
Bundestagswahl Eine große Bühne für die AfD in Österreich
Das österreichische Medium "AUF1" verbreitet verschwörungsideologische und rechtsextreme Inhalte. Die AfD war vor der Wahl dort omnipräsent - von Interviews mit Alice Weidel über Wahlwerbung bis hin zu Fan-T-Shirts.
"Danke, dass Sie mich nicht unterbrochen haben wie jeder andere Moderator", sagt AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel im Gespräch mit Stefan Magnet, Gründer und Moderator des österreichischen Mediums "AUF1". Gut 45 Minuten geht das Gespräch, indem an mehreren Stellen deutlich wird, dass Weidel und Magnet bei vielen Themen auf einer Linie sind.
So spricht Magnet über den Entschließungsantrag der Union mit Blick auf die dortigen Passagen über die AfD von einem "AfD-Hass-Passus", über den sich "die typischen konservativ globalistischen Politiker" diebisch gefreut hätten. Nach Weidels Ankündigungen, unter einer AfD-Regierung würde Deutschland der WHO, dem Pariser Klimaabkommen und dem EU-Asylsystem den Rücken kehren, fasst Magnet zusammen: "Sie legen sich tatsächlich mit den Mächtigen der Welt an, wenn Sie jetzt Deutschland herauslösen wollen aus dieser globalistischen Umklammerung."
Als Magnet die Stichworte der "Impfagenda" und Corona-Pandemie in den Raum wirft, nimmt Weidel das auf und verspricht, dass aufgeräumt werde, denn das sei man unter anderem den gesamten Impfopfern und Impftoten schuldig.
T-Shirts mit Weidel im Onlineshop
Dass die AfD bei "AUF1" eine besondere Rolle spielt, wird schnell ersichtlich. Nicht nur sind AfD-Politiker sehr präsent bei dem Medium, auch Wahlwerbung für die AfD in Form von Anzeigen zierten die Seite vor der Bundestagswahl. Im Onlineshop von "AUF1" gab es zudem ein T-Shirt mit dem Gesicht von Weidel zu kaufen, es trug den Namen "Alice für Deutschland".
"'AUF1' mischt mittlerweile sehr stark im gesamten deutschsprachigen Raum mit und versucht auf unterschiedlichen Ebenen, für die AfD und vor allem für Alice Weidel zu werben", sagt Julia Ebner, Senior Research Fellow am Institute for Dialogue Germany (ISD). Das Problematische daran sei die mangelnde Qualitätskontrolle. "Es gibt keine Überprüfung dieser Inhalte, ob die faktisch korrekt sind oder ob es sich um Desinformationen oder um Halbwahrheiten handelt, wo bestimmte Dinge aus dem Kontext gerissen oder übertrieben dargestellt werden. Und ich denke, dass es auch eine ganz klare politische Agenda dahinter gibt."
"Es ist im Endeffekt ein Werbemedium"
Aus Sicht von Josef Holnburger, Co-Geschäftsführer beim CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie), gibt es für die AfD vor allem zwei motivierende Punkte, bei "AUF1" präsent zu sein: "Es ist ein Medium, in dem der AfD keine kritischen Fragen gestellt werden. Es ist im Endeffekt ein Werbemedium", sagt er. Zudem sei die Reichweite von "AUF1" für ein Medium dieses Formats in Deutschland und Österreich sehr groß.
Bei "AUF1" laufen laut Holnburger vor allem verschwörungsideologische und rechtsextreme Inhalte. So verbreitet "AUF1" immer wieder Falschinformationen und Verschwörungserzählungen, zum Beispiel zur Corona-Pandemie oder Migration. Das Medium sei extrem parteilich, weil vor allem zwei Parteien dort immer wieder auftauchten, so Holnburger: die AfD und die österreichische FPÖ. "Beides sind Parteien, die sehr stark ins rechtsextreme Milieu und auch ins verschwörungsideologische Milieu hineingetragen werden und die da vor allem positive Berichterstattung erfahren", so Holnburger.
"AUF1" schreibt auf eine Anfrage, dass "viele der sogenannten 'etablierten Parteien' unsere Interviewanfragen ablehnen, ignorieren oder uns gar von Presseveranstaltungen ausschließen". SPD, Grüne und Linkspartei teilen wiederum mit, den Parteien seien keine Anfragen von "AUF1" aus dem Zeitraum dieses Wahlkampfes bekannt. Die CDU schreibt, man erhalte derzeit eine "überdurchschnittlich hohe Zahl von Anfragen für den Kanzlerkandidaten wie auch für den Generalsekretär" und müsse "viele davon absagen". Zu Details äußere man sich nicht. CSU und FDP reagierten auf Anfrage nicht.
Illegale Wahlwerbung für die AfD?
Ob es sich bei Plattformen wie "AUF1" möglicherweise um illegale Wahlwerbung handelt, ist aus Sicht von Aurel Eschmann von LobbyControl schwer einzuschätzen. "Private Medien sind nicht dazu verpflichtet, ausgewogen zu sein. Und auch die journalistischen Ethikstandards sind keine rechtlich verbindlichen Regeln", sagt der Experte für Parteispenden. Zudem gebe es keine klare Definition dafür, was Wahlwerbung genau sei. "Es ist eine Einzelfallabwägung: Wie deutlich sind Wahlempfehlungen enthalten? Wie einseitig ist die Berichterstattung?"
Die vielen Anzeigen der AfD und auch das AfD-Merchandise im "AUF1"-Shop seien zwar Indizien, die auf illegale Wahlwerbung schließen lassen könnten, allerdings bräuchte es mehr als das. Ob die Anzeigen von der AfD direkt stammen und wie viel Geld floss, beantwortete die AfD auf Anfrage nicht. Von "AUF1" hieß es, dass man die zusätzlichen Einnahmen aus Werbung für die Erhöhung der Reichweite nutze.
Bundestagsverwaltung für solche Fälle zuständig
Zuständig für solche Fälle ist in Deutschland die Bundestagsverwaltung. Diese schreibt auf Anfrage, dass "bestimmte Themenschwerpunkte und ein verstärktes Zurückgreifen auf Politiker(innen), die der eigenen Denkweise näherstehen, den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit genießen". Weiter heißt es: "Werbeanzeigen der AfD (also von der AfD bezahlt) unterliegen auch keinen Beschränkungen des deutschen Parteienrechts. Fanshop-Artikel mit Werbecharakter zugunsten der AfD könnten gegebenenfalls parteienrechtlich relevant sein, hier käme es auf die näheren Umstände an."
Allerdings fehlt es der Bundestagsverwaltung an Ermittlungsbefugnissen, sagt Eschmann. "Die Bundestagsverwaltung kann bei Verdachtsfällen eigentlich nur nachfragen. Und wenn es dann von der anderen Seite dementiert wird, war es das in den meisten Fällen auch schon." Nur bei schweren Verdachtsfällen könne die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden für die Ermittlungen. "Dafür braucht es aber schon Beweise oder sehr starke Indizien, die den Verdacht stützen", so Eschmann.
Zudem teilt die Bundestagsverwaltung mit, dass es "höchst zweifelhaft" ist, ob ein ausländischer Kampagnenbetreiber - wie ein österreichisches Medium - überhaupt verfolgbar wäre. Denn das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht gelte grundsätzlich nur für Ordnungswidrigkeiten, die auf deutschem Boden begangen werden.
"AfD nutzt das offensichtlich aus"
Eschmann hält es insgesamt dennoch für problematisch und sieht Nachholbedarf, um illegale Wahlwerbung besser verhindern zu können. "Die AfD nutzt das offensichtlich aus. Die Häufung dieser Art von Konstrukten in ihrem Umfeld ist wirklich extrem", sagt er.
Vor allem aus der Schweiz und Österreich seien in der Vergangenheit zum Teil fragwürdige Geschäfte mit Blick auf Wahlwerbung und Parteienfinanzierung gelaufen - zum Beispiel die Plakatspende im Wert von 2.349.906,62 Euro vom Vorarlberger Ex-FPÖ-Landesgeschäftsführer Gerhard Dingler.
"AUF1" drängt schon länger auf deutschen Markt
Gegründet wurde "AUF1" während der Corona-Pandemie. Am 31. Mai 2021 ging "AUF1" erstmals mit einem Beitrag online auf Sendung. Vor allem auf Telegram wuchs die Reichweite damals rasant. Der österreichische Verfassungsschutz bezeichnet "AUF1" als rechtsextremistisches Medium, das der Neuen Rechten zur gezielten Verbreitung von Propaganda diene.
Das österreichische Medium drängt dabei schon länger auch auf den deutschen Markt. So gibt es bereits seit einiger Zeit den Deutschland-Korrespondenten Martin Müller-Mertens, der aus Berlin berichtet. Müller-Mertens hatte zuvor jahrelang für das Magazin "Compact" gearbeitet, das vom BfV als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird.
"Man sieht die enge Verflochtenheit zwischen der AfD und 'AUF1' auch daran, dass Alice Weidel und die AfD immer wieder Stefan Magnet in die Räume des Deutschen Bundestages eingeladen haben, um dort Interviews zu führen", sagt Holnburger.
"Gegenpol zum Mainstream"
Dass Vertreter der AfD und FPÖ bei "AUF1" so oft auftreten, erklärt sich Ebner auch durch eine starke Überschneidung der Themenprofile. "'AUF1' positioniert sich überall als Gegenpol zum Mainstream", sagt sie. "Das heißt, egal um welches Thema es geht - und es sind hoch emotionalisierte Themen dabei wie die Corona-Pandemie und Corona-Impfstoffe oder auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine -, es wird immer versucht, den komplett konträren Ansatz zu verwenden zu den etablierten Medien und auch zu der Politik der Mitte."
Ebenso wie die "alternativen" Parteien hätten auch "alternative" Medienplattformen starken Zulauf erhalten in den vergangenen Jahren, sagt Ebner. "Das liegt teilweise daran, dass das Vertrauen in die traditionellen Medien systematisch untergraben wurde und dass viele Menschen sich hier nach Alternativen umsehen und diese Plattformen sich speziell als diese Alternative positionieren. Das heißt, was im politischen Spektrum eine AfD abbildet, eine Alternative zum Mainstream, bilden in den Mediennetzwerken 'AUF1' und andere Nachrichtenkanäle ab."
Das alles ist aus Sicht von Holnburger eine Gefahr für die politische Bildung in der Gesellschaft. "Je mehr Menschen sich in solche extrem parteilichen Räume begeben, desto mehr führt das zu einer unausgewogenen politischen Bildung." Und das wiederum sei letzten Endes eine Gefahr für die Demokratie.