
Immer mehr Indizien Schallwaffe gegen Demonstrierende in Serbien?
In Serbien geht eine Protestwelle gegen die Regierung durch das Land. Jetzt verdichten sich die Hinweise, die Polizei habe eine verbotene Schallwaffe gegen die Demonstrierenden eingesetzt.
Bei einer Pressekonferenz hält die serbische Oppositionspolitikerin Marinika Tepic ein Foto in die Luft. Es zeigt etwa ein Dutzend behelmte Polizisten vor einem schwarzen Polizei-Jeep. Das Foto soll von der Demonstration am Samstag stammen und neben dem Parlament aufgenommen worden sein.
Auf der Motorhaube des Polizei-Jeeps sieht man ein graues Gerät, das aussieht wie ein großer Bildschirm. Eine Schallkanone, sagt Tepic und hält ein weiteres Dokument in Höhe. Es soll zeigen, dass das serbische Innenministerium sieben Schallgeräte des Typs LRAD 450 XL gekauft hat.
"Das Gerät ist in der ganzen Welt bekannt als Waffe für psychologische und physische Folter. Diese Geräte können unerträglich laute Geräusche erzeugen und die Gesundheit nachhaltig schädigen," so Tepic. Und solche Klagen gebe es seit Tagen von Demonstrierenden aus ganz Serbien, die am Samstag in Belgrad beim Protest gewesen seien.
Aufnahmen sollen Einsatz zeigen
Im Internet gibt es Aufnahmen vom Samstag, von dem Moment, in dem die Schallkanone eingesetzt worden sein soll. Zu sehen ist eine Straße in Belgrad voller Menschen. Plötzlich teilt sich die Menge in der Mitte, die Menschen rennen in Panik zu den Seiten.
Der Einsatz von Schallwaffen gegen Menschen ist in Serbien verboten. Der serbische Oppositionspolitiker Dragan Djilas kündigte an, gegen die Regierung vorzugehen. "Wir stehen heute vor Ihnen mit einer offiziellen Strafanzeige gegen Präsident Aleksandar Vucic und seine Partei SNS, wegen Terrorismus. Es geht hier nicht um eine politische Frage. Es geht hier um Existenz und Leben und um die Freiheit", so Djilas.
Innenminister dementiert Vorwürfe
Die serbische Regierung reagierte mit der bekannten Salamitaktik: Immer nur das zugeben, was bewiesen ist. Erst hieß es, Schallwaffen habe es bei der Demonstration nicht gegeben. Jetzt sagt Serbiens Innenminister Ivica Dacic: Ja, die Polizei sei mit einem Schallgerät unterwegs gewesen, aber es sei niemals als Schallwaffe eingesetzt worden.
"Die serbische Polizei hat niemals, auch nicht am 15. März, ein illegales unzulässiges Gerät eingesetzt. Diese Geräte, die jetzt überall als Schallkanonen bezeichnet werden, werden nur als Schallgeräte zur Warnung eingesetzt."
Als angeblichen Beweis dafür, dass alles korrekt abgelaufen wurde, zeigt Dacic bei einer Pressekonferenz eines der Schallgeräte. Aus dem Gerät erklingt eine Lautsprecherdurchsage der Polizei. Dacic sagt, dass bei der Demonstration keine solchen Durchsagen gemacht wurden.
Präsident Vucic unter Druck
Auch Serbiens Präsident Aleksandar Vucic bestreitet, dass jemals Schallwaffen gegen Bürger eingesetzt wurden. "Wenn meine Sicherheitskräfte tatsächlich eine Schallkanone eingesetzt haben, dann würde ich nicht mehr serbischer Präsident sein wollen", sagt er.
Vucic steht seit der großen Protestwelle wegen des eingestürzten Bahnhofsvordachs von Novi Sad mit 15 Toten unter Druck. Dieser Druck dürfte jetzt durch die Beweise zu den Schallwaffen weiter steigen.