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Vermisst im Zweiten Weltkrieg, 2022 gefunden - das Schicksal von Opa August

Stand

Von Autor/in Sascha Mache

Mit diesem Brief hatte Hans Götz aus Andernach nicht mehr gerechnet. Absender: der DRK-Suchdienst. Nach vielen Jahrzehnten konnte das Schicksal von seinem Großvater August geklärt werden.

Vor 80 Jahre endete der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Nazi-Diktatur. Acht Jahrzehnte sind vergangen - und viele Menschen gelten nun schon seit Jahrzehnten als verschollen. Allein eine Million Soldaten von der Wehrmacht sind vermisst, ihr Schicksal ist weiter ungeklärt. So wie das von August Hofmann - bis zum April 2022.

Ungewissheit über Verbleib im Zweiten Weltkrieg belastet Familien

Hofmann war der Opa von Hans Götz aus Andernach und seit dem Krieg vermisst. Ein Opa, den Hans Götz nicht persönlich kannte und zu dem er deshalb keine emotionale Beziehung hatte. Aber als Kind hat der heute 80-Jährige Götz mitbekommen, wie die Oma und seine Mutter von dem Vermissten redeten. "Meine Großmutter hat darunter gelitten, dass sie nicht wusste, wo ihr Mann geblieben ist. Die Ungewissheit hat an ihr genagt." Der Andernacher hat seine Oma Anna als alte, gebrochene Frau in Erinnerung.

Die Ungewissheit hat an meiner Großmutter genagt.

Anna Hofmann wurde zu Lebzeiten nicht von dieser Ungewissheit erlöst. Schon kurz nach dem Krieg hatte sie einen Suchauftrag beim DRK-Suchdienst angeschoben, doch sie starb, noch bevor das erste Ergebnis der Recherchen 1961 an die Familie geschickt wurde. Damals hieß es in dem Brief, die Suche sei "leider ergebnislos" geblieben.

Ungewissheit so schwer zu ertragen wie physisches Leid

Maximilian Fixl ist beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Leiter des Fachbereichs Nachforschungen/Schicksalsklärungen Zweiter Weltkrieg. Er zitiert einen Leitsatz von 1948, der noch heute seine Arbeit und die seines Teams ausmacht: "Ungewissheit über den Verbleib eines lieben Menschen ist genau so schwer zu ertragen wie physisches Leid."

"Das ist, was unsere Arbeit ausmacht. Wir versuchen, Gewissheit zu geben. Natürlich können wir in den meisten Fällen Angehörige nicht wieder zusammenbringen, aber wir können den Menschen einen gewissen Grad an Ruhe bringen und das Gefühl, dass man abschließen kann." Wer genauer wisse, was mit einem Angehörigen passiert ist, der könne auch das Geschehen für sich selber besser verarbeiten.

Der Suchauftrag für August Hofmann blieb zunächst offen - wie bei so vielen Vermissten, deren Schicksal das DRK nicht klären kann. Vorerst, muss man wohl sagen. Denn es kommt immer wieder Bewegung in viele Fälle, insbesondere seit dem Zerfall der Sowjetunion in den 1990er Jahren. Dadurch öffneten sich für den Suchdienst die Tore zu verschiedenen Archiven in Russland - ein wichtiger Baustein bei der Recherche, denn viele Soldaten waren im Osten vermisst.

Durch den Zugang zu den Akten aus russischem Bestand konnte der Suchdienst nach Aussage von Fixl bislang mehr als 200.000 Schicksale nachträglich klären. Die Arbeit sei auch noch lange nicht beendet: "Es konnten noch nicht alle Unterlagen zugeordnet werden, es besteht durchaus noch die Möglichkeit, nochmal Schicksale klären zu können - auch für Leute, die bereits angefragt haben." Angehörige müssten allerdings aus datenschutzrechtlichen Gründen heute einen neuen Antrag stellen.

Schicksal von Opa August nach 77 Jahren aufgeklärt

August Hofmann ist eines der 200.000 Schicksale, das aufgeklärt werden konnte. Im April 2022 holte Hans Götz das DRK-Schreiben aus dem Briefkasten und hatte es schwarz auf weiß vor sich:

August Hofmann starb am 14. Januar 1946 im Speziallazarett Nr. 1563 in Saburtalo/Tiflis in Georgien. Bestattet wurde er auf dem zugehörigen Friedhof, Quadrant 26, Grab 16.

Die Ungewissheit war beendet. "Ich war bass erstaunt, damit hatte ich im Leben nicht mehr gerechnet, denn jahrzehntelang hatte sich gar nichts getan." Seine Gefühle zu beschreiben, fällt Götz schwer, denn er kannte seinen Großvater ja nicht einmal. "Ich war froh, dass ich das da lesen konnte. Ich wusste jetzt, wo man ihn beerdigt hatte." Abschließen, das sei wohl das passendste Wort.

Sehr beeindruckt hat ihn vor allem ein anderes DIN-A-4-Blatt, das man ihm mit in den Briefumschlag gesteckt hatte: Darauf war festgehalten, was Spätheimkehrer berichtet hatten über die Zustände in den russischen Lagern und Hospitälern. "Der Großvater muss allerhand mitgemacht haben", so Götz. Er rückt es aber in den historischen Zusammenhang: "Die Russen haben die armen Teufel genauso behandelt, wie wir seinerzeit diese Hunderttausenden Kriegsgefangen, die geschuftet haben bis aufs Blut."

Für Hans Götz kann es nur eine Lehre daraus geben: "Der Tod auf einem Schlachtfeld, in einem Gefangenenlager - sinnloser kann man nicht sterben."

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