Höchster Stand seit Monaten US-Sanktionen gegen Moskau treiben Ölpreise
Mit ihrem neuen Sanktionspaket zielen die USA vorrangig auf die "Schattenflotte", mit der Russland westliche Ölembargos unterläuft. Das trifft den Ölmarkt offenbar empfindlich.
Ginge es nach dem Willen des Westens, sollte Russland möglichst keine Öleinnahmen mehr erzielen, um seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu finanzieren. Faktisch spielt russisches Öl für den Kreml aber weiterhin eine wesentliche Rolle - ebenso wie auf dem Weltmarkt. Das zeigt sich auch daran, dass die neuen Sanktionen der US-Regierung gegen russische Ölproduzenten und Öltanker die Ölpreise auf den höchsten Stand seit Monaten getrieben haben.
Die Nordsee-Sorte Brent verteuerte sich um bis zu gut zwei Prozent und war mit 81,50 Dollar pro Barrel (159 Liter) so teuer wie seit Ende August nicht mehr. "Die Ankündigung vom Freitag bestärkt uns in unserer Ansicht, dass der Preis für Brent im Rahmen unserer Prognose von 70 bis 85 Dollar kurzfristig eher nach oben tendieren wird", schrieben die Analysten von Goldman Sachs.
"Schattenflotte" im Visier
Mit seinem neuen Sanktionspaket zielt das US-Finanzministerium vor allem auf die "Schattenflotte", mit der Moskau internationale Handelsembargos unterläuft. Mit dem Einsatz oft veralteter Tanker aus exotischen Ländern versucht der Kreml, die Besitz- und Auftragsverhältnisse zu verschleiern.
Die meisten der 183 direkt sanktionierten Öltanker werden zu dieser Flotte gezählt. "Diese Sanktionen werden die für Lieferungen aus Russland verfügbare Schiffsflotte kurzfristig deutlich reduzieren und die Frachtkosten in die Höhe treiben", sagte Matt Wright, leitender Frachtanalyst beim Datenunternehmen Kpler. Neben den Tankern hatte Washington auch zwei der größten russischen Ölkonzerne, Gazprom Neft und Surgutneftegas, mit neuen Embargos belegt.
Bei 143 der neu sanktionierten Schiffe handele es sich um Öltanker, die im vergangenen Jahr mehr als 530 Millionen Barrel russisches Rohöl umgeschlagen hätten, was etwa 42 Prozent der gesamten Rohölexporte des Landes auf dem Seeweg entspreche, so Wright. Davon seien rund 300 Millionen Barrel nach China und der Rest nach Indien verschifft worden. Dorthin hatte Moskau einen Großteil seiner früher nach Europa gehenden Ölausfuhren umgeleitet.
Kreml kritisiert Sanktionen als marktdestabilisierend
Die russische Regierung kritisierte die neuen Sanktionen als Versuch, mit wettbewerbsverzerrenden Regelungen die Positionen russischer Konzerne zu untergraben. "Gleichzeitig müssen solche Entscheidungen natürlich auch zu einer bestimmten Destabilisierung der internationalen Energie- und Ölmärkte führen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Es sei unmöglich, mit Sanktionen Energierouten zu stoppen, die sich auf natürliche Weise gebildet hätten. Werde an einer Stelle ein Hindernis aufgebaut, tauchten an anderer Stelle Alternativen auf, sagte Peskow.
Sanktionen schlagen sich auch an den Zapfsäulen nieder
Offenbar treffen die direkten Sanktionen gegen die "Schattenflotte" die bestehenden Routen aber empfindlich, was die Abnehmer nach Alternativen suchen lässt. "Die Preise für Öl aus dem Nahen Osten, Afrika und Brasilien sind in den letzten Monaten aufgrund der steigenden Nachfrage aus China und Indien bereits gestiegen", sagte ein Vertreter der indischen Ölraffinerieindustrie. "Wir haben keine andere Wahl, als auf Öl aus dem Nahen Osten zurückzugreifen. Möglicherweise müssen wir auch US-Öl in Betracht ziehen."
Sollte sich das russische Angebot nachhaltig verknappen, würde sich das allerdings ebenso auch bei den Heizöl- und Spritpreisen in Deutschland niederschlagen.
Russland vermeldet wachsende Einnahmen durch Öl- und Gasverkauf
Ungeachtet aller internationaler Sanktionen hat Russland im vergangenen Jahr wieder mehr Einnahmen für den Staatshaushalt aus Öl- und Gasverkäufen erzielen können. 2024 seien sie um mehr als 26 Prozent auf 11,13 Billionen Rubel (107 Milliarden Euro) gestiegen, wie aus Regierungsdaten hervorgeht. 2023 waren die Einnahmen noch aufgrund niedrigerer Ölpreise und sinkender Gasexporte um 24 Prozent eingebrochen.
Die Öl- und Gasverkäufe waren in den vergangenen zehn Jahren stets die wichtigste Geldquelle für den Kreml. Sie machten etwa ein Drittel bis die Hälfte der Gesamteinnahmen des Bundeshaushalts aus.