Eine Familie geht am Strand spazieren

Studie zur Geschwisterforschung Eltern bevorzugen oft Töchter

Stand: 17.01.2025 14:50 Uhr

Bevorzugen Eltern eines ihrer Kinder und wenn ja, welches? Mit dieser Frage haben sich zwei Forscher beschäftigt und festgestellt: Es sind eher die Mädchen. Doch die und ihre Brüder merken das oft gar nicht.

Viele Eltern haben favorisierte Kinder. Für eine neue Studie zu dem Thema, die im Fachblatt "Psychological Bulletin" erschienen ist, hat ein US-kanadisches Forscherduo 30 Untersuchungen sowie Datenbanken ausgewertet. Teilgenommen hatten insgesamt knapp 20.000 Menschen, überwiegend aus den USA und Westeuropa.

Hauptautor Alexander Jensen von der Brigham Young Universität in Provo im US-Bundesstaat Utah schreibt in der Studie: "Seit Jahrzehnten wissen Forschende, dass Ungleichbehandlungen von Eltern bei Kindern dauerhafte Folgen hinterlassen können. Diese Studie hilft uns zu verstehen, welche Kinder eher favorisiert werden - was sich sowohl positiv als auch negativ auswirken kann." 

Wenig Forschung zu Lieblingskinder-Typen

Menschen, die in der Kindheit von ihren Eltern begünstigt wurden, sind Studien zufolge tendenziell psychisch stabiler. Sie sind beruflich erfolgreicher, haben eher langlebigere Partnerschaften und seltener Verhaltensprobleme.

Benachteiligte Kinder wiesen dagegen tendenziell eine Reihe schlechterer Entwicklungsergebnisse auf, wie eine schlechtere psychische Gesundheit, problematischeres Verhalten und schlechtere familiäre Beziehungen

Doch welche Kinder eher bevorzugt würden, sei bislang wenig erforscht, schreiben Jensen und McKell Jorgensen-Wells von der Western University im kanadischen London in der Provinz Ontario.   

Effekte nur leicht ausgeprägt, aber sichtbar

Der Auswertung ihrer Studie zufolge bevorzugen Eltern tendenziell Mädchen eher als Jungen - und das gilt nicht nur für Mütter, sondern auch für Väter. Kinder berichten interessanterweise von keinen Unterschieden. Das heißt, Töchter haben nicht den Eindruck, dass sie gegenüber ihren Brüdern bevorzugt werden und umgekehrt.

Eine Analyse der Unterschiede in der Erziehung von Jungen und Mädchen ergab, dass es insgesamt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Erziehung gab, außer dass Eltern in seit 1990 veröffentlichten Studien die Autonomie von Mädchen eher unterstützen als die von Jungen.

In ihrer Studie stellten die beiden Forscher außer der leichten geschlechtsspezifischen Bevorzugung fest, dass gewissenhafte und verantwortungsbewusste Kinder eher favorisiert werden. Gewissenhaftere Kinder hätten weniger Konflikte mit den Eltern, heißt es. In beiden Fällen sind die Effekte zwar nur leicht ausgeprägt. Allerdings sollten Eltern sich dessen bewusst sein, schreibt das Duo.

Umgängliche Kinder machen vieles leichter

Martin Diewald von der Universität Bielefeld lobt die Studie als "gut gemacht". Der Soziologe erläutert, "im Gegensatz zu anderen Arbeiten wurden hier nicht Kinder aus verschiedenen Familien miteinander verglichen, sondern tatsächliche Geschwister."

Diewald, der nicht an der Studie beteiligt war, meint, Eltern machten Unterschiede, oft auch unbewusst. "Und Eltern entwickeln einen vertrauteren Umgang eher mit umgänglichen Kindern - denn das macht vieles leichter." 

Das müsse aber nicht heißen, dass Eltern den übrigen Nachwuchs weniger liebten, betont der Experte, und nennt ein Beispiel: So könnten Mütter und Väter etwa ein vermeintlich benachteiligtes - weil schwächeres oder weniger talentiertes - Kind besonders fördern, um ihm gleiche Lebenschancen zu ermöglichen. 

Ungleichbehandlung oft unbewusst

Dies dürfe aber von den Geschwistern nicht als Benachteiligung empfunden werden. Eine wahrgenommene Zurücksetzung könne durchaus lebenslange Folgen haben, etwa für das Selbstvertrauen, sagt Diewald. Das könne sich unter anderem in der Partnerschaft zeigen.

Kinder sollten wissen, dass es auch unbewusst zu Ungleichbehandlung kommen könne. "Empfundene Kränkungen sind oft gar nicht so gemeint", betont Diewald. "Eltern versuchen meistens, ihren Kindern gerecht zu werden." Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten sie ihr Verhalten dem Nachwuchs gegenüber transparent machen. Diesen Aspekt betont auch Hauptautor Jensen: "Entscheidend ist sicherzustellen, dass alle Kinder sich geliebt und unterstützt fühlen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. September 2024 um 16:30 Uhr.