Ukrainischer Außenminister "Alles tun, damit der Krieg schnell endet"
Der ukrainische Außenminister Sybiha hofft auf weitere Hilfen aus Deutschland. Im ARD-Gespräch räumt er zudem Fehler der Armeeführung ein und erklärt, warum er auf den künftigen US-Präsidenten Trump setzt.
Während die ukrainische Armee in der russischen Region Kursk angreift, vermeldet Russland stetig kleine Geländegewinne im Osten der Ukraine - häufig allerdings unter sehr hohen Verlusten. Mit Blick auf die Kämpfe sagt der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha im ARD-Interview, er sei "davon überzeugt, dass es nicht nur im Interesse der Ukraine, sondern auch im globalen Interesse ist, dass dieser Krieg so schnell wie möglich in Frieden endet".
Der 50-Jährige, der ein enger Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj ist, betont dabei aber, dass es sich um einen "gerechten, umfassenden, nachhaltigen Frieden" handeln müsse. Ein Friedensbegriff, den eine Mehrheit in der Ukraine aus Angst vor einem erneuten Angriff Russlands teilt.
Ukraine sieht Trump-Präsidentschaft als Chance
Die ukrainische Regierung hofft dabei auf Donald Trump, der kommende Woche ins Weiße Haus einziehen wird. "Wir sehen die Zeit nach dem 20. Januar als Chance", erklärt Sybiha. Die Ukraine und die USA seien in ihrem Ziel nach einem schnellen Kriegsende und einem gerechten Frieden vereint.
Auf konkrete Fragen nach Trumps skeptischer Haltung gegenüber einem möglichen NATO-Beitritt der Ukraine und einem geplanten Treffen mit Russlands Machthaber Wladimir Putin geht der ukrainische Diplomat nicht ein. Man werde weiter auf das eigene strategische Ziel hinarbeiten. Russland müsse zum Frieden gezwungen werden.
Extrem hohe russische Verluste
Aktuell besetzt Russland etwa 20 Prozent der Ukraine und rückt im Osten des Landes weiter vor. "Die Lage im Donbass ist wirklich sehr schwierig, aber strategisch hält die Ukraine die Stellung", sagt Sybiha. Er bezieht sich damit auf die schweren Verluste, die die Ukraine den russischen Truppen seit Monaten zufügt. Russland gelinge es so nur durch eine extrem hohe Opferbereitschaft von Soldaten und militärischem Material vorzurücken.
"Russland hat keines seiner strategischen Ziele in der Ukraine erreicht", ist der Diplomat überzeugt. Es gelingt den Kreml-Truppen nicht, die ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson, die es für sich beansprucht, vollständig zu kontrollieren. Jeden Tag laufen heftige Kämpfe entlang der mehr als 1.000 Kilometer langen Frontlinie.
"Kursk-Operation hat Russlands Schwäche gezeigt"
Seit fünf Monaten halten auch ukrainische Soldaten einen kleinen Teil Russlands in der Region Kursk. In der Ukraine wird der militärische Nutzen von Kritikern angezweifelt. "Diese Operation hat Russlands Schwäche gezeigt", sagt der Außenminister dazu.
Russische Truppen würden in Kursk eigene Siedlungen auslöschen, ohne die russische Bevölkerung zu schonen. Sybiha bestätigt, dass die Kursk-Operation der Ukraine eine bessere politische Ausgangslage bei möglichen Verhandlungen ermöglichen solle.
Kritik an Kiews Armeeführung
In der Ukraine häufen sich seit Monaten Berichte über Soldaten, die ihre Einheiten verlassen. Viele klagen über Zermürbung, andere über Führungsstil oder Entscheidungen ihrer Vorgesetzten. Der ukrainische Außenminister räumt die Probleme in der Armeeführung ein.
"Wenn auf etwas aufmerksam gemacht wird oder es objektive Kritik gibt, dann werden natürlich entsprechende Konsequenzen gezogen", sagt Sybiha. Er sei überzeugt, dass alle notwendigen Schlüsse gezogen würden und bedanke sich für Ratschläge der Partner.
Deutsche Hilfen für "Luftschutzschirm"
Sybiha reagiert auch auf die Debatte, wonach Deutschland die Ukraine noch vor der Bundestagswahl mit zusätzlichen Milliarden für dringend benötigte Waffenlieferungen unterstützen könnte. Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius sind dafür, Bundeskanzler Olaf Scholz bisher dagegen.
"Die Ukraine begrüßt jeden zusätzlichen Beitrag, der dazu beiträgt, unsere Fähigkeiten schon heute zu stärken", sagt der Diplomat. Russland greift die Ukraine fast jeden Tag mit Hunderten Drohnen und Dutzenden Raketen an. Allein im Dezember habe Russland 67 Mal ballistische Raketen auf die Ukraine abgefeuert. Die zusätzlichen Mittel könnten Sybiha zufolge für die "Schaffung eines Luftschutzschirms über der Ukraine" verwendet werden.
"Taurus" könnte Kämpfe "wesentlich beeinflussen"
Die Formel "Frieden durch Stärke" steht im Fokus der ukrainischen Diplomatie. Mit schnellen Waffenlieferungen soll Russland abgeschreckt und der Vormarsch aufgehalten werden, argumentiert Sybiha. Um die Möglichkeiten der Ukraine auf dem Gefechtsfeld zu stärken, müssten alle Beschränkungen für den Einsatz weitreichender Waffen aufgehoben werden.
"Ich muss das auch betonen, weil die Entscheidung, der Ukraine 'Taurus'-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen, eines dieser Elemente ist, die die Situation auf dem Schlachtfeld wesentlich beeinflussen können", sagt Sybiha. "In Kombination mit anderen Systemen können sie tatsächlich der Faktor sein, der die Lage auf dem Schlachtfeld grundlegend verändert."
Der Außenminister versichert im ARD-Interview, dass weitreichende Waffensysteme ausschließlich gegen militärische Ziele in Russland eingesetzt würden.