
Merz verteidigt Grenzkontrollen "Es gibt hier keinen deutschen Alleingang"
Es gab viele Themen beim EU-Antrittsbesuch des Kanzlers: Den Vorwurf, Deutschland habe im Alleingang Grenzkontrollen verschärft, wies Merz zurück. Beim Thema Bürokratieabbau forderte er, das EU-Lieferkettengesetz zu stoppen.
EU-Ratspräsident António Costa ist ein erfahrener Politiker und umgänglich wirkender Mensch, der meistens lächelt. Das tut er auch nach dem kurzen Gespräch mit dem neuen Bundeskanzler. Die Frage eines Journalisten, was Friedrich Merz denn besser machen könne als sein Vorgänger Olaf Scholz, bringt den Portugiesen nicht aus der Ruhe. Seine diplomatische Antwort: Ein neuer Regierungschef komme immer mit neuer Energie und neuen Ideen.
Tatsächlich tritt Merz bei seinem ersten Besuch in Brüssel im neuen Amt energisch auf. Er verweist auf seine Anfänge als Europaabgeordneter und auf die Reisen nach Frankreich und Polen vorgestern gleich nach der Kanzlerwahl. Er betont, dass sich auch kleinere EU-Partner auf Deutschland verlassen könnten.
"Wir kontrollieren so, wie während der Fußball-EM"
Merz verspricht zudem mehr Präsenz der Bundesregierung in Brüssel und widerspricht dem Eindruck, Berlin habe quasi als erste Amtshandlung ohne Rücksprache mit den Nachbarn die Grenzkontrollen verschärft:
Es hat niemand in der Bundesregierung, auch ich persönlich nicht, eine Notlage ausgerufen. Wir kontrollieren jetzt an den Grenzen intensiver. Wir kontrollieren in etwa so, wie während der Fußball-Europameisterschaft im letzten Jahr. Wir werden auch weiter zurückweisen, aber das ist alles im Einklang mit europäischem Recht und darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfänglich informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen betont nach ihrer Unterredung mit Merz, Migration sei eine Herausforderung für die gesamte EU, der nur gemeinsam begegnet werden könne. In der Migrationspolitik hat die neue Bundesregierung einen härteren Kurs angekündigt.
Merz zuversichtlich, dass Trump Druck auf Putin macht
Mit Blick auf die Hilfe für die von Russland angegriffene Ukraine setzt der neue Bundeskanzler auf Kontinuität: Deutschland stehe weiter fest an der Seite Kiews, eine Lösung könne es nur mit der Ukraine geben.
Merz verweist auf sein gestriges Telefonat mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Europa unterstütze dessen Forderung nach einer 30-tägigen Feuerpause in der Ukraine. Trump seien "die Zahlen der Verluste der Soldaten auf beiden Seiten sehr präsent", sagt Merz und fügt an: "Das hat mich in dem Gespräch gestern auch einigermaßen zuversichtlich sein lassen, dass er jetzt auch den Druck auf Russland verstärkt, dass es jetzt wirklich nach diesem Wochenende zu einer Phase kommt, in der es dann ernsthafte Verhandlungen geben kann kann."
Mehr Zusammenarbeit bei Rüstungsgütern
Auch in der Finanz- und Wirtschaftspolitik hält der Bundeskanzler an bisherigen Grundüberzeugungen fest. Wie sein Vorgänger spricht er sich dafür aus, Europas zersplitterte Kapitalmärke zu integrieren, um Unternehmen einfacher zu finanzieren. Merz kündigt dazu Initiativen an. Er fordert, bei der Produktion von Rüstungsgütern enger und besser zusammenzuarbeiten.
Wenn es aber darum geht, wie Europas geplante Aufrüstung finanziert werden soll, bleibt der Bundeskanzler hart: keine gemeinsamen EU-Schulden in großem Stil wie während der Corona-Pandemie. "Ich werde die Haltung der deutschen Bundesregierung nicht verändern. Was die Verschuldungsmöglichkeiten der Europäischen Union betrifft, das müssen Ausnahmen bleiben."
Für die Aufhebung des Lieferkettengesetzes
Beim Bürokratieabbau in Europa will Merz deutlich härter vorgehen als sein Vorgänger. Er verlangt, das erst vor kurzem beschlossene europäische Lieferkettengesetz nicht nur später in Kraft zu setzen, sondern gleich ganz abzuschaffen: "Die dauerhafte Lösung des Problems muss darin bestehen, diese Richtlinie schlicht aufzuheben, so wie wir das mit dem deutschen Lieferkettengesetz in naher Zukunft auch machen werden", so Merz.
Laut dem Gesetz müssen Firmen entlang der Lieferkette darauf achten, dass Menschenrechte und Umweltvorgaben eingehalten werden. Das europäische Lieferkettengesetz wurde im vergangenen Jahr beschlossen und sollte das deutsche ersetzen. Ob die SPD die von Merz geforderte Abschaffung der europäischen Regelung in der Koalition mitträgt, ist offen.