Fahad A. auch deutschen Behörden interne Unterlagen übermittelt. Hat er sich damit am Ende unfreiwillig selbst belastet? Oder nutzte Fahad A. Insider-Wissen, um von eigenen Taten abzulenken?

Auf die Frage, ob er sich selbst an Folter beteiligt habe, sagt Fahad A. in dem Interview mit Al Jazeera: "Wir machten unsere normalen Arbeiten innerhalb der Abteilung, aber für das Töten und Foltern waren Spezialisten und Methodiker zuständig."

Der syrische Menschenrechtsanwalt Anwar Al-Bunni, der in Berlin lebt und den Fall kennt, berichtet, es gebe Zeugenaussagen, die Fahad A. belasteten. "Das ist natürlich heikel. Seine Unterstützer sehen ihn als Helden. Aber das muss man trennen von dem rechtsstaatlichen Verfahren gegen ihn," sagt Al-Bunni dem SWR.

Die Bundesanwaltschaft wollte auf SWR-Anfrage keine weiteren Details zu dem Fall nennen. Auch der Anwalt von Fahad A. wollte sich zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft vorerst nicht äußern.

Hoffnung auf faires Verfahren

Die Familie von Fahad A. hofft nun auf ein faires Verfahren. Viele Anschuldigungen gegen ihren Mann, etwa auf Social Media-Kanälen, hätten sich inzwischen als falsch herausgestellt, sagt Ilam Ramadan. Die Festnahme samt Hausdurchsuchung sei belastend gewesen, vor allem für die Kinder. Die Familie habe aber auch Unterstützung erfahren, etwa von einer der Schulen der Kinder und der örtlichen Polizei.