Demos gegen Rechtsextremismus Kann eine neue Welle des Protests entstehen?
Vor einem Jahr gingen Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Am Wochenende sind nun wieder Proteste in mehreren Städten geplant. Wie werden sie aussehen? Und was ist danach möglich?
Sie haben klein angefangen. 2.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen hatten die Veranstalter zunächst angemeldet zum "Lichtermeer gegen den Rechtsruck". Die Kampagnenorganisation Campact, "Fridays for Future" und "Eltern gegen Rechts" organisieren die Demonstration. Mittlerweile haben sie nach oben korrigiert und erwarten 10.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Das Motto der Veranstaltung: "Wir stehen zusammen".
Mit der Wahl von Donald Trump in den USA habe man den Eindruck, die Grundfesten der Demokratie seien in Gefahr, sagt Christoph Bautz von Campact. Hinzu kämen die Situation in Österreich, wo mit Herbert Kickl ein Rechtsextremer demnächst Kanzler werden könnte, und die Rekordumfragewerte der AfD in Deutschland.
"Wir denken, dass die Antwort der Zivilgesellschaft in solch einer Zeit nicht Ohnmacht und Resignation sein kann. Den Gefallen tun wir den Rechtsextremen nicht. Wenn es um uns herum dunkel wird, schalten wir das Licht an", so Bautz.
Auch in Köln ist eine Demonstration angemeldet sowie in vielen anderen kleineren Städten in ganz Deutschland. Dass so viele Demonstrantinnen und Demonstranten auf die Straße gehen wie im vergangenen Jahr, glauben die Organisatoren aber nicht.
Hunderttausende gingen auf die Straßen
Rückblick: In der ersten Jahreshälfte 2024 demonstrierten Hunderttausende in Deutschland gegen Rechtsextremismus. Auslöser war eine Veröffentlichung des Medienhauses Correctiv zu einem Treffen von Rechtsextremen, AfD-Mitgliedern und Wirtschaftsvertretern in Potsdam. Bei diesem Treffen ging es auch darum, wie man Menschen mit Migrationshintergrund massenhaft aus Deutschland ausweisen könnte.
Die Empörung war groß, viele Menschen nahmen zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Demonstration teil. So wie Manuela aus München. "Es ist einfach unglaublich wichtig für alle unsere Kinder und Kindeskinder auch, dass auch sie in einer Demokratie und in Freiheit leben können", sagte sie damals in der tagesschau.
Für die Demonstration am 21. Januar 2024 wurden 25.000 Teilnehmer erwartet, am Ende waren es 100.000. Später musste die Veranstaltung wegen Überfüllung aufgelöst werden. Das passierte auch in anderen Städten. Gleichzeitig gab es in vielen kleineren Orten überall in Deutschland über mehrere Wochen Versammlungen und Proteste gegen Rechtsextremismus und für Demokratie.
Was kann auf die Proteste folgen?
Protestforscher Alexander Leistner von der Universität Leipzig sieht Parallelen zur Situation heute, auch wenn es noch zu früh sei, die Entwicklung der Demonstrationen zu antizipieren. "Ähnlich ist, dass es auch jetzt wieder sehr flächendeckend Demonstrationsaufrufe gibt. Wie sich das dann jeweils in Zahlen ausdrückt, wird man dann beobachten müssen. Aber gerade solche Demonstrationen wie am Wochenende in Berlin, wenn sie denn groß sind, die dann auch Bilder produzieren, können durchaus eine Ansteckungswirkung haben."
Protestbewegungen unterlägen immer wieder Wellen, sagt Christoph Bautz von Campact: "Bewegungen funktionieren in Zyklen und daher geht die Zahl der protestierenden Menschen auch irgendwann zurück." Doch das könne sich schnell wieder ändern. "Ich habe den Eindruck, im Moment entsteht wieder eine neue Dynamik. Vielleicht nicht in dem Umfang wie im letzten Jahr, aber da ist richtig Bewegung drin."
Protestforscher Leistner sieht für die Bewegung allerdings als Problem, dass nach den Massendemonstrationen im vergangenen Jahr politisch relativ wenig passiert sei. Zwar sei die Debatte um das AfD-Verbot in der Gesellschaft geführt worden. "Aber eigentlich haben viele Parteien die Themen der AfD selber aufgegriffen und stark gemacht, vor allem die Vorstellung, dass es migrationspolitisch einen Handlungsdruck gebe."
Initiativen spitzen Forderungen zu
Das sehen auch die Initiativen hinter der Demo am Samstag so. Sie haben deswegen ihre Forderungen politisch zugespitzt: Gegen rechtsextreme Strukturen vorgehen, die Macht der großen Tech-Unternehmen und Hass im digitalen Raum eindämmen, sozialen Zusammenhalt durch Investitionen fördern - darum müsse es jetzt gehen.
Aus Sicht der Organisatoren ist es im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima vier Wochen vor der Bundestagswahl wichtig, auf die Straße zu gehen. "Die Antidemokraten gewinnen ja nicht ohne die Gleichgültigkeit der Demokraten", so Mitorganisatorin Luisa Neubauer von "Fridays for Future". "Die kommen immer dann weit, wenn sich niemand in den Weg stellt."