
Bengt Bergt Ex-SPD-Abgeordneter wechselt zur Gaslobby
Der Ex-SPD-Abgeordnete Bergt prägte die Gaspolitik der Ampel-Regierung mit - nun wird er Lobbyist bei einem einflussreichen Gasverband. Bereits während seiner Zeit im Parlament hatte Bergt laut BR-Recherchen engen Kontakt zu dem Verband.
Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt, der als stellvertretender energiepolitischer Sprecher für Erdgas-Infrastruktur und Erdgas-Förderung zuständig war, hat seit dem 1. Juni 2025 einen neuen Job: Er ist Leiter Public Affairs beim Verband "Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft" und als Lobbyist dort "für den Dialog mit Politik, Behörden und gesellschaftlichen Akteuren verantwortlich".
Bei der Bundestagswahl im Februar hatte Bergt den Wiedereinzug in das Parlament verpasst. BR-Recherchen zeigen nun, wie nah Bergt der Gaswirtschaft bereits als Abgeordneter war.
Der Verband vertritt die Geschäftsinteressen von rund 130 Unternehmen der Gasbranche. Mit Sitz in Berlin und jährlichen Lobbyausgaben im mittleren sechsstelligen Bereich zählt er zu den einflussreichsten Akteuren der deutschen Gaswirtschaft. Der Verband gab die Personalie am Mittwoch bekannt.
Lob für "Erfahrung und Netzwerk"
Vorstand Timm Kehler betont, man habe mit Bergt einen "Brückenbauer" für das Führungsteam gewonnen. Er sagt, dass Bergt aufgrund seiner politischen Erfahrung und Energieexpertise bestens geeignet sei, den Verband im Dialog "mit Politik, Behörden und gesellschaftlichen Akteuren" zu vertreten. Und Bergts "Erfahrung und sein Netzwerk" würden helfen, "den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft konstruktiv zu begleiten und die Interessen unserer Branche in Berlin und Brüssel wirkungsvoll zu vertreten".
Die Organisation LobbyControl kritisiert, das der Verband auf die "Fortsetzung fossiler Geschäftsmodelle" setze und dafür die "irreführende Lobbyerzählung" verbreite, dass "neue Gase" klimafreundlich seien. Damit zementiere der Verband "Deutschlands Abhängigkeit von fossilem und damit klimaschädlichem und absehbar teurem Gas".
Verband lobte den Abgeordneten
Bereits während seiner Zeit im Parlament hatte Bergt engen Kontakt zu dem Verband. Das zeigen Recherchen des BR. Demnach verzeichnen Transparenzberichte für 2022 und 2023 Treffen mit Vertretern von "Zukunft Gas". Anfang 2025 benannte sich Zukunft Gas in "Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft" um, also jenen Verband, für den Bergt nun als Lobbyist arbeitet.
Gemeinsam mit dem damaligen SPD-Abgeordneten Andreas Rimkus entwickelte Bergt das Konzept der "Grüngasquote", mit dem eine Quote für wasserstoffbasierte und andere "klimafreundliche" Gase die Zukunft des Gasnetzes sichern sollte. Im März 2024 lobte der Verband Bergt in einem Positionspapier zur Grüngasquote namentlich.
Der Verband begrüße den "Vorschlag für die Einführung einer Grüngasquote im deutschen Energiemarkt". Diese könne "einen wichtigen Beitrag zum Markthochlauf für die neuen Gase leisten" - also zur schrittweisen Etablierung im Markt. CDU, CSU und SPD nahmen das Konzept schließlich in ihren Koalitionsvertrag auf.
Interessenkonflikte
Zu Bergts nahtlosem Wechsel vom Bundestag in die Gaslobby sagt Christina Deckwirth von LobbyControl dem BR: "Es stellt sich die Frage, ob er schon als Abgeordneter auf einen Anschlussjob in der Gasindustrie schielte und entsprechend politische Entscheidungen traf." Schon allein dieser Verdacht zeige, dass direkte Seitenwechsel in Lobbyjobs massive Interessenkonflikte mit sich bringen.
Auf BR-Anfrage schreibt der Verband "Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft", Bergt erfülle seine neue Rolle mit der gleichen Integrität und Fachkenntnis, mit der er sich zuvor im Parlament eingebracht habe - in einem transparenten, öffentlichen und regelkonformen Rahmen.
Für den Bundestag in der Bundesnetzagentur
Im Bundestag saß der schleswig-holsteinische Abgeordnete im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Das Parlament entsandte ihn zudem als stellvertretendes Mitglied in den Beirat der Bundesnetzagentur, die unter anderem für das Gasnetz zuständig ist. Die Bundesnetzagentur führt ihn bis heute mit dieser Funktion auf ihrer Webseite.
Anfang Februar 2024 reiste Bergt in die USA, um sich Fracking-Gasquellen in Pennsylvania und West Virginia anzusehen. In einem Video auf Instagram erklärte er, es sei "verantwortbar, dieses Fracking-Gas aus den USA zu beziehen und auf dem Seeweg hierher zu schippern", da die Quellen "sehr sicher gebohrt" würden. Er räumte ein, dass in anderen Regionen der USA große Umweltprobleme bestünden, sodass Fracking-Gas nur eine "Alternative für einen Übergang" sein könne.
Im Parlament setzte Bergt sich unter anderem für den Ausbau der LNG-Infrastruktur ein. In einer Rede zur Errichtung eines LNG-Terminals in Mukran auf der Ostseeinsel Rügen betonte er, dass die Bundesregierung und die Ampel-Koalition "unter großem Druck sehr viel richtig gemacht" hätten, weil sie "in Rekordzeit LNG-Ports gebaut" hätten. Im Sommer 2023 erklärte er, dass neue Kapazitäten gebraucht werden, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Klima- und Wirtschaftsinstitute halten die von der Ampel-Regierung gebauten LNG-Terminals für überdimensioniert.
Keine Karenzzeit für Abgeordnete
Bergt ist nicht der erste Abgeordnete, der nach seiner Zeit im Bundestag in den Lobbyismus wechselt. So wurde etwa über die heutige Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) diskutiert: Nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2015 wurde sie Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen.
Der langjährige SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs gründete kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2020 eine Beratungsfirma, mit der er laut Lobbyregister die Interessen von Firmen unter anderem aus der Arzneimittel- und Tabakindustrie vertritt.
Sarah Schönewolf, Sprecherin von abgeordnetenwatch.de, kritisiert den Wechsel vom Abgeordnetenmandat in einen "lukrativen Lobbyjob". Sie sagt: "Wenn Volksvertreter ihre politischen Kontakte für eigene Vorteile und die kommerziellen Interessen von Lobbygruppen einsetzen, untergräbt das massiv das Vertrauen der Menschen in die Politik."
Es brauche daher "wirksame Schranken zwischen Mandat und Lobby". Der direkte Wechsel vom Parlament in die Lobby müsse verboten werden.
Ex-Minister und Staatssekretäre müssen Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes in den ersten 18 Monaten melden, die Bundesregierung kann diese untersagen. Abgeordnete erhalten nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag Übergangsgeld, eine Karenzzeit gibt es für sie - anders als etwa im Europaparlament - nicht.