Rheinland-Pfalz Übermacht der Ü50 - Macht Wählen für junge Leute überhaupt noch Sinn?
Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl ist älter als 50. Manche sprechen von einer Gerontokratie, also einer Herrschaft der Alten. Stimmt das?
Leben wir in einer Gerontokratie?
Fakt ist: Zur kommenden Bundestagswahl am 23. Februar werden nach einer Schätzung des Landeswahlleiters in Rheinland-Pfalz knapp 59 Prozent der Wahlberechtigten über 50 Jahre alt sein. Dagegen sind nur etwa 14 Prozent unter 30. Die große Mehrheit der Wahlberechtigten zählt also zur Ü50-Gruppe.
Dominieren die Älteren das Wahlergebnis?
Ja. Zum einen, weil es mehr ältere Menschen gibt. Zum anderen aber auch, weil die Wahlbeteiligung der älteren Menschen besonders hoch ist. So gingen 75 Prozent der über 70-jährigen und 80 Prozent der 60- bis 69-jährigen Wahlberechtigten zur letzten Bundestagswahl. Dagegen haben nur 71 Prozent der 21- bis 24-Jährigen ihre Stimme abgegeben.
Bestimmen die Älteren die Themen bei einer Wahl?
Diese Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Bei der Bundestagswahl 2021 war über alle Altersgruppen hinweg die Klimakrise eines der wichtigsten Themen. Geprägt wurde das in der öffentlichen Wahrnehmung zwar durch die Schülerbewegung "Fridays For Furture".
Doch auch die Mehrheit der Älteren sorgte sich ums Klima und war dafür auch bereit, auf Flugreisen zu verzichten (59 Prozent), wie eine Studie aus Hamburg zeigte. Das wollten aber nur 32 Prozent in der Altersklasse der 18- bis 39-Jährigen. Fazit: Auch Ältere wählten damals "zukunftsorientiert", wohl weil sie sich um die Zukunft ihrer Kinder und Enkel sorgten.
Inzwischen haben sich die Präferenzen geändert: Migration und Zuwanderung sowie Wirtschaft sind laut ARD-DeutschlandTrend die beiden derzeit wichtigsten Themen für die meisten Wählerinnen und Wähler. Auch bei den Jungwählern steht das Thema Zuwanderung auf Platz Eins, dann folgen auf Platz Zwei der Klimawandel und die Sorge vor zunehmendem Rechtsextremismus (Quelle: Jugendwahlstudie 2024; Institut für Generationenforschung, pdf).
Gibt es große Unterschiede im Wahlverhalten von Jungen und Älteren?
Eindeutig ja. Bei der Bundestagswahl 2021 in Rheinland-Pfalz votierten überdurchschnittlich viele Jungwähler für die Grünen (25 Prozent) und die FDP (19 Prozent). Bei den Erstwählern lagen beide Parteien mit jeweils 23 Prozent gleichauf. Dagegen dominierten bei den über 50-Jährigen die CDU und SPD.
Analyse Wahlverhalten junge und ältere Wähler bei der Bundestagswahl 2021
Bei der Europawahl 2024 rückten die jungen Wähler dann deutlich nach rechts: Viele gaben der AfD ihre Stimme. Die Zahlen zeigen, dass junge Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimmabgabe durchaus einen Einfluss auf das Abschneiden von Parteien haben. Deshalb macht Wählen für die jüngere Generation durchaus Sinn, um auf die Frage in der Überschrift zurückzukommen.
Analyse Wahlverhalten junge und ältere Wähler bei der Europawahl 2024
Warum fühlen sich viele Jungwähler nicht gehört?
Gerade junge Menschen fühlen sich von den traditionellen Parteien nicht ausreichend gehört. Woher kommt dieses Gefühl? Der Psychologe und Generationenforscher Rüdiger Maas, einer der Autoren der Jugendwahlstudie 2024, meint, dass junge Wähler aus dem linken Spektrum und der Klimabewegung von der Ampelregierung enttäuscht sind, weil diese zu wenige ihrer Ankündigungen umgesetzt hat.
CDU und AfD werden bei der Erstwählern im Vergleich zur letzten Bundestagswahl deutlich zulegen. Generationenforscher Rüdiger Maas
Ein weiterer Grund sei der massive Einfluss von Social Media auf die Wahlentscheidung von Jungwählern: "Etwa 52 Prozent der Befragten gaben uns an, ihre Hautpinformationsquelle über Politik sei aus Social Media. Hierbei wird ihnen ständig suggeriert, es könnte dir noch viel besser gehen, aber der Staat kümmert sich eben lieber um Ukraine, Migranten etc. Ihm bist Du quasi egal."
Maas rechnet deshalb damit, dass bei der Wahl im Februar viele Jungwähler keine der ehemaligen Ampel-Parteien wählen werden. "Ich vermute, dass die Kleinstparteien noch stärker zunehmen werden und verstärkt rechts-konservativer gewählt wird. Das heißt, CDU und AfD werden bei den Erstwählern im Vergleich zur letzten Bundestagswahl deutlich zulegen."
Der "jüngste" Bundestag seit langem
Trifft die Prognose zu, würden also gerade Jungwähler für einen weiteren Erfolg der AfD sorgen - als Konsequenz aus dem gefühltem "Nicht-Gehört-Werden". Auch wenn die "Generation Z" - also die Jahrgänge 1995 bis 2010 - den "Babyboomern" (Jahrgänge 1957 - 1968) zahlenmäßig deutlich unterlegen ist, wird der neue Bundestag nach Ansicht von Wahlforschern mit Blick auf das Alter der Abgeordneten wohl der jüngste seit Jahrzehnten sein.
Auch bei einigen Parteien stellen die 21- bis 30-Jährigen inzwischen ein knappes Fünftel der Mitglieder: Linke (19 Prozent), Grünen (17) und FDP (18). Deutlich niedriger liegt dieser Anteil bei CDU (5 Prozent), CSU (4) und SPD (8).
Ob junge Menschen und ihre Themen von der Politik wahrgenommen werden, hängt also nicht nur von der Altersstruktur der Gesellschaft, sondern auch vom eigenen Engagement der Jüngeren ab.