Züge der Havelländische Eisenbahn AG
hintergrund

Debatte im Wahlkampf Schuldenbremse: Reformieren oder lassen?

Stand: 27.01.2025 08:29 Uhr

Rund einen Monat vor den Wahlen wird die Debatte über die Schuldenbremse hitziger. Braucht Deutschland eine Reform, um wieder wettbewerbsfähig zu werden? Ein Beispiel ist das Schienennetz.

Von Sven Marcinkowski, SWR

Wenn Ludolf Kerkeling morgens über den Rangierbahnhof der Havelländischen Eisenbahn AG (HVLE) bei Berlin läuft, dürfte hier eigentlich kaum mehr ein Zug stehen. Normalerweise sind seine Güterzüge mit Baustoffen im Dauerbetrieb. Aber immer häufiger müssen sie stehen bleiben.

An manchen Tagen fallen bis zu 50 Prozent der geplanten Fahrten aus. Der häufigste Grund: das schlechte Schienennetz. "Dann gibt's so starke Verzögerungen, dass wir nicht mehr rechtzeitig an der Be- und Entladestelle ankommen, und damit fällt der Umlauf aus," erklärt der Vorstand der HVLE Kerkeling. 30.000 Euro pro Ausfall gingen ihm so an Umsatz verloren.

Höhere Trassenpreise trotz verschleppter Investitionen

Zwischen 2010 und 2014 gab Deutschland pro Bürger nur etwa 50 Euro für die Schieneninfrastruktur aus. Heute sind es immerhin 115 Euro, aber das ist immer noch knapp dreimal weniger als Österreich. Die Schweiz und Luxemburg nehmen sogar viermal so viel Geld in Hand. Vor der Einführung der Schuldenbremse habe die Bahnprivatisierung für zu geringe Investitionen gesorgt, jetzt hemme die Schuldenbremse wichtige Investitionen, argumentiert Kerkeling.

Und die Situation habe für die Nutzer des Eisenbahnnetzes weitere Konsequenzen. Um die Schuldenbremse bei Schieneninvestitionen teilweise zu umgehen, hat die Regierung zu einem Trick gegriffen: Sie erhöhte unter anderem zweckgebunden das Eigenkapital bei der Deutschen Bahn. Das Darlehen dafür fällt nicht unter die Schuldenbremse. Kerkeling vermutet allerdings, dass Kunden wie die HVLE dafür zahlen - mit höheren Trassenpreisen.

Schuldenbremse bedroht Geschäftsmodell

16 Prozent mehr verlangt die Deutsche Bahn im Güterverkehr von Kerkeling und der HVLE für die Nutzung der Infrastruktur. Und das, obwohl das Netz durch die dringend notwendigen Sanierungen noch eingeschränkter ist. Er befürchtet, dass bald wieder mehr Güter auf die Straße wandern, weil seine Gütertransporte nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber dem Schwerlastverkehr sind.

Braucht es also eine Reform der Schuldenbremse, um dringend notwendige Investitionen finanzieren zu können? "Ganz bedingt", sagt Ökonom Eckhard Janeba von der Universität Mannheim. Die Schuldenbremse gibt es seit 2009. Sie gibt zwar vor, dass maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an Krediten aufgenommen werden dürfen - aktuell sind das etwa 15 Milliarden Euro.

Ökonom: Spielräume wurden nicht genutzt

Der Wirtschaftswissenschaftler sagt: "Die Schuldenbremse hat uns zwischen 2016 und 2019 nicht wirklich beschränkt. Wir haben Überschüsse gesamtstaatlich in der Periode gehabt. Wir hätten mehr investieren können." Er könnte sich aber vorstellen, genau definierte öffentliche Investitionen herauszunehmen, sodass diese durch Kredite losgelöst von der Schuldenbremse finanziert werden können.

Bringen mehr Kredite wirklich mehr öffentliche Investitionen?

Der Präsident des Münchner ifo-Instituts Clemens Fuest warnt davor, die Schuldenbremse zu lockern. Denn der größere Finanzspielraum würde größtenteils nicht in Investitionen fließen. "Es gibt eine Tendenz, im politischen Prozess eher kurzfristig zu denken, vielleicht bis zu den nächsten Wahlen. Und dann ist die Neigung eben groß, Ausgaben zu präferieren, die jetzt direkt Nutzen stiften, also konsumtive Ausgaben zu nehmen. Ein klassisches Beispiel sind Renten."

Das zeigt auch eine Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW. Zwischen 2015 und 2019 hat der Bund knapp 55 Milliarden Euro an zusätzlichen Haushaltsmitteln generiert. Allerdings wurde davon nur knapp ein Viertel für investive Ausgaben verwendet. Dreiviertel sind in höhere konsumtive Ausgaben geflossen.

CDU und AfD gegen eine Reform, SPD und Grüne dafür

Längst ist die Schuldenbremse auch Wahlkampfthema. Die CDU hat sich in ihrem Wahlprogramm festgelegt und will keine Reform. Die Schuldenbremse "stelle sicher, dass Lasten nicht unseren Kindern und Enkeln aufgebürdet werden", heißt es da. Auch die AfD will nichts ändern und findet die heutige Rechtslage "vollkommen ausreichend".

Die SPD will die Kreditobergrenzen reformieren und die Defizitregel flexibler ausgestalten. Nur so sei "das gute Leben kommender Generationen möglich", schreibt die Partei in einem Entwurf zum Regierungsprogramm.

Auch die Grünen wollen Änderungen. Der Bundesvorsitzende Felix Banaszak will "die Gesamtverschuldung dauerhaft tragfähig" halten, aber dennoch "Spielräume für Zukunftsinvestitionen". Wie genau? Offen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 23. Januar 2025 um 14:38 Uhr.