
Saarland "Die Menschen haben Todesangst"
Der Krieg zwischen Israel und Iran betrifft den Nahen und den Mittleren Osten. Von beiden Seiten werden immer wieder Angriffe geflogen. Es gibt Hunderte Tote. Ein Gespräch mit der SR-Kollegin Susan Zare. Sie ist Iran-Journalistin und hat Familie im Iran.
Jochen Marmit / Susan Zare / Onlinefassung: Lisa Huth
Susan Zare bezeichnet die Stimmung im Iran als katastrophal. Anfangs gab es teilweise Zustimmung, weil die Angriffe hochrangige Funktionäre der IRGC, der Revolutionsgarde der islamischen Republik, trafen. Viele der getöteten Machthaber, so Zare, haben jahrelang für Verhaftungen und Repressionen im Land gesorgt.
Im Stich gelassen
Inzwischen sei die Stimmung gezeichnet von blanker Angst, vermischt mit Wut. "Die Menschen fühlen sich von allen Seiten im Stich gelassen", von der eigenen Regierung, aber auch vom Westen, der jahrelang eine Appeasement-Politik mit dem Iran betrieben habe.
Zum Zeitpunkt des Gesprächs war das Internet im Iran teilweise down. Wenig später kam die Meldung aus dem Iran, dass das Internet nun komplett abgeschaltet sei.
Todesangst und Flucht
Nach wie vor versuchten viele Menschen, vor allem aus Teheran herauszukommen. "Es gibt Todesangst vor den israelischen Luftangriffen, aber auch, und das ist ganz wichtig, vor der eigenen Regierung. Die Islamische Republik Iran geht aktuell noch härter gegen ihre eigene Bevölkerung vor."
Viele im Iran sagen laut Zare, sie wollen diesen Krieg nicht. Sie wollen, dass das Regime aufhört, Hass zu exportieren. sie haben aber keine Chance, sich zu schützen. Vonseiten der Regierung wurden keine Sicherheitsmaßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger getroffen, keine Sirenen, keine Bunker, keine Warnsysteme.
Internet lahm gelegt
Die einzigen Warnungen kämen vom israelischen Militär. Nun sei aber der Zugang zum Internet lahm gelegt. Wer irgendwie könne, versuche, Richtung Norden zu fliehen. Die Straßen seien aber der dicht, der Sprit knapp, an den Tankstellen entstünden lange Schlangen. Es zudem nicht mehr möglich, Geld aus dem Automaten zu ziehen. Aus dem Norden werde gemeldet, es gebe kein Brot mehr.
Inmitten all dieser Problem setzte das Regime auf Repression: Wer die Zustände öffentlich kritisiere, werde verhaftet. Das sei in den vergangenen Tagen Dutzendfach passiert. Manchmal reiche ein einziger Tweet.
Friedensnobelpreisträgerin Mohammadi
Jeder könne von den israelischen Angriffen getroffen werden. Eine, der es noch möglich war, Postings zu veröffentlichen, hat nun auch Teheran verlassen: die Friedensnobelpreisträgerin von 2023, Narges Mohammadi. Dreizehn Mal wurde Mohammadi zuvor inhaftiert. Sie habe zuletzt zum Stopp des Krieges aufgerufen.
Es sei für sie sehr schwierig, so Zare, die eigene Familie zu erreichen. Und selbst wenn, sei es nicht möglich, frei zu reden. Es bleibe immer die Gefahr, abgehört zu werden. Und das könne wieder Konsequenzen für die Gesprächsteilnehmer haben. "Viele Menschen haben Angst, dass sie festgenommen werden, nur weil sie reden."
"Noch leben wir"
Ihre Familie habe ihr geschrieben, "noch leben wir", habe vom Zusammenhalt der Menschen geschrieben, die sich um ihre Mitmenschen kümmerten. Für Susan Zare weckt das Erinnerungen an 2022, als die "Frau Leben Freiheit"-Proteste begannen. "Auch da waren wir nachts wach, haben die Nachrichten aktualisiert und konnten doch am Ende nicht viel tun. Und damals war der Aggressor das Regime gegen die Menschen, jetzt greift auch noch Israel von außen an." Gleichzeitig fühle sie Schuld. Sie sei in Sicherheit, ihre Familie nicht.
Auch die Politik des Westens habe die Proteste der vergangenen Jahre kaum unterstützt, immer aus Angst vor Chaos . Susan Zare ist es wichtig zu betonen, das nicht die Menschen im Iran, sondern die Islamische Republik die Vernichtung Israels zur Staatsräson gemacht habe.
Tod der Dichterin Parnia Abbassi
"Mich hat in den letzten Tagen besonders der Tod der jungen Dichterin Parnia Abbassi getroffen." Die 24-Jährige wurde bei einem Luftangriff in ihrem Haus getötet, eine aufstrebende Lyrikerin, die mit bildgewaltiger Sprache das Gefühl von Isolation und Unterdrückung im Iran beschrieben hatte. Der Luftangriff, bei dem sie ums Leben kam, galt womöglich einem Atomwissenschaftler im selben Haus. Ihr bekanntestes Gedicht lautet:
Der erloschene Stern
Du und ich werden ein Ende finden.
Irgendwo.
Das schönste Gedicht der Welt verstummt.
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Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 18.06.2025 auf SR kultur.