Paläontologie Veggie statt Fleisch: der Speiseplan unserer Vorfahren
Es ist eine der großen Fragen der Menschheitsgeschichte: Seit wann essen unsere Vorfahren Fleisch? Mit einer neuen Zahnanalyse konnten der Speiseplan von menschlichen Vorfahren zum ersten Mal untersucht werden - mit einem klaren Ergebnis.
"Wir haben zum ersten Mal wirklich handfeste Beweise und harte Zahlen", sagt Geochemikerin Tina Lüdecke. Ihr Forschungsteam fühlt den menschlichen Vorfahren auf den Zahn und analysiert am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie, was menschliche Vorfahren vor mehr als drei Millionen Jahren gegessen haben. Waren sie Vegetarier, oder haben sie schon regelmäßig Fleisch gegessen?
Seit wann essen unsere Vorfahren Fleisch?
Wie wichtig war Fleisch für die Entwicklung hin zum modernen Menschen? Diese Frage will das Mainzer Forschungsteam beantworten, darunter auch Anthropologin Jennifer Leichliter. "Wir sind in der Lage, durch die chemische Signatur im organischen Teil der Zähne die Ernährung zu bestimmen. Davon konnte man jahrzehntelang nur träumen."
Zahnschmelz ist die härteste Substanz im Körper. Deshalb bleiben in ihm winzige Spuren, kleine Stickstoffisotope, auch nach Millionen von Jahren stabil. Das Forschungsteam gewinnt sein Analysematerial durchs Bohren - ähnlich wie beim Zahnarzt. Sie suchen im Zahnschmelz nach Spuren von winzigen Eiweißbausteinen, den Aminosäuren. Ein chemischer Fingerabdruck wird dann durch die Stickstoffisotopen-Analyse bestimmt.
Je nach Ernährung verändert sich das Verhältnis von schwerem und leichtem Stickstoff. Dieses Verhältnis im Zahnschmelz verrät, was unsere Vorfahren gegessen haben. Schon eine kleine Probe von nur wenigen Milligramm reicht für die Analyse aus.
Australopithecus lebte größtenteils als Vegetarier
Das Forschungsteam konnte die neue Zahnanalyse zum ersten Mal an sieben Vormenschen von der Gattung Australopithecus testen. Das sind die letzten Menschenaffen, aus denen dann die Gattung Homo, also der Mensch, entstanden ist.
Die Ergebnisse der im Fachmagazin Science veröffentlichten Studie sind eindeutig: Das Forschungsteam findet in den Zähnen keinen Hinweis auf Fleisch. "Das heißt nicht, dass sie gar kein Fleisch gegessen haben, aber auf jeden Fall nicht genug, um es zu messen oder das Gehirnwachstum zu beeinflussen", sagt Tina Lüdecke.
Vielleicht mal ein Ei oder Termiten - aber viel mehr tierisches Eiweiß haben die Vorfahren der Gattung Australopithecus vor drei Millionen Jahren nicht gegessen. Australopithecus war also größtenteils Vegetarier. Das zeigen die Zahnanalysen von Funden im südöstlichen Afrika, die etwa 3,3 bis 3,7 Millionen Jahre alt sind.
Für die Analyse hat das Mainzer Forschungsteam die Ergebnisse mit fossilen Zahnproben von Fleischfressern wie Hyänen oder Säbelzahnkatzen verglichen. Die dafür nötige Zahnschmelzanalyse kann derzeit nur am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und in den USA an der Princeton Universität durchgeführt werden.
Analysen sollen Fleischkonsum zum ersten Mal beweisen
Der Fleischkonsum unserer Vorfahren ist in der Fachwelt ein umstrittenes Thema. Manche Forschende vermuten, dass die ersten Vorfahren schon vor 3,5 Millionen Jahren regelmäßig Fleisch gegessen haben, also der Australopithecus. Andere nehmen an, dass erst die Vorfahren der Gattung Homo vor etwa zwei Millionen Jahren auf den Geschmack kamen. "Davon gehen wir aus", sagt Anthropologin Jennifer Leichliter vom Max-Planck-Institut für Chemie. Doch mit der neuen Analyse könnte das erstmals bewiesen werden.
Wie wichtig war Fleisch für die Entwicklung des Menschen?
Noch ist unklar, welche Rolle Fleisch bei der Entwicklung hin zum modernen Menschen spielte. Es gibt zwar die Theorie, dass das Gehirn erst mit energiereicher Nahrung, zum Beispiel Fleisch, auf die heutige Größe wachsen konnte. Denn ein großes Gehirn benötigt deutlich mehr Energie. "Das Einfachste ist, eine Nahrungsquelle zu finden, die sehr viel Energie dem Körper zuführt - wie Fleisch zum Beispiel", sagt Lüdecke.
Doch wie wichtig war Fleisch wirklich? Andere Theorien gehen davon aus, dass vor allem das Feuer entscheidend war. Denn gekochte Nahrung liefert viel mehr Energie als Rohkost - wahrscheinlich war das Feuer der Durchbruch hin zum modernen Menschen. Auch dazu sollen die Zahnanalysen in Zukunft neue Hinweise liefern.
Bald wollen Lüdecke und ihr Team in Afrika weitere Zähne analysieren. Dort möchte die Geochemikerin dann vor allem Proben von jüngeren Menschenarten im östlichen Afrika oder Südostasien nehmen. Dann möchte sie zum ersten Mal nachweisen, wann genau unsere Vorfahren Fleisch gegessen haben.