Ein Mann bedient Handy und PC-Tastatur gleichzeitig

Studie zu Netzwerken Wenn Influencer Frauenhass verbreiten

Stand: 05.06.2025 11:24 Uhr

Von fragwürdigen Dating-Tipps bis zu Fantasien männlicher Vorherrschaft: Die Szene frauenfeindlicher Influencer ist längst auch in Deutschland angekommen, wie erstmals eine Studie zeigt - und sie wächst.

Von Anja Braun, SWR, und Melina Runde, tagesschau.de

"Wie kriege ich sie rum?", lautet der Titel eines Blog-Artikels. Darunter listet der Autor "hochwirksame Manipulationstechniken" auf. Auch auf Social Media verbreiten sich solche angeblichen Dating-Tipps - häufig in Verbindung mit eher konservativen Männlichkeitsidealen.

"Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts", sagte AfD-Politiker Maximilian Krah schon vor zwei Jahren auf TikTok. "Dann klappt's auch mit der Freundin." 1,6 Millionen Aufrufe hat dieses Video.

Hinter solchen Aussagen stecken häufig eher frauenfeindliche Ansichten. "Manosphere" (deutsch: "Mannosphäre") wird diese Szene im englischsprachigen Raum genannt. Die Themen reichen von Männlichkeitscoachings und Tipps zur Selbstoptimierung über Fantasien männlicher Vorherrschaft bis hin zu extremem Frauenhass. 

Oft sexistische Vorstellungen von Beziehungen

Eine neue Studie hat diese Online-Netzwerke im deutschsprachigen Raum nun erstmals analysiert. Dafür haben Forschende der Freien Universität Berlin zusammen mit dem Berliner Institute for Strategic Dialogue (ISD) mit Experten gesprochen sowie Social-Media-Accounts mit frauenfeindlichen Inhalten gesammelt, klassifiziert und analysiert. Ihr Ergebnis: In Deutschland sind die Strukturen und Narrative ähnlich wie bei internationalen frauenfeindlichen Netzwerken. Und diese Szene wächst.

Beliebt bei jungen Männern sind etwa die "Pickup-Artists", die sich häufig als Dating-Coaches präsentieren. Diese Tipps seien im Endeffekt darauf ausgerichtet, Frauen zu manipulieren und zum Beispiel deren Widerspruch zum Kennenlernen zu umgehen, erklärt der Politikwissenschaftler Dominik Hammer vom ISD. Er war maßgeblich an der Studie beteiligt. Dahinter stünden häufig sexistische Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen. "Gerade in diesem Spektrum gibt es auch so eine Art fließenden Übergang zu Maskulinitätscoaches, die Probleme von Männern in verschiedenen Bereichen durch eine Stärkung einer dominanten Form von Männlichkeit lösen wollen", so der Radikalisierungs-Experte.

Niedergang der Männlichkeit wird beklagt

Pickup-Artists und Maskulinitätscoaches sind dabei nur zwei der Gruppierungen, die unter der Sammelbezeichnung Mannosphäre zusammengefasst werden. Weitere bekannte Gruppierungen sind zum Beispiel die Incels (involuntary celibates), die nach eigener Aussage unfreiwillig im Zölibat leben und aufgrund ihrer Situation Hass auf Frauen entwickeln - und nicht zuletzt die Männerrechtler.

Alle eint nach Einschätzung von Dominik Hammer die Grundannahme, "dass es so eine Art Niedergang von Männlichkeit gegeben hat - also so eine Krisenerzählung, dass moderne Männer nicht mehr so stark sind wie früher oder dass sie verweichlicht sind". Diese Krisenerzählung, so Hammer, werde teilweise mit der Erzählung einer vermeintlich auf Frauen ausgerichteten Gesellschaft verbunden - also einer sogenannten Gynokratie.

Der Feminismus und die liberalen Gesellschaftsordnungen seien schuld daran, dass die Männer ihre Vorrangstellung verloren hätten und jetzt benachteiligt würden, so das Narrativ. Die Idealvorstellung der Mannosphäre ist dagegen eine Gesellschaft, in der Männer über anderen Geschlechtsidentitäten stehen und das Sagen haben. Sie begründen das einerseits mit Traditionen, also dem Rückgriff auf die Vergangenheit, und zum anderen scheinbar wissenschaftlich mit kruden Auslegungen zur Evolutionsgeschichte, so Hammer.

Die Studie der Berliner Forschenden sei eine "wichtige Arbeit", findet Jacob Johanssen, Kommunikationswissenschaftler an der St. Mary's University in London. Sie habe klar gezeigt, dass misogyne Inhalte nicht nur global, sondern auch im deutschsprachigen Raum auftreten. Dabei sei Frauenfeindlichkeit im Netz kein neues Phänomen. "Allerdings lässt sich in den letzten Jahren eine starke Popularisierung und Zirkulierung frauenfeindlicher Inhalte beobachten."

Incels und Alpha Males

Dabei fördert die frauenfeindliche Ideologie auch Gewalt - vor allem die Szene der Incels gilt als besonders gefährlich und radikal. Ihr werden diverse tödliche Gewalttaten zugeordnet, mit Schwerpunkt in Nordamerika, aber auch in Europa und in Deutschland. "Trotz des großen Zorns, den man in diesem Spektrum feststellt, sind nicht alle Incels gewalttätig", erklärt Hammer. Die Mannosphäre sei durchaus heterogen - nicht nur zwischen den Gruppen, sondern auch innerhalb der Gruppen. Dadurch sei es schwierig, eine Hierarchie auszumachen: Wer ist am gefährlichsten oder am radikalsten?

Der selbsternannte Alpha Male Andrew Tate - der US-britische Manfluencer, der bereits mehrfach wegen Vergewaltigung, Ausbeutung und Menschenhandel angeklagt wurde - gilt vielen Akteuren der deutschen Mannosphäre als großes Vorbild. Über diverse Plattformen wie YouTube, Instagram und TikTok kultivieren in seinen Fußstapfen sogenannte deutsche Alpha Males ein frauenhassendes Weltbild. Die unterschiedlichen Akteure der Mannosphäre vernetzten sich häufig in Form von gemeinsamen Social-Media-Auftritten, erklärt Hammer. So besuchten sich die Akteure zum Beispiel gegenseitig in Podcasts. 

Dabei orientiere sich die deutschsprachige Szene extrem an der englischsprachigen Manosphere, sagt Hammer. Dabei würden "ganze Narrative oder Konzepte übernommen". Auch Anekdoten und Redensarten von englischsprachigen Influencern fänden ihren Weg in die deutschsprachige Szene.

So bezeichnen sich viele Männlichkeits-Aktivisten zum Beispiel als "red pilled". Das geht auf eine Szene des Kinofilms Matrix zurück, in der die Einnahme einer roten Pille dazu führt, die gesellschaftliche Wirklichkeit zu sehen. Hier gibt es direkte Verbindungen in die Alt-Right-Szene - die US-amerikanische rechtsextremistische Bewegung, deren Mitglieder sich ebenfalls als "red pilled" bezeichnen.

Influencer sprechen Unsicherheiten an

Warum aber stoßen solche Ansichten auf immer mehr Beliebtheit? Die Communities der Mannosphäre und vor allem Influencer in den sozialen Medien griffen Unsicherheiten und Fragen von Jungen und Männern auf, erklärt Johanssen. "Junge Männer haben möglicherweise Fragen zur Männlichkeit und damit zusammenhängenden Themen, die etwa während ihrer Teenagerzeit auftauchen. Gleichzeitig fühlen sich viele von der Mannosphäre angezogen, weil sie vielleicht Ablehnung erfahren haben, unter psychischen Problemen leiden oder sich hässlich oder erfolglos fühlen."

Gerade auf TikTok verbreiteten sich frauenfeindliche Inhalte schnell, würden vielfach gesehen und geteilt. Deshalb müssten Social-Media-Unternehmen gesetzlich besser zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie es versäumten, Frauen und Mädchen online zu schützen, sagt Johannsen. Auch die Studienautorinnen und -autoren fordern eine EU-weite Regulierung, damit extremer Frauenhass nicht weiter über diverse Internetplattformen transportiert werden dürfe.

Bildungsarbeit soll helfen, Rollenklischees zu relativieren

Neben Hilfsangeboten für betroffene Frauen halten es die Expertinnen und Experten auch für besonders wichtig, in der Bildungsarbeit frühzeitig über die frauenverachtenden Narrative aufzuklären. So sollte etwa auch in Schulen thematisiert werden, dass man das "Nein" seines Gegenübers akzeptieren und es nicht weiter versuchen sollte. Auch Johannsen sagt: "Die Lehrpläne müssen Unterrichtseinheiten und Gespräche über Frauenfeindlichkeit, Pornografie, sexuelle Gewalt, Dating und Romantik und deren Zusammenhänge enthalten."

Zudem sollten falsche Schlüsse aus der Evolutionsgeschichte gleich richtig gestellt und eingeordnet werden, so Hammer. Problematische Aussagen würden oft mit pseudowissenschaftlichen Erklärungen untermauert. Diese vermeintlich wissenschaftlichen Begründungen könnten besonders überzeugend wirken und müssten daher kritisch hinterfragt werden.

Und nicht zuletzt brauche es weitere Forschung zu diesen Szenen - um genauer zu verstehen, welche Gefahren von ihnen ausgehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Kultur am 28. Mai 2025 um 16:05 Uhr in der Wissenschaftssendung "Impuls".