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interview

Ministerpräsident Günther "Das sind Märchen!"

Stand: 08.01.2025 17:11 Uhr

Stärkt Schwarz-Grün die AfD? Einige CSU-Politiker behaupten das. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther widerspricht im tagesschau24-Interview entschieden. Das seien Märchen. Bei der Schuldenbremse plädiert er für Reformen.

tagesschau24: Der bayrische Ministerpräsident Söder warnt vor Schwarz-Grün und behauptet mit Verweis auf Österreich, dass solch ein Bündnis zum extremen Erstarken von anderen Kräften führt. Sie regieren mit einer schwarz-grünen Koalition und Ihnen wird damit unterstellt, Sie würden rechtsextreme Kräfte stärken. Was sagen Sie dazu?

Daniel Günther: Wir haben in Schleswig-Holstein das Gegenteil unter Beweis gestellt. In der letzten Wahlperiode haben wir ähnlich wie die Ampel in Berlin mit drei Parteien regiert: CDU, Grüne und FDP. Danach haben wir hervorragende Werte bekommen, und die AfD ist aus dem Landtag geflogen. Wir haben also keine radikalen Kräfte mehr im schleswig-holsteinischen Landtag. Von daher sind das Märchen!

Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Bereit zu sein, mit demokratischen Parteien zu regieren und Probleme zu lösen. Das ist das, was Wählerinnen und Wähler am Ende honorieren.

tagesschau24: Aber auch Ihr Parteichef Merz sagt, in Bezug auf die Wirtschaftspolitik sei der Abstand zu den Grünen größer geworden. Was bringen Distanzierungen in einer Zeit, in der ja eigentlich alle demokratischen Parteien zusammenhalten müssen?

Günther: Wir befinden uns vor einer Wahl und in einem Wahlkampf. Und man kann auch nicht beiseite wischen, dass Deutschland in einer schwierigen Lage ist, weil SPD, Grüne und FDP dieses Land eigentlich regieren wollten und nun gesagt haben, sie wollen die Verantwortung abgeben. Deswegen finde auch ich, dass sich keine der drei Parteien als Koalitionspartner besonders profiliert hat.

Ich werbe sehr dafür, dass wir für eine starke Union kämpfen und dafür, dass CDU und CSU gemeinsam ein möglichst starkes Ergebnis holen. Dann können wir mit unseren Themen auch die Wirtschaft wieder voranbringen und müssen am Ende gucken, mit wem wir unsere Inhalte am besten umgesetzt bekommen.

Daniel Günther
Zur Person
Daniel Günther ist seit 2017 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Zunächst führte er eine Jamaikakoalition aus CDU, Grünen und FDP an. Bei der Landtagswahl 2022 konnte Günthers CDU deutlich hinzugewinnen. Seitdem reicht es auch für ein Zweierbündnis. Die FDP flog aus der Regierung und in Schleswig-Holstein koaliert Schwarz-Grün.

"Es ist möglich, mit den Grünen zu Lösungen zu kommen"

tagesschau24: Ein anderes wichtiges Thema ist Migration. Wie sind Sie mit den Grünen da in Schleswig-Holstein auf einen gemeinsamen Nenner gekommen?

Günther: Wir haben im Land natürlich andere Herausforderungen als auf Bundesebene. Aber auch da merkt man, dass die Grünen einen Veränderungsbedarf sehen. Bei uns in Schleswig-Holstein haben wir mit den Grünen immer Lösungen gefunden. Zum Beispiel haben wir uns jetzt auf eine Zentralisierung verständigt, um Abschiebungen besser und konsequenter durchzuführen. 15 Ausländerbehörden in den Kreisen bearbeiten nicht mehr alle Fälle jeweils für sich, sondern die schwierigen Fälle werden beim Landesamt zentralisiert.

Und als sichere Herkunftsländer zusätzlich aufgenommen wurden, haben wir dem zugestimmt. Es ist also möglich - selbst bei einem so schwierigen Themenfeld - mit den Grünen zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.

tagesschau24: Glauben Sie, dieser lösungsorientierte Ansatz mit den Grünen lässt sich auf den Bund übertragen?

Günther: Wir sind dazu verdammt, nach diesen letzten dreieinhalb Jahren unter Beweis zu stellen, dass wir Demokraten in der Lage sind, diese Probleme zu lösen. Ich mache mir schon Sorgen, weil das Vertrauen in die Politik und die politischen Institutionen extrem gelitten hat. Das haben wir zuletzt bei den Landtagswahlen gespürt und das merken wir auch in den Umfragen.

Radikale Parteien gehen deutlich nach oben. Und auch Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht, von denen man gar nicht weiß, wofür sie in vielen Bereichen stehen, finden Widerhall. Deswegen muss es für uns demokratische Parteien klar sein, dass wir nicht in eine Situation wie in Österreich geraten. Wir müssen in den nächsten vier Jahren die Probleme schlicht und ergreifend in den Griff bekommen.

"Wirtschaft von bürokratischen Hürden entlasten"

tagesschau24: Hielten Sie es für richtig, wenn die CDU sich als "AfD light" inszenieren würde?

Günther: Nein, und ich glaube auch nicht, dass das irgendeiner möchte. Das wäre auch absolut falsch. Wir müssen konsequente Linien haben. Wir müssen die Themen ansprechen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Das Thema Migrationspolitik spielt da natürlich eine Rolle. Aber es ist beileibe nicht das einzige Thema.

Gerade was die wirtschaftliche Stärke angeht, haben wir in Deutschland eine ganze Menge zu tun, um wieder neues Vertrauen zu schaffen. Da müssen wir mit klaren Positionierungen als Union unterwegs sein.

tagesschau24: Der Vorlauf für diesen Wahlkampf ist extrem kurz. Können Sie mit Ihrem Programm von Opposition auf Verantwortung umschalten?

Günther: Es werden die Dinge angesprochen, die jetzt im Wahlkampf eine Bedeutung haben. Wir setzen die richtigen Signale, um die Wirtschaft wieder in eine positive Stimmung zu bringen. Man muss schon sagen, dass Deutschland ein starkes Land ist und wieder mehr Optimismus und Mut braucht. Da geben wir die richtigen Antworten, indem wir die Wirtschaft von bürokratischen Hürden entlasten.

Wir wollen nicht alles staatlich vorschreiben. Wir glauben daran, dass die Wirtschaft selbst ein Interesse am Erreichen von Klimazielen hat und dass man eher marktwirtschaftliche Instrumente nutzt. Darauf warten viele Menschen und Unternehmen. Deswegen glaube ich, dass wir die richtigen Themen hier ansprechen.

"Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse"

tagesschau24: Sind Sie auch bereit dazu, "gute" Schulden aufzunehmen, um die Infrastruktur zu stärken? Deren Zustand geht ja nicht nur auf Kosten der Ampel.

Günther: Wir haben schon Bedarf dafür. Das ist so. Wenn man mal ein Thema herausgreift, zum Beispiel die Ausrüstung der Bundeswehr. Da brauchen wir einfach eine andere Lösung. Wir müssen das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Eigentlich gehen alle davon aus, dass es mehr Geld braucht, was dauerhaft zur Verfügung gestellt wird. Damit wir in Europa und in Deutschland in der Lage sind, für unsere eigene Verteidigung zu sorgen - gerade nach den Umbrüchen jetzt in den USA. All das sind Dinge, die absolut notwendig sind und nicht davon abhängig sein können, wie die derzeitige Haushaltslage ist.

tagesschau24: Das heißt, es braucht eine Neugestaltung der Schuldenbremse?

Günther: In der Union bestreitet niemand, dass die Schuldenbremse notwendig und richtig ist. Es sind andere, die sie abschaffen wollen. Das hilft uns am Ende aber nicht weiter. Sondern wir brauchen in der Tat eine Reform.

Wir sehen das in den Bundesländern. Wir können uns im Prinzip gar nicht strukturell verschulden. Selbst dann nicht, wenn wir eine besondere Ausnahmesituation haben. Da brauchen wir in der Tat eine Veränderung. Wir müssen jetzt ständig Notlagen ausrufen, um überhaupt Schulden aufnehmen zu können. Ich glaube, gerade wenn man in einer Notlage war, braucht man einen Übergangspfad. Von daher sehe ich schon Änderungsbedarf. Und da gibt es auch in der Union eine Bereitschaft, darüber zu sprechen.

tagesschau24: Noch eine letzte Frage: Wären Sie grundsätzlich dazu bereit, in einer neuen Bundesregierung Verantwortung zu übernehmen?

Günther: Nein. Ich bin Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und bleibe das in jedem Fall auch bis 2027. Denn so lange bin ich von den Wählerinnen und Wählern und am Ende auch vom Landtag gewählt.

Das Gespräch führte Michail Paweletz, tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde das Gespräch angepasst.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 08. Januar 2025 um 14:00 Uhr.