
Mario Vargas Llosa Das intellektuelle Gewissen Lateinamerikas
Der Literaturnobelpreisträger Vargas Llosa war mehr als ein begnadeter Romancier. Er mischte sich ein und eckte an - auch politisch. Nun ist der Literaturnobelpreisträger 89-jährig gestorben.
Es war der Höhepunkt seines bis dahin bereits 50-jährigen Schaffens, als Mario Vargas Llosa 2010 den Nobelpreis für Literatur erhielt. "Hier in Schweden ehrt die Akademie mein Werk, das Leben in Literatur verwandelt und die Literatur ins Leben hinausträgt. Prost. Danke", sagte er damals in Stockholm. Er werde sich von jetzt an aber dennoch nicht in eine Statue verwandeln, erklärte er.
Vargas Llosa blieb bis wenige Jahre vor seinem Tod aktiv - als begnadeter Romacier, aber eben nicht nur. Der Peruaner war Weltenbummler, politischer Beobachter, Journalist, Aktivist, eine zeitlang war er sogar Politiker. Eine Fülle an Erfahrungen, die seine Werke bereichert und erst möglich gemacht haben.
Repressionen prägten seine Erfahrungen
"Fast alle meine Romane, die ich geschrieben habe, speisen sich aus meinen Erlebnissen, meinen Erfahrungen, wovon in meinem Gedächtnis viele Bilder haften blieben", sagte er mal über seine Arbeit. Diese Bilder seien "die Hefe, für meine fiktiven Geschichten".
Vargas Llosa stammte aus einer großbürgerlichen Familie in Südperu. Er studierte Jura und Literatur. Bereits mit 27 Jahren veröffentlichte er seinen Debütroman "Die Stadt und die Hunde". Das Buch erzählt von den Machtstrukturen in einem Militärinternat in Lima, wie sie Vargas Llosa selbst erlebt hat.
Lateinamerika als Quelle der Inspiration
Der Kampf gegen autoritäre Regime gegen Diktaturen und für Demokratie wurde zum wiederkehrenden Thema. Nicht nur in Peru selbst, sondern in ganz Lateinamerika. Das brachte ihm internationalen Ruhm. Zum Beispiel der Roman "Das Fest des Ziegenbocks"- über die Repression in der Dominikanischen Republik.
"In lateinamerikanischen Staaten kann man sich auf nichts verlassen", sagte Vargas Llosa. Das sei wunderbarer Stoff für Romane, "ganz im Gegensatz zu sozial stabilen Staaten, die perfekt in eine vorgegebene Richtung marschieren. Wie die Schweiz und Schweden, zum Beispiel." Diese Länder seien wunderbar, "aber geben kaum Romanstoff her".
Sprung ins Präsidentenamt scheitert
Als in seiner Heimat Peru in den 1980er-Jahren die linke Guerilla "Leuchtender Pfad" die Bevölkerung terrorisierte und das Land gleichzeitig eine Wirtschaftskrise erlebte, entschloss sich Vargas Llosa zum Wechsel in die Politik.
Er trat bei den Präsidentschaftswahlen an. Aus dem einstigen Kommunisten war ein Wirtschaftsliberaler geworden. Mit seinem Programm für mehr Marktwirtschaft scheiterte der weltbekannte Literat in der Stichwahl an dem Politik-Außenseiter Alberto Fujimori.
Fujimori errichtete - zu Vargas Llosas Entsetzen - kurz darauf einen brutalen Unterdrückungsapparat, löste das Parlament auf und setzte die Verfassung außer Kraft. Vargas Llosa dagegen erhielt den Nobelpreis. "Eine meiner Romanfiguren weiß, dass die reale Welt eine Sache ist - und die einfallsreiche Welt der Träume und der Literatur eine andere." In die könne man nur eintauchen, wenn man selbst schreibt.
Kritik an den Mächtigen
Der Literat wird im Laufe der Jahre immer mehr zum streitbaren Intellektuellen. Vargas Llosa nahm kein Blatt vor dem Mund und eckte an, wenn es um sein Südamerika ging. Er kritisierte autoritäre Staatspräsidenten wie Fujumori oder den venezolanischen Populisten Hugo Chavez, denen er vorwarft, für die gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Missstände in Südamerika verantwortlich zu sein.
2017 wurde er zum lautstarken Gegner der katalonischen Unabhängigkeit, setzte sich für die Liberalisierung von Drogen ein und ging stets auch mit der zeitgenössischen Kulturwelt hart ins Gericht.
Freiheitsliebend bis zum Schluss
Noch zu seinem 80. Geburtstag erklärte er: "Ich habe Illusionen, viele Projekte, von denen ich schon jetzt weiß, dass ich sie nicht mehr umsetzen werde. Aber ich werde bis zu meinem Lebensende arbeiten. Das Älterwerden sollte einen nicht bekümmern. Man muss bis zum Ende aktiv bleiben."
Der Schriftsteller hatte in den vergangenen Monaten von der Öffentlichkeit zurückgezogen in der peruanischen Hauptstadt gelebt. In dieser Zeit hatten sich die Gerüchte um eine Verschlechterung seinen Gesundheitszustands gemehrt.
Mario Vargas Llosa war das intellektuelle Gewissen Lateinamerikas, ein scharfer Denker und ein konsequent freiheitsliebender Mensch.