
Afghanistan-Aufnahmeprogramm "Es gibt keinen Grund für Empörung"
Erneut ist ein Flieger mit gefährdeten Frauen, Männern und Kindern aus Afghanistan angekommen. Weitere sollen folgen. Die Union ist dagegen. Auf Sicherheitschecks und Zusagen verweist hingegen die Regierung.
Der Ton in der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan ist laut und scharf. Sachsens Innenminister Armin Schuster von der CDU polterte bereits vor Tagen, es sei "infam und vollkommen verbohrt", dass Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen quasi in letzter Sekunde vor ihrem Abtritt so weitreichende Aktionen durchführe.
Ganz ähnlich äußerte sich wenig später auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. "Wenn wir uns jetzt anschauen, dass in den letzten Tagen der Amtszeit der Außenministerin ständig Flüge kommen mit afghanischen Menschen, obwohl ganz klar ist, dass die neue Bundesregierung eine andere Haltung, dass die Menschen in Deutschland eine andere Haltung haben", dann illustriere das, "wie man sich über die eigentliche Meinung in einem Land erhöht und nur die eigene Sichtweise als die richtige gelten", so der CDU-Politiker im ZDF.
Haßelmann: "Wir haben eine humanitäre Verantwortung"
Die Co-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, weist die Darstellungen aus der CDU zurück. "Es gibt keinen Grund für Empörung an dieser Stelle. Denn wir haben eine humanitäre Verantwortung."
In Afghanistan herrsche mit den Taliban jetzt ein brutales Terrorregime, sagt die Grünen-Politikerin. Gerade Frauen, Kinder, aber auch Regimekritikerinnen und Menschenrechtlerinnen seien gefährdet. "Und wir haben eine rechtlich verbindliche Zusage gegeben für diese Aufnahme und deshalb ist es auch richtig und notwendig, sie durchzuführen."
Aufnahme als Reaktion auf Taliban-Machtübernahme
Nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban im Sommer 2021 hatte Deutschland ein Bundesaufnahmeprogramm gestartet, um besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Bis zu maximal 1.000 Menschen sollten pro Monat kommen. Tatsächlich waren es bislang deutlich weniger; laut Angaben des Auswärtigen Amts insgesamt rund 1.400.
Wobei im Rahmen weiterer Aufnahmeprogramme - etwa für die sogenannten Ortskräfte - in den vergangenen Jahren deutlich mehr Menschen aus dem Land kamen. Hinzu kommt: In Deutschland stellten allein im vergangenen Jahr rund 35.000 Menschen aus Afghanistan einen Asylantrag.
Doch - und darum dreht sich die aktuelle Debatte - Stand jetzt haben noch rund 2.600 Afghaninnen und Afghanen eine Zusage für eine Aufnahme; sie warten in Pakistan auf eine Ausreise nach Deutschland. Zuletzt landete nach Angaben des Bundesinnenministeriums ein Flugzeug aus Islamabad mit 138 Menschen an Bord am Flughafen Leipzig/Halle.
Auswärtiges Amt verweist auf Verbindlichkeit der Zusagen
Auf die Kritik von CDU und CSU angesprochen, ordnet der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christian Wagner, die Aufnahmen ein: "Das ist hier ja jetzt keine Ad-Hoc-Aktion, sondern dieses Bundesaufnahmeprogramm gibt es schon seit einer ganzen Zeit", sagt Wagner. "Das funktioniert nach klaren Kriterien in enger Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. Diese Menschen sind auf Herz und Nieren geprüft und haben eine verbindliche Aufnahmezusage." Insofern, so der Sprecher des Auswärtigen Amts, "kann ich nicht so richtig verstehen, was da gesagt wird."
Zugleich betont aber auch Wagner, "dass über die Zukunft der Aufnahmeprogramme natürlich die neue Bundesregierung befindet, aber jetzt im Moment prioritär noch die Fälle abgearbeitet werden, wo es eine Aufnahmezusage gibt."
Für den 23. und 29. April sind laut dem sächsischen Innenministerium weitere Flüge nach Deutschland mit Afghaninnen und Afghanen geplant. Die Debatte über das Für und Wider dürfte also weitergehen.