Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Bundesverfassungsgericht Der Weg für die Bundestags-Sondersitzung ist frei

Stand: 14.03.2025 19:21 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Der Bundestag darf am Dienstag in alter Besetzung zusammenkommen. Denn die Wahlperiode werde erst durch den Zusammentritt des neuen Bundestages beendet, hieß es zur Begründung.

Von Egzona Hyseni und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Mit ihrer Entscheidung haben die Richterinnen und Richter in Karlsruhe den Weg frei gemacht für eine weitere Sondersitzung des alten Parlaments. In der kommenden Woche soll nach den Plänen von Union und SPD eine Grundgesetzänderung beschlossen werden - noch bevor der neu gewählte Bundestag zusammentreten wird.

Schon am Donnerstag war der alte Bundestag zu einer ersten Sondersitzung zusammengekommen. Mit Eilanträgen und Organklagen wollten unter anderem die kommende Linken-Fraktion, die AfD-Fraktion und mehrere neu gewählte Abgeordnete dieser Parteien die Sondersitzungen verhindern.

Anträge bleiben ohne Erfolg

Ohne Erfolg: Das Bundesverfassungsgericht lehnte diese Anträge als unbegründet ab. Die Wahlperiode werde erst durch den Zusammentritt des neuen Bundestages beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der alte Bundestag in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt. Er sei also nicht gehindert, zusammenzutreten, solange das neu gewählte Parlament noch nicht zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen ist. Dieser Termin ist erst für den 25. März bestimmt. Ein Zusammenkommen des alten Parlamentes verstößt danach nicht gegen das Grundgesetz.

Sperrminorität im künftigen Parlament

Nach den Plänen von Union und SPD soll der alte Bundestag noch die Weichen für das geplante Multi-Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz stellen: Denn um das zu ermöglichen, muss zunächst das Grundgesetz geändert werden. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig.

Die Chancen dafür werden im neu gewählten Bundestag nicht sonderlich gut stehen: Die Fraktionen der AfD und der Linkspartei werden dort zusammen nämlich mehr als ein Drittel der Sitze haben - also eine sogenannte Sperrminorität. Das heißt, sie könnten die geplanten Grundgesetzänderungen blockieren und würden das, basierend auf ihren bisherigen Aussagen, wohl auch tun.

Um diese Situation zu vermeiden, soll laut Union und SPD noch der alte Bundestag über das Finanzpaket abstimmen. Denn darin haben Union und SPD gemeinsam mit den Grünen die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Die Grünen werden wohl zustimmen, nachdem sie sich mit den künftigen Regierungsparteien geeinigt haben. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat deshalb den alten Bundestag für zwei Sondersitzungen einberufen: Die erste fand bereits am Donnerstag statt, die zweite soll am 18. März folgen.

Klagen gegen Bundestagspräsidentin Bas

Die meisten der Klagen und Eilanträge richteten sich gegen die noch amtierende Bundestagspräsidentin. Die Argumente: Mit der Einberufung der Sondersitzungen des alten Bundestages verletze Bas die Rechte der künftigen Abgeordneten und Fraktionen. Der alte Bundestag dürfe nach der Bundestagswahl nur in absoluten Notfällen noch einmal zusammentreten und Gesetze beschließen - so ein Notfall liege hier nicht vor.

Außerdem dürfe der alte Bundestag keine so weitreichenden Entscheidungen wie eine Grundgesetzänderung treffen. Denn dadurch würde das kommende Parlament zu sehr gebunden. Vielmehr müsste die Bundestagspräsidentin schon den neuen Bundestag einberufen, der ja quasi "in den Startlöchern" stehe.

Das Bundesverfassungsgericht sah das aber anders. Auch eine Pflicht zur Einberufung des neuen Parlaments bestehe laut Karlsruhe allenfalls dann, wenn dieses sich bereits auf einen Termin zum Zusammentritt verständigt habe. Dies ist zwar der Fall, aber der besagte Termin ist eben erst der 25. März, also nach den Sondersitzungen.

Karlsruhe segnet Verfahren ab

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein alter Bundestag auch nach der Wahl noch einmal zusammenkommt. Schon vier Mal ist das vorgekommen - etwa im Oktober 1998. Damals ging es, unter dem Vorsitz der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, um die deutsche Beteiligung am NATO-Einsatz im Kosovo-Konflikt. Vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatte gegen dieses Vorgehen aber noch niemand - bis jetzt.

Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts steht der kommenden Sondersitzung des Bundestags in der alten Besetzung nichts mehr im Wege. Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht rechtlich geklärt, was der alte Bundestag in der Übergangszeit machen darf.

Wichtig: Es ging bei der aktuellen juristischen Auseinandersetzung nicht um die inhaltliche Prüfung der geplanten Gesetzesvorhaben zu Infrastruktur, Verteidigung und Klimawandel. Ob das Finanzpaket selbst verfassungsrechtlich zulässig ist, hat das Gericht also nicht geprüft. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich nur auf das Verfahren, mit dem es umgesetzt werden soll. Dieses verstoße nicht gegen das Grundgesetz, so Karlsruhe.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 14. März 2025 um 20:00 Uhr.