
Schleswig-Holstein Staatsanwaltschaften in SH an der Grenze des Leistbaren
Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hat am Mittwoch ihre Bilanz vorgelegt: Die Zahl der Verfahren liegt deutlich über dem Niveau der letzten Jahre. Die Staatsanwaltschaften in SH sind am Limit.
Die Staatsanwaltschaften in Flensburg, Kiel, Lübeck und Itzehoe (Kreis Steinburg) arbeiten laut des stellvertretenden Generalstaatsanwalts Georg-Friedrich Güntge nach wie vor an der Grenze des Leistbaren. Im Jahr 2024 sind insgesamt 336.444 Ermittlungsverfahren von den Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein eingeleitet worden. Das sind zwar rund 7.000 Verfahren weniger als in 2023, doch die Zahl der Verfahren liegt deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Zum Vergleich: 2015 wurden 278.238 Verfahren eingeleitet. Seitdem ist die Anzahl der Fälle also um knapp 21 Prozent gestiegen.
Digitalisierung sorgt für zusätzliche Belastung
Einer der Gründe für die starke Arbeitsbelastung liegt laut Güntke in der voranschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche. Oft müssten große Datenmengen ausgewertet und aufbereitet werden. Das binde personelle und technische Ressourcen, so sein Fazit. Die Datenflut spielt vor allem in der Wirtschaftskriminalität und der sexualisierten Gewalt gegen Kinder eine bedeutende Rolle. Verabredungen zu kriminellen Handlungen werden laut Güntke aber auch ansonsten sehr oft über das Smartphone getroffen.
Steigende Zahlen beim Antisemitismus
Die Anzahl der Verfahren wegen rechtsextremer und ausländerfeindlicher Straftaten ist im vergangenen Jahr um 40 Prozent angestiegen. In 213 Fällen wurden Ermittlungen wegen antisemitischer Taten aufgenommen - sehr oft geht es dabei um Hassrede im Internet. Im Jahr davor waren es noch 129 Fälle. Morddrohungen, volksverhetzende Äußerungen und andere strafbare Inhalte, die über Soziale Netzwerke veröffentlicht werden, nehmen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft stetig zu. Insgesamt sei zu beobachten, dass vor allem auf Social Media zunehmend aggressiv, bedrohlich, diffamierend und beleidigend über andere hergezogen werde.
Gewaltkriminalität weiter auf hohem Niveau
Unter dem Begriff Gewaltkriminalität sind die Delikte Tötung, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Raub und räuberische Erpressung zusammengefasst. Im Bereich der Gewaltdelikte bewegt sich die Anzahl der Verfahren laut Generalstaatsanwaltschaft Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Insgesamt wurden 25.216 Verfahren eingeleitet. In 6.716 Fällen waren die Beschuldigten Jugendliche oder Heranwachsende.
Zahl der Tötungsdelikte leicht angestiegen
Die Zahl der eingeleiteten Tötungsdeliktsverfahren ist im vergangenen Jahr um 17 Fälle auf 172 leicht angestiegen. Insgesamt bewege sich die Zahl aber auf dem Niveau früherer Jahre, so die Bilanz. Die Zahlen unterliegen hier laut Generalstaatsanwaltschaft starken Schwankungen, da in die Statistik auch Strafanzeigen wegen versuchter Tötungsdelikte einfließen. Deshalb kann hier keine klare Aussage über einen Anstieg oder einen Rückgang der Kriminalität getroffen werden.
Wirtschaftskriminalität weiter auf hohem Niveau
Im Bereich der Wirtschafts- und Steuerkriminalität gab es im vergangen Jahr einen Anstieg von sechs Prozent. Im Zehnjahresvergleich bewegen sich die Zahlen nach Angaben von Georg-Friedrich Güntge weiter auf einem hohen Niveau. Vor allem im Bereich Steuerhinterziehung sei der Aufwand sehr hoch, da teilweise verdeckt und im Ausland ermittelt werden müsse. Insgesamt wurden im Jahr 2024 im Bereich Wirtschaftskriminalität 293 Objekte durchsucht. 53 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte waren daran beteiligt.
Neue Cannabisgesetzgebung belastet Justiz
Die Neuregelung des Konsumcannabisgesetzes (CanG) hat in Schleswig-Holstein für erheblichen Aufwand bei den Staatsanwaltschaften gesorgt. Demnach wurden mehr als 2.000 bereits abgeschlossene Verfahren noch einmal überprüft - händisch und einzeln. Bestimmte Taten sind seit April 2024 nicht mehr unter Strafe gestellt. Die Überprüfung ist inzwischen abgeschlossen. In 388 Fällen wurde die Strafe entweder erlassen oder neu festgesetzt. Nur in einem Fall wurde auch eine Haftstrafe aufgehoben.
Korruptionsverfahren rückläufig
Die Zahl der Korruptionsverfahren in Schleswig-Holstein ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2023 haben die Staatsanwaltschaften 2024 wieder weniger neue Ermittlungsverfahren eingeleitet - und auch gegen weniger Beschuldigte. Insgesamt wurden im vergangen Jahr 148 neue Korruptionsverfahren registriert - das sind 22 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Beschuldigten sank von 290 auf 189. Insgesamt entspricht das aktuelle Niveau etwa dem Stand von 2018.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 16.04.2025 | 12:00 Uhr