Schwarzweißfotografie zweier Männer in einer Kunstausstellung: der linke trägt Anzug und eine getönte Brille, der rechte Hemd und Pullover sowie einen markanten Vollbart

Thüringen Ausstellung über eine ungewöhnliche DDR-Künstlerfreundschaft

Stand: 18.04.2025 11:00 Uhr

Das Lindenau-Museum widmet sich der Künstlerfreundschaft zwischen Gerhard Altenbourg und Thomas Ranft, der im Januar seinen 80. Geburtstag feierte. Beide lernten sich Anfang der 70er-Jahre im Dresdener Kupferstichkabinett kennen: Altenbourg war in der DDR wegen seiner Abstrahierungen nicht anerkannt dafür aber international bekannt; Ranft agierte als Mitglied der legendären Künstlergruppe "Clara Mosch" in Karl-Marx-Stadt ebenfalls vorbei am sozialistischen Kunst-Ideal. Ihre Freundschaft währte bis zu Altenbourgs tragischem Unfalltot 1989.

Von Ulrike Thielmann, MDR Kulturdesk

Ohne Künstlerfreundschaften, ohne ihren Gedankenaustausch, wären viele Kunstwerke nie entstanden. Und so hängt an der Kunstwand im Interim des Lindenau-Museums eine Rarität: ein feines, leicht schwebendes Grafik-Blatt, das Gerhard Altenbourg und Thomas Ranft gemeinsam gedruckt haben.

Symbolreich belegt es den Austausch, die Zusammenarbeit, die Freundschaft der beiden Künstler: Der eine aus Altenburg, von internationaler Bedeutung, in der DDR nicht anerkannt aufgrund seiner abstrahierten Formen, in der westlichen Welt umso mehr erfolgreich. Ranft, der andere, Mitglied der legendären Künstlergruppe "Clara Mosch", die in Karl-Marx-Stadt von den 70er-Jahren bis 1982 agierte, ebenfalls losgelöst vom Kunst-Ideal der DDR.

Fotografie einer Grafik, auf der zwei ineinander verschränkte Gestalten zu sehen sind, deren Silhouetten Nase an Nase übereinandergelegt sind.

Die Grafik "Zusammendruck" ist ein Gemeinschaftswerk der Künstler Gerhard Altenbourg und Thomas Ranft aus dem Jahr 1984.

Kuratorin Silvia Schmitt-Maaß steht beseelt an der Kunstwand und schätzt sich glücklich, die Grafik mit dem Titel "Zusammendruck" aus dem Jahr 1984 erst kürzlich im Atelier von Thomas Ranft gefunden zu haben – und nun an der Kunstwand erstmalig präsentieren zu können. Was auf dem Blatt ist denn nun von Altenbourg und was von Ranft? "Also für mich ist das nicht schwer zu erkennen," lacht die Kunsthistorikerin.

"Im Zentrum kann man zwei ineinander verschränkte Gestalten sehen, deren Silhouetten Nase an Nase übereinandergelegt sind. Sie sind umgeben von kleinen Formationen, gestrichelten Linien, kleinen Gegenständen, mikroskopischen Gestalten – eher typisch für Thomas Ranft. Und die großformatigen Silhouetten-Figuren sind von Gerhard Altenbourg. Beide Künstler stehen einander gegenüber und das trifft auch die Situation der beiden, die zusammengearbeitet haben, aber doch auch voneinander getrennt waren."

"Obermosch" der "Clara Mosch"-Gruppe druckt für Altenbourg

Gerhard Altenbourg ist eine Art Hausheiliger des Altenburger Lindenau-Museums, die Erforschung seines Lebens und seiner Kunst gehört zu den Kernaufgaben des Hauses. Die Schau arbeitet heraus, dass Thomas Ranft seit Anfang der 70er-Jahre für Gerhard Altenbourg druckte, ersterer wurde dieses Jahr im Januar 80 Jahre alt.

Fotografie einer Grafik auf der eine Landschaft aus verschiedenen Grau-Schattierungen zu sehen ist.

Gerhard Altenbourg, "Die Erhellung. Strömendes Gewißsein über Schatten u. Schweigen" (1979)

Thomas Ranft, weit über Chemnitz auch bekannt als der "Obermosch" der "Clara Mosch"-Gruppe, macht bis heute mit seinen mikroskopisch-feinen, grafischen Blättern von sich reden, die gern den Weltgeist herbeirufen und über denen oft ein Schleier von Farbe zu schweben scheint. Dazu braucht es eine Druckerpresse, die Ranft in der DDR als einer von wenigen besaß, und die, als spezielle Sonderanfertigung, auch heute in seinem Atelier im einstigen Konstrukteurs-Gebäude der MZ-Motorräder in Zschopau steht.

In DDR-Künstlerkreisen heiß begehrte Druckerpresse

Thomas Ranfts Druckerpresse kam bei vielen Künstlern zum Einsatz und eben auch bei Gerhard Altenbourg. Er besorgte auch die Druckplatten für dessen Kaltnadelradierungen, brachte sie nach Altenburg zu Altenbourg, der kein Auto besaß, kümmerte sich. Darüber entwickelten die beiden Künstler Nähe: der sozial kompetente Ranft und Altenbourg, Außenseiter und Kunststar im westlichen Ausland.

Vom Drucken war Altenbourg ganz begeistert, weil das seinen feinen Linien entgegenkam. Thomas Ranft über Gerhard Altenbourg |

Wie in jener Zeit in Künstlerkreisen üblich, diskutierte man viel über Philosophie, erinnert sich Thomas Ranft: "Wenn man bei Altenbourg zu Hause war, war er ganz normal. Ich war der Einzige auf der Welt, der unangemeldet kommen durfte. Wir haben uns bis zu seinem tragischen Autounfall sehr gut verstanden, uns aber immer gesiezt. Vom Drucken war Altenbourg ganz begeistert, weil das seinen feinen Linien entgegenkam. Und, als er in der Radierung gefestigt war, hat er dann die bekannte 'Schnepfenthaler Suite' gemacht – die ich gedruckt habe."

Ausstellung zeigt grafische Blätter von Ranft und Altenbourg

Der "Zusammendruck" der beiden Künstler stammt auch aus Altenbourgs "Schnepfentahler Suite", benannt nach seinem Geburtsort bei Gotha. In einer Auswahl zeigt die Schau weitere grafische Blätter von Ranft und Altenbourg, die zarte, filigrane Gebilde aufs Papier zu bringen, die an Form gewinnen und sich wieder verlieren, eine gewisse Affinität und Seelenverwandtschaft offenbaren. Jene währte fast 20 Jahre. Am Anfang stand eine Druckerpresse – in der DDR bei Künstlerinnen und Künstlern heiß begehrte Mangelware.

Fotografie einer Bleistiftzeichnung bestehend aus vielen kleinen Elementen

In der Ausstellung "Strömungen – Gerhard Altenbourg und Thomas Ranft" im Lindenau-Museum sind verschiedene grafische Arbeiten zu sehen, die die Nähe der beiden Künstler zeigen, darunter das Blatt "Hauptstrom für J. Beuys zum 100." (Thomas Ranft, 2021).

Informationen zur Ausstellung (zum Ausklappen)

Ausstellung: "Strömungen – Gerhard Altenbourg und Thomas Ranft"
Vom 18. April bis 13. Juli 2025

Lindenau-Museum Altenburg
Interim in der Kunstgasse 1
04600 Altenburg

Di bis So und Feiertage: 12 – 18 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: jb, td, tmk