Rekruten legen ihr Gelöbnis ab.
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Vorschläge der Parteien Kommt die Wehrpflicht zurück?

Stand: 31.03.2025 19:43 Uhr

Die Union will die Rückkehr zur Wehrpflicht, die SPD plädiert hingegen für einen auf Freiwilligkeit basierenden "neuen Wehrdienst" - auch von den Grünen kommt ein Vorschlag. Worum es geht und wer welche Forderungen hat.

Das schwedische Modell, ein Dienstjahr für Deutschland, Reaktivierung der Wehrpflicht von 2011: Spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 diskutiert Deutschland über die Wiedereinführung einer Wehrpflicht.

Doch in welcher Form? Das ist nicht nur in den aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD umstritten.

Warum diese Diskussion jetzt?

Mit den Finanzpaket bekommt die Bundeswehr künftig mehr Mittel - Milliarden stehen für Investitionen in die Rüstung bereit. Beim Personal könnte es allerdings Probleme geben. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), sagte im Deutschlandfunk: "Die Bundeswehr muss vollständig einsatzbereit aufgestellt werden, und dafür braucht sie vor allem Personal."

Auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, warnt vor einem Soldatenmangel. Eine personell gesicherte Verteidigungsfähigkeit Deutschlands wird seiner Ansicht nach ohne irgendeine Art von Verpflichtung in naher Zukunft nur schwer möglich sein. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Breuer Anfang März, derzeit fehlten der Bundeswehr rund 100.000 Soldaten.

Zivile Verbände verweisen zudem auf eine angespannte Lage im Bevölkerungsschutz. Deutsches Rotes Kreuz, DLRG, Johanniter, Malteser und Arbeiter-Samariter-Bund teilten jüngst in einer gemeinsamen Erklärung mit, Deutschland sei in seiner aktuellen Verfassung dramatisch verwundbar. "Um einen zukunftssicheren Bevölkerungsschutz aufzustellen, muss eine neue Bundesregierung dringend handeln", hieß es. Die Verbände fordern unter anderem eine Förderung der Freiwilligendienste, nicht zuletzt zur Nachwuchsgewinnung.

Was fordert die Union?

Die Union kann sich die Rückkehr zu einer echten Wehrpflicht vorstellen. In ihrem Grundsatzprogramm fordert sie: "Deutschland muss sich den Realitäten der veränderten Weltlage stellen und dabei auch seiner Führungsverantwortung gerecht werden." Um das Land, aber auch EU und NATO mit den Partnern zu verteidigen, spricht sich die Partei dafür aus, die seit 2011 geltende Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurückzunehmen.

Für die Union ist klar: "Bis zu dieser Umsetzung fordern wir zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die Einführung einer Kontingentwehrpflicht. Die Jahrzehnte der Friedensdividende sind vorbei." Angesichts der sich verändernden Bedrohungslage forderte etwa der CSU-Politiker Florian Hahn zuletzt mehr Tempo bei der Wiedereinführung einer Wehrpflicht. Die Aussetzung der Wehrpflicht passe nicht mehr zur aktuellen Gefährdungslage.

Zudem will die Union ein verpflichtendes Dienstjahr für alle - Männer und Frauen - einführen. Wer nicht zur Bundeswehr möchte, muss sein "Gesellschaftsjahr" bei sozialen, kulturellen oder ökologischen Einrichtungen ableisten - entsprechend dem früheren Zivildienst.

Was fordert die SPD?

Gegen eine sofortige Rückkehr zur Wehrpflicht hatte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius Anfang März in den tagesthemen ausgesprochen: "Wir haben gar keine Kasernen in der großen Zahl, die wir bräuchten, um alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs tatsächlich einziehen zu können."

Der mögliche CDU-Koalitionspartner SPD hält zwar ebenfalls einen neuen Wehrdienst für notwendig - aber flexibel sollte er sein. "Der neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren und sich dabei am Bedarf der Bundeswehr orientieren. Es müssen zügig die Grundlagen für eine Wehrerfassung geschaffen werden", heißt es im SPD-Regierungsprogramm.

Ein entsprechender Gesetzentwurf, mit dem künftig alle wehrfähigen jungen Männer verpflichtend erfasst werden sollten, wurde aufgrund der vorgezogenen Neuwahl nicht mehr verabschiedet. Die Idee: Man erfasst alle, die wehrfähig sind, zieht aber nur die Zahl ein, die man benötigt und zuallererst die, die es selbst wollen. Als Vorbild diente der Ampelregierung das sogenannte schwedische Modell.

Auch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle, wie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagen, kann man sich in der SPD vorstellen - "nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch im sozialen Bereich, im kulturellen Bereich, im Umweltbereich", so Wehrbeauftragte Högl.

Was ist das schwedische Modell?

In Schweden müssen Männer und Frauen bei Erreichen des 18. Lebensjahres einen Fragebogen zur Armee ausfüllen. Gemessen an den Antworten wird ein Anteil der jungen Menschen zur Musterung geladen, und wieder ein Anteil der Eingeladenen tatsächlich gezogen - im Normalfall sieben Prozent eines Jahrgangs, die ohnehin Interesse geäußert haben.

Welche anderen Vorschläge gibt es?

Die Grünen machen einen eigenen Vorschlag: Sie sprechen sich für einen verpflichtenden "Freiheitsdienst" aus. Die Fraktionschefin im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, und der innenpolitische Sprecher Florian Siekmann, plädierten am Sonntag in sozialen Netzwerken für einen Freiheitsdienst für alle im Alter zwischen 18 und 67 Jahren. Der sechsmonatige Dienst solle als Wehrdienst, beim Bevölkerungsschutz oder als Gesellschaftsdienst abgeleistet werden. Schon abgeleistete Dienste oder bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten sollen angerechnet werden.

Die AfD spricht sich klar für eine Reaktivierung der Wehrpflicht aus. Parteichefin Alice Weidel forderte im Wahlkampf eine zweijährige Wehrpflicht.

Die Linke lehnt die Wehrpflicht dagegen kategorisch ab. Die Aussetzung unter Kanzlerin Angela Merkel sei "ein zivilisatorischer Fortschritt" gewesen, sagte Parteivorsitzende Ines Schwerdtner. 

Wie stehen Jugendliche zu einer möglichen Dienstpflicht?

Die Bereitschaft junger Menschen, sich überhaupt auf eine Dienstpflicht einzulassen, scheint gering zu sein. Laut einer Yougov-Umfrage von Anfang März befürworten zwar rund 58 Prozent der Deutschen eine Wehrpflicht. Die 18- bis 29-Jährigen, im Zweifel selbst betroffen, lehnen eine Wehrpflicht aber zu 61 Prozent ab.

Der Deutsche Bundesjugendring hatte vergangenes Jahr erklärt, junge Menschen müssten sich frei für einen Dienst oder dagegen entscheiden dürfen, egal ob militärisch oder zivil. Gleichzeitig sollten bereits bestehende Freiwilligendienste gestärkt werden. Zudem kritisierten Verbände, an der Diskussion um eine Dienstpflicht würden junge Menschen zu wenig beteiligt.

Kann man zum Dienst an der Waffe gezwungen werden?

Nein, in Deutschland muss niemand gegen seinen Willen an der Waffe dienen. Selbst in einem sogenannten Spannungs- oder Verteidigungsfall gilt zwar Artikel 12a des Grundgesetzes, wonach Männer ab 18 Jahren zu einem Dienst "in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband" verpflichtet werden können. Davor, am Ende unfreiwillig an der Waffe in den Krieg zu ziehen, schützt aber Artikel 4: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden."

Personen, die einen militärischen Einsatz nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, haben bereits jetzt die Möglichkeit, beim örtlichen Karrierecenter der Bundeswehr einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. Ein Weg, den laut Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben im vergangenen Jahr 2.241 Menschen gegangen sind - mehr als doppelt so viele als noch 2022.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 31. März 2025 um 12:36 Uhr.