Debatte über Migrationspolitik Merz sucht Einigung mit SPD, Grünen und FDP
Die Union will kommende Woche Anträge zu Änderungen in der Migrationspolitik in den Bundestag einbringen. Diese schickt sie SPD, FDP und Grünen vorab - nicht aber der AfD. Die Kritik an Merz reißt dennoch nicht ab.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz sucht bei seinen Plänen zur Verschärfung der Migrationspolitik eine Einigung mit SPD, Grünen und FDP. Die Union werde heute die Bundestagsanträge fertigstellen und vorab nur diesen drei Parteien zur Verfügung stellen, sagte er der Regionalzeitung Heilbronner Stimme.
"Die AfD bekommt sie nicht", sagte Merz. Er verhandle nicht mit der AfD - auch nicht mit dem BSW und anderen. "Es bekommen die ehemaligen Ampel-Fraktionen die Texte von uns mit der ausdrücklichen Bitte, darüber über das Wochenende zu sprechen und den Versuch zu unternehmen, in der nächsten Woche hier eine gemeinsame Entscheidung zu treffen."
Der CDU-Politiker warnte vor einer weiteren Polarisierung, wenn die demokratischen Parteien die Probleme in Deutschland nicht in den Griff bekämen. "Ich möchte nicht, dass unser Land abdriftet in den Linkspopulismus oder in den Rechtspopulismus", sagte der Kanzlerkandidat.
"Die Parteien der Mitte müssen Verantwortung übernehmen"
Merz hatte nach dem Messerangriff von Aschaffenburg bereits angekündigt, kommende Woche in Anträge zur Migration in den Bundestag einzubringen. "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt", hatte der Unionsfraktionschef betont. SPD und Grüne zweifeln an Merz' Verlässlichkeit, die Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten.
Der Bild-Zeitung sagte Merz: "Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Darauf können sich alle verlassen." Er könne sich nicht vorstellen, dass SPD, Grüne und FDP jetzt nichts unternehmen wollten, um die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern. "Die Parteien der Mitte müssen Verantwortung übernehmen. Das ist das beste Mittel gegen die politischen Extreme rechts und links. Es muss jetzt etwas passieren."
Union betont: Keine Zusammenarbeit mit der AfD
Die Union wies Vorwürfe von SPD und Grünen strikt zurück, dass Merz mit seinem Vorgehen in der Migrationspolitik die Brandmauer zur AfD einreiße. "Das ist keine Zusammenarbeit", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, im Deutschlandfunk. Es gebe keinerlei inhaltliche Gespräche mit der AfD. "Die AfD ist eine gesichert in Teilen antisemitische und rechtsradikale Partei und deshalb gibt es für uns da keine Zusammenarbeit. Das gilt vor der Wahl, und das gilt nach der Wahl."
Unterstützung für Merz kommt auch aus Sachsen-Anhalt. Der dortige CDU-Landeschef, Sven Schulze, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), es sei richtig, dass "die Union eigene Anträge zur Migration und Flüchtlingspolitik einbringt". Wer dann "zustimmt oder ablehnt, das liegt nicht in unserer Hand". "Natürlich wollen wir für eine möglichst breite Unterstützung in der demokratischen Mitte werben", führte Schulze aus. Doch "wir können uns nicht davon abhängig machen, ob die AfD zustimmt".
Scholz hält Merz' Vorschläge für nicht verfassungskonform
Heftige Kritik kommt dagegen aus den Reihen der SPD und von den Grünen. Bundeskanzler Scholz erklärte, er habe Merz seine Brandmauer-Beteuerungen stets geglaubt. Nun frage er sich aber: "Was soll ich glauben?" Das sei eine Frage, die sich jeder Bürger nun stellen müsse. Zudem verstoßen die von Merz vorgeschlagenen Asylrechtsverschärfungen gegen die Verfassung. Scholz sagte, das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Asyl sei eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur. Man dürfe dieses Grundrecht nicht einfach infrage stellen und sagen: "Ich verschicke einen Brief, haltet euch nicht an die Verfassung", sagte Scholz auf einer Wahlkampfveranstaltung der SPD. "Das geht nicht."
Der CDU-Chef verlasse "den Pfad der Verantwortung im Kampf gegen den Rechtsextremismus, der alle demokratischen Parteien einen sollte", sagte auch SPD-Ko-Chefin Saskia Esken bei Zeit Online. Es wäre "das Ende der Brandmauer gegen die Feinde unserer Demokratie".
Und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erklärte in der Augsburger Allgemeinen: "Das ist mehr als ein Spiel mit dem Feuer, was Herr Merz da treibt."
Offenbar auch Union-interne Kritik
Die Co-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, lehnt eine Zustimmung ihrer Partei zu den Unions-Vorschlägen ab. "Friedrich Merz weiß genau, dass seine Forderungen mit Europarecht und auch mit dem geltenden Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren sind", sagte sie dem RND. Auch inhaltlich erweckten sie "erhebliche Zweifel daran, wie standhaft die Brandmauer der Union zur AfD tatsächlich ist".
Nach Informationen von Zeit Online ist Merz' Vorstoß auch parteiintern nicht unumstritten. Das Portal zitierte nicht namentlich genannte interne Kritiker: Es sei taktisch unklug gewesen, die Brandmauerdebatte vor der Wahl loszutreten.
AfD bietet Zusammenarbeit an
AfD-Chefin Alice Weidel hatte Merz auf der Plattform X eine Zusammenarbeit bei der Migrationsfrage angeboten. "Die kommende Sitzungswoche im Deutschen Bundestag bietet dafür eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt verstreichen darf", schrieb sie. Der von Merz am Donnerstag angekündigte migrationspolitische Kurswechsel sei ein gutes Zeichen. "Die Brandmauer ist gefallen", schrieb die Kanzlerkandidatin der AfD.
Mit FDP, AfD und BSW hätte die Union eine Mehrheit
Um im aktuellen Bundestag auf eine Mehrheit zu kommen, wäre die Union auf die Zustimmung mehrerer Parteien angewiesen - allein die Zustimmung der in Teilen rechtsextremen AfD würde nicht reichen. Würden allerdings zusätzlich auch die Abgeordneten von FDP und BSW für die Anträge der Union stimmen, käme eine Mehrheit zustande.
Das BSW ist grundsätzlich migrationskritisch, und auch aus der FDP kamen Signale der Zustimmung für Merz' Vorschläge. Eine neue Migrationspolitik sei "die Bedingung für jede Regierungsbeteiligung", sagte FDP-Chef Christian Lindner.