
Sánchez und die Verteidigungsausgaben Warum Spanien nicht aufrüstet
Spanien ist weit davon entfernt, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu erreichen. Die Verbündeten mahnen schon, aber Spaniens Regierung ist bei den Militärausgaben uneins - und die Bevölkerung hat andere Sorgen.
Erst Anfang März gab sich König Felipe in Uniform beim Ausbildungs-Bataillon in Toledo persönlich die Ehre: Gruppenfoto mit 29 Soldaten, teils mit spanischer rot-gelber Flagge, teils mit ukrainischem Blaugelb auf den Uniformen. 7.000 ukrainische Soldaten haben die Spanier seit November 2022 schon ausgebildet. Spaniens König ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte: "Danke für die gute Arbeit", sagt er, nachdem er jedem die Hand geschüttelt hat.
Sieht aus, als wäre Spanien voll engagiert für die Unterstützung der Ukraine. Auch 250 Kilometer weiter südöstlich, auf der Los Llanos Airbase Albacete engagiert sich Spanien für die Verteidigung Europas: Mehrmals im Jahr kommen hier Luftgeschwader aus der NATO zusammen, um im "Tactical Leadership Programme" (TLP) Kampfpiloten so zu schulen, dass sie im Ernstfall gemeinsam agieren können. Mit fiktiven Aufträgen, die auch an die Realität in der Ukraine angelehnt sein dürften.

Spaniens König Felipe beim Truppenbesuch in Toledo
Spanien ist bei den NATO-Ausgaben ganz hinten
Doch dieses praktische Engagement Spaniens scheint im Widerspruch zum finanziellen Einsatz des Landes zu stehen. Mit knapp 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ist Spanien Schlusslicht innerhalb der NATO, abgesehen von Island, das keine Armee hat. Das ist nicht erst so, seit das Land von Pedro Sánchez' linker Minderheitsregierung regiert wird.
"Wenn wir uns den Prozentsatz vom BIP ansehen, den Spanien traditionell für Verteidigung ausgibt, so war der immer sehr niedrig", sagt Politologe Fernando Vallespin zu tagesschau.de, "egal ob bei linken oder rechten Regierungen".
Außenpolitischer Druck auf Sánchez wächst
Dennoch steht Ministerpräsident Pedro Sánchez nun doppelt unter Druck: sein Koalitionspartner, das Parteienbündnis Sumar, will kein Plus bei den Militärausgaben. Erst recht nicht, wenn das zu Lasten von sozialen Ausgaben im spanischen Etat führen würde.
Aber die NATO rechnet mit Spanien. Generalsekretär Mark Rutte stellte bei einem Besuch in Warschau kürzlich in Aussicht, Spanien wolle neben anderen Ländern das Zwei-Prozent-Ziel bis zum Sommer erreichen. Am Freitag forderte auch noch der stellvertretende US-Außenminister Christopher Landau von Spanien, seine Verteidigungsausgaben im Einklang mit seinen NATO-Verpflichtungen zu erhöhen.
Spanisches Problem ist das Wirtschaftswachtum
Doch das wird nicht nur politisch herausfordernd. Denn paradoxerweise machen Spaniens gute Wirtschaftsdaten das Erreichen dieses Ziels noch schwieriger. Anders als in Deutschland, brummt die Wirtschaft in Spanien: 2024 mit einem Wachstum von mehr als drei Prozent.
Spaniens als politischer Überlebenskünstler bekannter sozialdemokratischer Regierungschef Sánchez versucht erstmal, beide Seiten zu beschwichtigen - seine Regierungspartner und die NATO-Verbündeten. Beim jüngsten Treffen des europäischen Rates setzte er gemeinsam mit Italien durch, dass das Verteidigungsprogramm der EU statt "ReArm Europe" nun "Readiness 2030" heißt.
"Ich mag den Begriff Aufrüstung nicht", sagte Sánchez in Brüssel. "Ich denke, dass die Europäische Union ein Projekt der politischen Autorität der 'soft power' ist und dass wir heutzutage auch die Pflicht haben, die 'hard power' einzusetzen." Im spanischen Parlament kündigte Sánchez einen Anstieg der Investitionen in Sicherheit und Verteidigung an, vermied es aber Zahlen und Daten zu nennen.
Verhärtete Fronten könnten aufweichen
Sánchez regiert mit einer Minderheit im Bündnis mit mehreren kleinen Parteien. Wenn der größte Partner Sumar nicht mitstimmt, wird es generell schwierig, Dinge durchzusetzen, etwa einen Haushalt. Die konservative Oppositionspartei Partido Popular (PP) würde zwar selbst mehr Geld für Verteidigung ausgeben, aber PP und Sanchez' Partei PSOE sind traditionell zerstritten und nicht koalitionswillig.
Politikwissenschaftler Vallespin hält es im Fall der Verteidigungsausgaben aber für unumgänglich, dass sie sich mal einigen: "Ich bin davon überzeugt, dass sowohl die PSOE als auch die PP, also eine Mehrheit von fast 70 Prozent der spanischen Wähler, sich an die europäischen Leitlinien gebunden fühlen."
Francos Schatten wirkt nach
Aber bei den spanischen Bürgern steht das Thema Sicherheit nicht an erster Stelle. Der Krieg in der Ukraine ist räumlich weit weg, die Spanierinnen und Spanier haben andere Sorgen: etwa die extreme Wohnungsnot, die sie viel mehr umtreibt. Das jüngste Euro-Barometer ergab, die Spanier machen sich im EU-Vergleich fast am wenigsten Sorgen um Sicherheit und Verteidigung.
Darüber hinaus haben sie zum Militär ohnehin nach Bürgerkrieg und Militär-Diktatur ein eher zwiespältiges Verhältnis. Es gebe in Spanien eine sehr gut etablierte pazifistische Strömung, so Politikwissenschaftler Vallespin. Spanien habe auch weder am ersten noch am zweiten Weltkrieg teilgenommen. Und: "Bis weit in die Demokratie hinein hatten wir immer die Vorstellung, dass unsere Armee eng mit dem Franco-Regime verbunden war." Dennoch sei das Ansehen des Militärs und der Polizei heute hoch.
Wird der Druck größer?
Aber mehr dafür ausgeben? Noch ist nicht klar, ob, wann und mit wessen Stimmen Spanien das vieldiskutierte Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Diese Woche werden wohl einige spanische Ministerinnen und Minister von ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen darauf angesprochen werden.
Gleich am Montag hat der spanische Außenminister in Madrid Amtskollegen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Großbritannien und aus der Ukraine zu Gast. Zum Thema: die Sicherheit Europas und der Ukraine. Es dürfte auch ums Geld gehen.