Mikrobiologin Carolina Reyes bei der Arbeit.

Debatte über Arbeitszeit Wer arbeitet wie viel in Europa?

Stand: 20.05.2025 19:13 Uhr

Die Deutschen sollen mehr und vor allem effizienter arbeiten: Mit dieser Forderung hat Kanzler Merz eine Debatte um die Arbeitszeit entfacht. Wie sieht es in den übrigen Ländern der EU aus?

In der Debatte über längere Arbeitszeiten lohnt es sich, ein Blick in andere EU-Staaten zu werfen. So wird im europäischen Vergleich am längsten in Griechenland gearbeitet: 39,8 Stunden pro Woche verbrachten dort im vergangenen Jahr die Menschen auf der Arbeit. Ähnlich sah es in Bulgarien, Polen und Rumänien aus.

Nicht in jedem Fall lassen sich die Angaben zu den Arbeitsstunden exakt vergleichen, so wird beispielsweise nicht immer zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten unterschieden oder werden Selbstständige unterschiedlich definiert. Aber einige Trends sind klar erkennbar, sagt die CDU-Europaparlamentarierin und Wirtschaftsjuristin Andrea Wechsler.

So werde in der EU heute durchschnittlich weniger gearbeitet als noch vor zehn Jahren: "Und Deutschland liegt mit 34,4 Wochenstunden bereits unter dem EU-Durchschnitt", erklärt die CDU-Politikerin. So wie auch die Niederlande, Österreich oder Dänemark.

EU-Politikerin: Merz' Forderung als "Weckruf"

Ohnehin liefert die gemessene Arbeitsproduktivität pro geleisteter Arbeitsstunde ein realeres Bild der Produktivität, also wie viele Güter und Dienstleistungen pro Arbeitsstunde in einem Land erwirtschaftet werden. Griechenland steht da beispielsweise trotz seiner überdurchschnittlichen Wochenarbeitszeit ziemlich schlecht da. Am effizientesten wird dagegen in Irland, Luxemburg und Belgien gearbeitet. Über dem EU-Durchschnitt liegen beispielsweise auch die Niederlande, Österreich und die skandinavischen Länder.

Deutschland gehört ebenfalls in diese Gruppe, sagt die EU-Abgeordnete Andrea Wechsler, die für die Christdemokraten als Stellvertreterin im Parlamentsausschuss für Beschäftigung sitzt. "Deutschland hat nach wie vor eine hohe Arbeitsproduktivität pro Stunde. Doch das reicht längst nicht mehr aus."

Seit den 1990er-Jahren gehe das Produktivitätswachstum kontinuierlich zurück. "Besonders in der Industrie und in wichtigen Branchen wie Maschinenbau, Elektrotechnik und Pharma bleiben wir hinter dem OECD-Durchschnitt zurück. Deutschland stagniert, und die Aussage von Friedrich Merz und die Forderung ist deshalb absolut richtig. Sie ist ein Weckruf", so Wechsler.

Pilotprojekte zur vier-Tage-Woche

Das sieht der Europapolitiker Martin Schirdewan völlig anders. Für den Co-Vorsitzenden der Linksfraktion im EU-Parlament sind die Äußerungen des neuen Bundeskanzlers vor allem eine Attacke auf den von Gewerkschaften erkämpften Acht-Stunden-Tag. Stattdessen sollte sich die Regierung besser an Ländern orientieren, wo man sich bereits mit einer moderneren Arbeitswelt beschäftigt: "Dass man auch ganz genau guckt, wie Pilotprojekte, und zwar erfolgreiche Pilotprojekte zur Vier-Tage-Woche in Ländern wie Großbritannien, Schweden, Belgien, Irland, Spanien funktioniert haben, um nur einige europäische Länder zu nennen", so Schirdewan.

"Da muss man ganz genau hingucken, dass wir tatsächlich eine moderne Arbeitswelt haben, in der es den Arbeitnehmenden gelingt, sowohl produktiv zu sein, als auch gesund zu bleiben, als auch Zeit mit Familie und Freundinnen und Freunden zu verbringen."

Grenzen durch EU-Arbeitszeitrichtlinie

In jedem Fall sind allen Plänen der neuen Bundesregierung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit Grenzen gesetzt durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie.

Die schreibt beispielsweise vor, dass allen Arbeitnehmern innerhalb von 24 Stunden eine zusammenhängende Ruhezeit von elf Stunden zusteht und Beschäftigte nicht länger als 13 Stunden am Stück arbeiten dürfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der WDR in der Sendung "Aktuelle Stunde" am 18. Mai 2025 um 18:45 Uhr.