
Schleswig-Holstein 15 Euro Stundenlohn: Frust bei vielen Gastronomen in SH
Am 1. Mai tritt in Schleswig-Holstein ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in Kraft. Viele aus der Gastronomie finden es ungerecht, dass auch ungelernte Kräfte in Hotels und Gaststätten 15 Euro Stundenlohn bekommen.
Das Gasthaus "Zum Frohsinn" in Bosau im Kreis Ostholstein ist ein traditioneller Familienbetrieb. In der Hauptsaison arbeiten in dem Restaurant und Hotel an die 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Einige sind schon 20 Jahre dabei. "Und wir bezahlen sie natürlich gut", sagt Gregor McDermott, der den Betrieb zusammen mit seinem Cousin Hans Reimers führt.
Doch in zwei Wochen ändert sich einiges grundlegend, denn auch Schüler, Studenten oder Quereinsteiger müssen vom ersten Tag an rund 15 Euro in der Stunde bekommen, also etwa zwei Euro mehr als der generelle Mindestlohn. "Das Problem dabei ist: Es treibt generell ja alle Löhne in die Höhe", sagt McDermott. "Wenn ein 15 Jahre alter Schüler dann 15 Euro in der Stunde bekommt, erwartet ein Mitarbeiter, der schon ein oder zwei Jahre Erfahrung hat, vielleicht 16,50 Euro."

Auch im Gasthaus "Zum Frohsinn" muss in zwei Wochen der Stundenlohn von 15 Euro gezahlt werden.
Unverständnis bei manchen erfahrenen Mitarbeitern
Es sei wie eine Spirale, befürchtet der Gastronom. "Wir sind aber nicht in der Lage, alle Löhne um diese 17 Prozent anzuheben." Würden er und sein Cousin Hans Reimers genau das tun, hätte sein Betrieb in Bosau insgesamt etwa zehn Prozent Mehrkosten. Natürlich wolle man die Mitarbeiter alle angemessen bezahlen, aber gerade diejenigen, die schon länger qualifiziert in der Branche arbeiten, hätten wenig Verständnis für den kommenden höheren Einstiegslohn. "Sie fragen sich: Wofür haben wir all die Jahre gearbeitet und all die Fachkenntnisse gesammelt, wenn man einfach reinspazieren kann und einen annähernd ähnlichen Lohn bekommt?"

Gregor McDermott vom Gasthaus "Zum Frohsinn" in Bosau kritisiert den neuen Tarifvertrag.
Hotel Wittensee: "Was soll denn dann die Fachkraft bekommen?"
In einer ganz ähnlichen Situation befindet sich auch das Hotel Wittensee mit dem Restaurant "Schützenhof" in Groß Wittensee (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Auch hier wird seit vielen Jahren auf eine gute und gerechte Bezahlung geachtet. "Wir haben aber Lohnsteigerungen von mehr als 30 Prozent in den letzten Jahren. Und jetzt wird wieder um 17 Prozent erhöht", sagt Seniorchef Johannes Schmidt. Auch wenn die Mehrwertsteuer in der Gastronomie nun auf sieben Prozent gesenkt werde, führe das wegen der Mindestlohn-Problematik nicht dazu, dass das Essen im Restaurant günstiger wird. "Preise senken? Das geht nicht."
Brandbrief von Kieler Gastronomen
Anfang April hatten bereits Dutzende Betriebe aus Kiel einen Brandbrief unterzeichnet und anschließend Gespräche beim Wirtschaftsministerium geführt. "Wir finden es ja richtig, dass es diesen Tarifvertrag gibt", hatte der Kieler Gastronom und Initiator des Briefes, Konstantin Koch, gesagt. "Das Einzige, was wir bemängeln, ist, dass Minijobber, Werkstudenten und geringfügig Beschäftigte damit eingeschlossen werden sollen." Alle scheinen also dasselbe Problem mit dem Tarifvertrag zu haben.
Dehoga-Präsident versteht die Aufregung nicht ganz
Wird sich noch was ändern? Könnten die Proteste der Gastronomen noch Wirkung zeigen? Axel Strehlt, der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) geht nicht davon aus. "Leider macht der Gesetzgeber keinen Unterschied zwischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Voll- oder Teilzeit gegenüber den geringfügig Beschäftigten, also etwa den Aushilfen", sagte Strehl am Donnerstag auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein.
So ganz verstehe er die Aufregung auch nicht. Die Lohnerhöhung sei auch eine Wertschätzung für die Mitarbeitenden. Und außerdem gelte der Lohn- und Gehaltstarifvertrag schon länger, die Landesregierung habe ihn nun nur für allgemeinverbindlich erklärt (rückwirkend übrigens zum 1. November). Allgemeinverbindlich heißt: Alle müssen sich daran halten, auch diejenigen, die bisher nicht tarifgebunden sind.
Dennoch werde man sich mit den Unterzeichnern des Kieler Brandbriefes noch einmal zusammensetzen, versprach Axel Strehl. Ob das was ändern werde? Vermutlich nicht, so der Dehoga-Präsident. "Im Frühjahr ist dann die nächste Tarifverhandlung, da wird das Ganze wieder großes Thema sein."
Gewerkschaft NGG: Lohnerhöhung längst überfällig
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die den Tarifvertrag mit ausgehandelt hat, ist froh, dass alle nun mehr Geld bekommen. Die Erhöhung sei längst überfällig, sagt Lisa vom Endt von der NGG. "Ich glaube, dass es auch wegweisend ist, um Fachkräfte in der Branche zu halten." Ihren Angaben zufolge gibt es ein riesiges Problem von älteren Mitarbeitern, die jetzt in Rente gehen und jahrelang wenig verdient haben. Viele seien massiv von Altersarmut betroffen.

Lisa vom Endt von der Gewerkschaft NGG setzt sich dafür ein, dass Menschen in der Gastronomie mehr Geld verdienen.
Auch Gastronomen wie Gregor McDermott vom "Zum Frohsinn" in Bosau oder Familie Schmidt vom Hotel Wittensee wissen natürlich, dass die Erhöhung des Mindestlohns auch ihr Gutes hat. "Jeder weiß nun sofort: In der Gastronomie kann man Geld verdienen", sagt Gregor McDermott. "Das macht es attraktiver. Allerdings würden wir lieber Fachkräfte gewinnen." Seine Befürchtung ist, dass künftig weniger junge Menschen eine Ausbildung in der Gastronomie machen wollen, wenn man auch als Ungelernter schon 15 Euro in der Stunde bekommt.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.04.2025 | 15:00 Uhr