Karl-Eugen Bleyler aus Freiburg befürchtet eine massive Erhöhung der Grundsteuer.

Immobilien-Eigentümer verunsichert Das bange Warten auf den Grundsteuerbescheid

Stand: 24.01.2025 14:49 Uhr

Einige Kommunen haben sie bereits verschickt, andere sind dabei: die Bescheide zur Grundsteuer. Diese Briefe zu öffnen - davor gruseln sich viele Immobilieneigentümer, wie ein Beispiel aus Freiburg zeigt.

Karl-Eugen Bleyler aus Freiburg in Baden-Württemberg wartet noch auf seinen Grundsteuerbescheid. Die Aussichten darauf, was er mit der neuen Grundsteuer bezahlen muss, bedrücken ihn aber schon jetzt. Denn der Freiburger Hausbesitzer hat schon im Vorfeld gerechnet - und ärgert sich.

Massive Steigerung - teils um das Vierzigfache

Bleyler befürchtet eine Steigerung auf das Vierfache für das Grundstück, auf dem sein Haus steht. Zum Vergleich: Bisher zahlte Bleyler im Freiburger Stadtteil Wiehre für das Grundstück rund 850 Euro. Daraus könnten laut seiner Berechnung unter Berücksichtigung aller Faktoren wie Größe des Grundstückes, Bodenrichtwert, Steuermesszahl und Hebesatz rund 3.400 Euro pro Jahr werden. Die Grundsteuer berechnet sich in drei Schritten nach der Formel: Wert des Grundbesitzes x Steuermesszahl x Hebesatz.

Karl-Eugen Bleyler aus Freiburg befürchtet eine massive Erhöhung der Grundsteuer.

Um diese Wiese geht es: Sie ist für Karl-Eugen Bleyler aus Freiburg ein Refugium, wie er selbst sagt.

In Karl-Eugen Bleylers Fall gibt es aber noch einen Haken: Denn der Eigentümer aus Freiburg muss voraussichtlich nicht nur mehr Grundsteuer für das Grundstück zahlen, auf dem sein Wohnhaus steht, sondern auch für eine Wiese, die an dieses Grundstück angrenzt. Diese "große Wiese" - oder das Refugium zum Entspannen, wie Bleyler sie nennt - ist nicht erschlossen, hat also keine Zufahrt und keine Anschlüsse etwa für Gas, Strom, Wasser und Abwasser.

Bislang bezahlte Bleyler dafür rund 87 Euro Grundsteuer im Jahr. Mit der neuen Grundsteuer könnte es fast das 40-fache werden, nämlich rund 3.500 Euro, erklärt Bleyler dem SWR. "Irgendwas stimmt da nicht", sagt er.

Reform der Grundsteuer wirklich fair?

Verantwortlich dafür ist die Reform der Grundsteuer, die seit dem 1. Januar in Kraft ist. Dass diese kommen muss, hatte das Bundesverfassungsgericht 2018 entschieden. Die Begründung: Gleichartige Grundstücke würden unterschiedlich behandelt. Denn die bisherige Berechnung der Grundsteuer basierte laut dem Bundesfinanzministerium auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten - den sogenannten Einheitswerten.

Weil sich die Werte von Grundstücken seit 1964 sehr unterschiedlich entwickelt haben, kommt es demnach aktuell zu steuerlichen Ungleichbehandlungen. Heißt also: Besitzerinnen und Besitzer gleichwertiger Grundstücke in gleicher oder gleichwertiger Lage zahlten teils unterschiedlich viel Grundsteuer. Die Reform soll dazu führen, dass die Grundsteuer insgesamt fairer wird - auch wenn das im individuellen Fall dazu führen kann, dass einige Eigentümer mehr bezahlen müssen und andere weniger.

Regionale Besonderheiten bei der Grundsteuer

Das Bundesministerium der Finanzen und nahezu alle Länder hatten sich auf das geschilderte Bundesmodell verständigt. Gleichzeitig wurde den Ländern das Recht eingeräumt, bei der Grundsteuer eigene, vom Bundesgesetz abweichende landesrechtliche Regelungen einzuführen. Von dieser Möglichkeit haben fünf Länder Gebrauch gemacht: Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen.

In Baden-Württemberg bemisst sich die Grundsteuer nun alleine aus dem Bodenwert. Das heißt: Beim neuen Steuermodell spielt es keine Rolle mehr, wie das Grundstück bebaut ist, also ob ein bescheidenes Einfamilienhaus, eine Villa oder ein zehnstöckiges Mietshaus darauf steht.

Und noch eine regionale Besonderheit gibt es: die sogenannte Grundsteuer C. Sie ist eine neue Grundsteuer für baureife und unbebaute Grundstücke. Anders als bei der Grundsteuer B - der Grundsteuer auf betriebliche und private Grundstücke, die die meisten Menschen betrifft - können Gemeinden die Grundsteuer C unter bestimmten Voraussetzungen erheben, sie müssen aber nicht.

Der Knackpunkt: der Hebesatz ist höher als der bei der Grundsteuer B. In Baden-Württemberg gibt es nur drei Städte, die sich bislang dazu entschieden haben - nämlich Tübingen, Merdingen im Breisgau und Wendlingen am Neckar.

Hebesätze sollen Kommunen nicht mehr Geld einbringen

Von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind auch die sogenannten Hebesätze. Diesen legen Städte selbst fest. Das Bundesfinanzministerium schreibt dazu auf seiner Webseite: Sollte sich in einzelnen Gemeinden das Grundsteueraufkommen wegen der Neubewertung verändern, besteht für sie die Möglichkeit, ihre Hebesätze anzupassen und so dafür zu sorgen, dass sich insgesamt ihr Grundsteueraufkommen nicht erheblich verändert - sie sollen also aufkommensneutral sein.

Heißt: Die Kommunen sollen mit der neuen Grundsteuer nicht mehr einnehmen als mit der alten. Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat dazu ein Transparenzregister der Hebesätze veröffentlicht.

Einige Städte gehen dabei Sonderwege - wie etwa Pforzheim in Baden-Württemberg. Dort beschloss der Gemeinderat etwa, den Grundsteuer-Hebesatz auf 348 Prozentpunkte zu senken. Dies bedeutet, dass so gut wie alle Eigenheimbesitzer künftig weniger Grundsteuer zahlen müssen.

Viele Städte haben Bescheide noch nicht verschickt

Auch wenn die Hebesätze vielerorts beschlossen und bekannt sind - die Bescheide lassen in vielen Städten in Baden-Württemberg noch auf sich warten. Der Eigentümer-Verband Haus & Grund Württemberg schrieb auf Anfrage des SWR, man habe keinen genauen Überblick darüber, welche Gemeinden bereits Grundsteuerbescheide verschickt haben und welche nicht. Gleiches meldete der Verband Haus & Grund Baden zurück.

Aber nicht nur das Warten auf die Bescheide sorgt für Unmut. Verbraucherschützer bezweifeln zudem, dass die neue Grundsteuer transparenter und gerechter ist. So auch Eike Möller vom Bund der Steuerzahler: "Wenn Sie sich vorstellen, das sind zwei Grundstücke nebeneinander in einer Kommune, haben den gleichen Bodenrichtwert." Selbst wenn man in einem Fall "eine alte Bruchbude" und im anderen Fall ein Mehrparteienhaus habe, sei die Steuerbelastung auf beiden Objekten die gleiche.

Steuerrechtler: Neue Grundsteuer ist verfassungswidrig

Gregor Kirchhof ist Professor für Steuerrecht an der Uni Augsburg. Er hat ein Gutachten veröffentlicht. Inhalt: Die Grundsteuer, so sein Fazit, sei verfassungswidrig. Die Berechnungsmethoden seien ungenau und daher unzulässig. Hinzu komme, dass gewerbliche Immobilien strukturell entlastet würden. Denn in Gewerbegebieten seien die Bodenrichtwerte eher geringer.

Dort, wo mit dem Grund und Boden Geld erwirtschaftet wird, da wird eine geringere Grundsteuer gezahlt und dort, wo die Menschen wohnen und teilweise sich das Haus mit hohem Kredit gekauft haben, dort wird eine höhere Grundsteuer fällig - und das ist gleichheitsrechtlich kaum zu rechtfertigen.
Gregor Kirchhof, Steuerrechtler, Uni Augsburg

Auch der Freiburger Bleyler will klagen, wie auch viele andere. Der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg führt gemeinsam mit Haus & Grund Baden, Haus & Grund Württemberg und dem Verband Wohneigentum BW mehrere Musterklagen gegen die Grundsteuer an.

Und dennoch: An der hohen Grundsteuer kommen betroffene Immobilieneigentümer vorerst nicht vorbei. Die erste Rate ist schon im Februar fällig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 31. Dezember 2024 um 11:41 Uhr.