Das Kanzleramt im Berliner Regierungsviertel bei Sonnenaufgang.
Kontext

Bundestagswahl Bundesregierung warnt vor russischer Desinformation

Stand: 06.02.2025 15:48 Uhr

Russland versucht schon länger, in und über Deutschland Desinformationen in Umlauf zu bringen. Die Behörden und Geheimdienste schauen deshalb sehr genau hin. Vor der Bundestagswahl lassen sich neue Muster erkennen.

Von Christina Nagel und Demian von Osten, ARD-Hauptstadtstudio

Auf den ersten Blick sehen die Webseiten aus wie ganz normale Nachrichtenportale. Sie tragen Namen wie "Berliner Aktuelle Nachrichten", "Narrativ" oder "Echo der Zeit". Es gibt Fotos, Schlagzeilen und Geschichten. Die Texte stammen zum großen Teil von anderen Seiten im Netz, werden aber mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) umgeschrieben. Das Auswärtige Amt nennt sie "Schläferseiten".

"Wir haben über 100 Pseudo-Nachrichtenwebseiten identifiziert, die mutmaßlich als 'Schläfer' aufgebaut werden", sagt Ralf Beste, Leiter der für die Analyse solcher Webseiten zuständigen Abteilung Kultur und Gesellschaft im Auswärtigen Amt. Betrieben werden diese "Schläferseiten" nicht von Verlagen oder Journalisten, sondern von Netzwerken, die "Übles im Schilde führen", so Beste.

Über diese Netzwerke werden harmlose Nachrichten verbreitet, bis der Moment gekommen ist, an dem gezielt Falschinformationen platziert werden. Sie werden dann mit Verweis auf die vermeintlich seriöse Quelle über soziale Netzwerke wie X, Bluesky oder Facebook weiterverbreitet. "Wir müssen davon ausgehen, dass diese Websites vorbereitet wurden, um diese im Umfeld der Bundestagswahl zu aktivieren", sagt Beste. "So wie wir es im vergangenen Jahr in Moldau oder in Rumänien erlebt haben, dass im Vorfeld von Wahlen solche Dinge zunahmen."

Überlastungsangriffe auf Faktencheck-Redaktionen

Ralf Beste und sein Team rechnen schon bald mit gezielten Kampagnen gegen Deutschland - auch weil sich parallel ein zweites Muster abzeichnet, das "Overload" genannt wird. Dabei werden Behörden und Organisationen, die sich mit Desinformation beschäftigen, mit Anfragen und Prüfaufträgen überschüttet.

"Das sind Überlastungsangriffe, die gutmeinende Faktenchecker überfordern sollen, damit sie nicht mehr arbeiten können", sagt Beste. "Das Perfide an Desinformation ist, dass sie manipulativ ist und somit Vertrauen zerstören kann. Es schürt Verunsicherung, wenn der Eindruck entsteht, dass überall Lügen verbreitet werden und man nicht mehr sicher sein kann, was man glauben kann."

Wer hinter den Angriffen steckt, ist nicht immer sofort erkennbar. Viele Desinformationsversuche aber lassen sich nach Erkenntnissen der Behörden prorussischen Akteuren zuordnen. "Wir haben einige Netzwerke schon enttarnt", erzählt Beste. "Vor ein paar Monaten war es das sogenannte Doppelgänger-Netzwerk, wo klar war, das trägt eine russische Handschrift, das sind russische regierungsnahe Stellen, die das tun und dann konnten wir es auch feststellen."

Doppelgängerkampagne ahmt seriöse Medien nach

Im Rahmen der Doppelgänger-Kampagne werden zahlreiche Falschnachrichten über Websites verbreitet, die den Anschein erwecken, es seien die Originalseiten seriöser Medien. Die Inhalte werden mithilfe von Kommentaren und Reposts in den sozialen Netzwerken weiterverbreitet.

Ein ausgeklügeltes, nur schwer zu stoppendes System. Eines, das sich mithilfe Künstlicher Intelligenz noch leichter automatisieren lasse, sagt der Diplomat und frühere Journalist, Ralf Beste: "Es wird ja so getan, als ob ein Mensch eine Information herausgibt, dass Tausende darauf reagieren. Das kann man alles mit Bots, mit Robotern und Maschinen fingieren und das war vor fünf Jahren noch nicht in dem Maße möglich."

Manipulationsversuche verstärkt vor Bundestagswahl

Gezielt werden Themen aufgegriffen, die polarisieren. Deutschlands Unterstützung für die Ukraine zum Beispiel oder die Anwerbung von Fachkräften aus dem afrikanischen Ausland. Es geht darum, Stimmungen zu befeuern und Zweifel zu säen. Dass es vor der Bundestagswahl noch einmal verstärkt solche Manipulationsversuche geben wird, davon geht Beste aus. Dass sie erfolgreich und damit ausschlaggebend sein werden, glaubt er nicht. Weil sich nicht nur die russischen Desinformationsnetzwerke weiterentwickelt haben - sondern auch diejenigen, die ihnen etwas entgegensetzen. 

Und jeder Nutzer online kann selbst etwas tun: Etwa überprüfen, ob sich der Link in der Adresszeile vertrauenswürdig liest, ob die Seite ein Impressum hat und ob man das womöglich unbekannte Medium bei einer einfachen Google-Suche findet und andere auf dieses Medium verweisen. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 06. Februar 2025 um 06:22 Uhr.