
Neue NATO-Ziele Pistorius will bis zu 60.000 zusätzliche Soldaten
Die NATO-Verteidigungsminister wollen in Brüssel letzte Vorbereitungen für ein großes Aufrüstungsprogramm treffen. Dieses möchte Deutschland unterstützen, doch die Bundeswehr kämpft nach wie vor mit großer Personalnot.
Die NATO will ihre Verteidigungsfähigkeiten massiv ausbauen. Doch damit Deutschland seinen Anteil an diesen Zielen tragen kann, braucht die Bundeswehr in der aktiven Truppe laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bis zu 60.000 zusätzliche Soldaten. Das sagte der SPD-Politiker vor einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister, bei dem die neuen Vorgaben gebilligt werden sollen.
"Wir gehen davon aus - das ist aber auch nur eine Daumengröße, um es klar zu sagen - dass wir rund 50.000 bis 60.000 Soldatinnen und Soldaten in den stehenden Streitkräften mehr brauchen als heute. Und gleichzeitig wird sich die Frage natürlich stellen: Reicht der neue Wehrdienst aus über die nächsten Jahre?", sagte Pistorius in Brüssel.
Zahl der Soldaten zuletzt erneut gesunken
Angesichts der anhaltenden Bedrohung durch Russland will die NATO ein großes Aufrüstungsprogramm starten. Die Verteidigungsminister wollen nun ein letztes Mal neue und deutlich höhere Vorgaben für ihre Mitglieder zur Verteidigungsfähigkeit besprechen, bevor sie beim NATO-Gipfel Ende des Monats in Den Haag beschlossen werden sollen. Dies wird sich auf alle Waffengattungen und auch die Zahl der Soldaten beziehen. Viele Details unterliegen jedoch der Geheimhaltung.
Generalsekretär Mark Rutte hatte im Vorfeld gesagt: "Wir benötigen mehr Ressourcen, Truppen und Fähigkeiten, um auf jede Bedrohung vorbereitet zu sein und unsere kollektiven Verteidigungspläne vollständig umzusetzen." Oberste Priorität hätten die Luft- und Raketenabwehr, weitreichende Waffensysteme, Logistik und große Verbände von Landstreitkräften. Die neuen Ziele des Verteidigungsbündnisses nannte Rutte "historisch".
In der Bundeswehr ist die bestehende Personalnot aber noch lange nicht überwunden - im Gegenteil: Trotz mehr Einstellungen war die Zahl der Soldaten im vergangenen Jahr erneut leicht gesunken. Gleichzeitig stieg der Altersdurchschnitt. Zum Jahresende 2024 habe es rund 181.150 Soldatinnen und Soldaten gegeben, hatte das Verteidigungsministerium erklärt. Ein Jahr zuvor, am Stichtag 31. Dezember 2023, waren es noch rund 181.500 Männer und Frauen in Uniform gewesen. Erklärtes Ziel waren zuletzt aber 203.000 aktive Soldaten in den Streitkräften gewesen.
Noch fehlen Kapazitäten für einen neuen Wehrdienst
Bereits vor einem Jahr hatte Pistorius Zahlen für den Bedarf an Soldaten in der stehenden Truppe sowie der Reserve genannt. Er nannte dabei insgesamt rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten: Konkret 203.000 Männer und Frauen der stehende Streitkräfte, die 60.000 vorhandenen Reservisten sowie 200.000 zusätzliche Reservisten, die nun nötig seien. Militärplaner gehen davon aus, dass die Obergrenze von 460.000 erhalten bleiben wird, aber deutlich mehr aktive Soldaten und womöglich weniger Reservisten eingeplant werden.
Pistorius kündigte nun an, Deutschland werde "neue Großverbände bilden und voll ausstatten". Der Verteidigungsminister sprach von einem "Kraftakt", für den Deutschland mit der Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben bereits die Voraussetzungen geschaffen habe. "Die Zeit, in der wir über die Unterfinanzierung vergangener Jahrzehnte gejammert haben, ist vorbei", sagte er.
Der Bedarf werfe allerdings die Frage auf, ob der bislang geplante neue Wehrdienst über die nächsten Jahre ausreichen werde, räumte Pistorius ein. Eine Wehrpflicht nütze allerdings "jetzt gar nichts, weil wir die Kapazitäten weder in den Kasernen noch in der Ausbildung haben", argumentierte er. "Deswegen müssen diese Kapazitäten aufwachsen", forderte der Minister. "Bis dahin gilt Freiwilligkeit."
Verteidigungsminister bekräftigen Fünf-Prozent-Ziel
Unterdessen bekräftigte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth zum Auftakt des Treffens in Brüssel die Forderung seines Landes nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben der NATO-Länder auf fünf Prozent vom jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP). "Wir gehen davon aus, dass dies bis zum Gipfel in Den Haag geschehen wird", sagte Hegseth. "Darauf liegt unser Hauptaugenmerk."
Ein Vorschlag des NATO-Chefs Rutte sieht vor, dass die Mitgliedsländer künftig 3,5 Prozent ihres BIP für Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Ausgaben aufwenden - was zusammengenommen den von US-Präsident Donald Trump geforderten fünf Prozent entsprechen würde.
Hinter diese Forderung stellten sich in Brüssel auch weitere Verteidigungsminister. So sagte Schwedens Vertreter, Pal Jonson, sein Land würde es gerne sehen, dass die NATO das Fünf-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2030 erreicht. Lettlands Verteidigungsminister Andris Spruds nannte die neue Vorgabe für die Ausgaben "absolut entscheidend", um die NATO-Ziele zu erreichen.