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Sondierungen von Union und SPD Knackpunkte, Kabinett - der Weg zur Koalition

Stand: 28.02.2025 15:27 Uhr

Miteinander reden, verbal abrüsten, einen Zeitplan abstecken: Keine Woche nach der Bundestagswahl loten Union und SPD Chancen für eine gemeinsame Regierung aus. Knackpunkte, Kabinettskandidaten - wie ist der Weg zur Koalition?

Die Ausgangslage

Die Union hat die Bundestagswahl gewonnen, aber nicht mit einem glanzvollen Ergebnis. Die SPD erlebte ein Debakel und verdaut noch ihre historische Niederlage. Hinter beiden potenziellen Koalitionspartnern liegt ein scharfer Wahlkampf. Die Vorzeichen für eine Regierungsbildung sind also nicht einfach, zumal auch der Einigungsdruck angesichts der Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag hoch ist. Auch wenn die SPD betont, dass es keinen Automatismus einer Regierungsbeteiligung gebe. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz will möglichst bis Ostern eine neue Regierung bilden.

Wer ist dabei?

Union und SPD schicken jeweils neunköpfige Teams in die Sondierungsgespräche. Für die Union sitzen neben CDU-Chef Merz der CSU-Vorsitzende Markus Söder sowie die Generalsekretäre Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU) am Tisch. Hinzu kommen Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien und CSU-Vize Dorothee Bär.

Für die SPD sondieren die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken, außerdem Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil. Ebenfalls im Verhandlungsteam: Generalsekretär Matthias Miersch, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die beiden Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Anke Rehlinger sowie der Chef der NRW-SPD, Haushaltsexperte Achim Post.

Bei den eigentlichen Verhandlungen dürften dann - anders als 2017 bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen zwischen Union, Grünen und FDP - die schwierigsten Themen erst in möglichst kleinen Runden zur Sprache kommen. Zur Erarbeitung der Sachthemen soll es auch kleine Arbeitsgruppen geben.

Was brachte das Treffen heute?

Bei dem ersten Treffen sollte es vor allem darum gehen, grobe Linien und einen Zeitplan für das weitere Vorgehen abzustecken. So war es dann offenbar auch: "Die Sondierungsgespräche haben in einer offenen und konstruktiven Atmosphäre begonnen", teilten die drei Generalsekretäre von CDU, CSU und SPD, Linnemann, Huber und Miersch nach den Beratungen mit. Bundesfinanzminister Jörg Kukies habe der Runde einen Überblick über die Haushaltslage gegeben.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wollte man heute auch atmosphärische Unstimmigkeiten aus dem Wahlkampf und den Tagen nach der Wahl bereinigen. Die Union und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatten bei der SPD zuletzt aus mehreren Gründen für Empörung gesorgt. Richtig starten sollen die Sondierungen dann erst nach der Hamburg-Wahl und nach Aschermittwoch nächste Woche.

Wo sind Knackpunkte?

Union und SPD liegen bei einer ganzen Reihe von Themen weit auseinander. Es beginnt beim Geld und endet beim Wahlrecht. Eine Auswahl:

Schuldenbremse oder Sondervermögen: Intensiv diskutiert wird in Union und SPD über eine Lockerung der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr. Beides könnte nur über eine Grundgesetzänderung erfolgen, dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig. Im scheidenden Bundestag wäre das mit CDU/CSU, SPD und Grünen möglich. Im neuen Parlament ginge das aber nicht ohne die Linkspartei, die grundsätzlich gegen mehr Aufrüstung ist. CDU-Chef Merz hat seinerseits diese Woche eine Lockerung der Schuldenbremse noch im alten Bundestag bereits ausgeschlossen

Steuern: CDU/CSU wollen die Unternehmensteuern in mehreren Schritten auf maximal 25 Prozent senken, die SPD will Firmen hingegen durch Abschreibungen bei Investitionen unterstützen. Bei der Einkommensteuer strebt die Union eine Abflachung des Tarifs an und will die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz deutlich erhöhen. Außerdem soll der Soli komplett gestrichen werden. Die SPD will ihrerseits die Einkommensteuer für 95 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler senken, Top-Verdiener sollen jedoch einen höheren Beitrag leisten.

Mindestlohn: Die Union will den Mindestlohn von derzeit 12,82 Euro pro Stunde nicht über eine politische Entscheidung anheben. Die Lohnuntergrenze soll weiterhin die unabhängige Mindestlohnkommission regelmäßig anpassen, die sich aus den Sozialpartnern zusammensetzt. Die SPD fordert hingegen eine Anhebung auf 15 Euro spätestens ab 2026. In der SPD-geführten Ampelkoalition war der Mindestlohn schon einmal durch einen politischen Beschluss auf zwölf Euro erhöht worden.

Bürgergeld: CDU-Chef Merz will "Totalverweigerern", die eine Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur ablehnen, die Bezüge komplett streichen. Dafür nimmt Merz auch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in Kauf. Den Begriff Bürgergeld will er abschaffen und durch "neue Grundsicherung" ersetzen. Die SPD hält hingegen prinzipiell am Bürgergeld fest. Sie will aber deutlich stärker auf die richtigen Arbeitsanreize, auf mehr Beratung und auf Kontrollen setzen, ob Arbeitsangebote auch wahrgenommen werden. 

Migration: CDU/CSU fordern eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik. Dazu gehören auch ausnahmslose Zurückweisungen von Geflüchteten an den Landesgrenzen - auch von Asylsuchenden. Die SPD hält dies weiter weder mit dem Grundgesetz vereinbar noch mit EU-Recht. Zudem will die Union den Familiennachzug aussetzen für subsidiär Schutzberechtigte, die kein Asyl bekommen haben, aber aus anderen Gründen vorerst blieben können. Die Sozialdemokraten wollen dies weiter ermöglichen.

Wahlrechtsreform: Die Union will das von der Ampel-Regierung reformierte Wahlrecht wieder ändern. Grund ist, dass bei der Wahl am Sonntag 18 ihrer Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag kamen. Denn dies hängt aktuell davon ab, ob auf Landesebene die Direktmandate auch durch den Zweitstimmenanteil der Parteien gedeckt sind.

Was soll dabei herauskommen?

Die geltenden Gesetze machen keine Vorgaben dazu, wie eine Koalitionsregierung ihre Vereinbarungen aushandelt und festhält. Üblich war bislang der Abschluss eines Koalitionsvertrags, der alle Vorhaben festhält - zuletzt geschah dies bei der Ampelkoalition in großer Detailfülle auf mehr als 140 Seiten. Der Ampel-Vertrag erwies sich aber schnell als überholt. Deshalb hat CDU-Generalsekretär Linnemann nun ein anderes Verfahren ins Spiel gebracht: Union und SPD sollen in einer schmalen Vereinbarung von 20 bis 30 Seiten zunächst zehn Projekte für das erste Jahr vereinbaren - und danach dann je nach Lage der Dinge weitere Ziele ins Auge nehmen. Ob die SPD da mitmacht, ist offen.

Geht es auch um Posten?

Wer im künftigen Kabinett von einem Kanzler Merz sitzt, dürfte erst ganz zum Schluss der Gespräche verhandelt werden. Aber natürlich bringen sich jetzt schon Kandidaten in Stellung und Namen kursieren. Merz möchte erklärtermaßen die Schlüsselressorts Wirtschaft und Inneres mit Vertrauten besetzen. Namen wie Jens Spahn, Carsten Linnemann und Thorsten Frei werden in diesem Zusammenhang genannt. Frei wird auch als möglicher Kanzleramtsminister genannt.

Die CSU möchte Alexander Dobrindt im Kabinett sehen, das Landwirtschaftsministerium könnte Bauernpräsident Günther Felßner übernehmen. Weitere Unions-Namen, die kursieren: Julia Klöckner oder Karin Prien für die Bildung, Haushaltsexperte Mathias Middelberg als Finanzminister, Johann Wadephul für die Verteidigung, falls SPD-Mann Boris Pistorius seinen Posten räumen muss.

Pistorius würde zwar gern weitermachen, aber auch Partei- und Fraktionschef Klingbeil wird für das Verteidigungsressort gehandelt, Nancy Faeser und Hubertus Heil könnten ihre Jobs behalten - oder auch nicht. Alles reine Spekulation bislang.

Wer hat am Schluss das letzte Wort?

Bei CDU und CSU dürfte es schnell gehen: Über den Koalitionsvertrag entscheidet bei der CDU der Bundesausschuss, dem die Parteiführung sowie Delegierte aus den Landesverbänden angehören. Der Ausschuss hat rund 160 Mitglieder und ist das zweithöchste Beschlussorgan nach dem Bundesparteitag. Bei der CSU entscheiden in der Regel Vorstand und Landesgruppe über einen Koalitionsvertrag.

Die SPD will sich für den Koalitionsvertrag die Zustimmung der Basis geben lassen, per Mitgliederbefragung - so hatte sie es bereits 2017 bei der Bildung der schwarz-roten Koalition gemacht. Das Verfahren dauerte damals zwei Wochen.

Eine GroKo? Eher nicht

Große Koalition nannte man es früher, wenn Union und SPD zusammen regierten. Groß ist an diesem Bündnis aber kaum noch etwas. Zwar stellen CDU und CSU im neuen Bundestag wieder die größte Fraktion, für die SPD gilt das aber nicht mehr. Die AfD ist künftig mit deutlich mehr Abgeordneten vertreten. In Zahlen: CDU/CSU: 208, AfD: 152, SPD: 120.

Sollten also Union und SPD zusammenfinden, dann wird Deutschland von einer schwarz-roten Koalition regiert. Im Bundestag hätte das Bündnis eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Erste Bewährungsprobe wäre die Kanzlerwahl. In der Fraktion dürfte eine Reihe von Abgeordneten mit der Aussicht hadern, nach dem Wahldebakel als Juniorpartner in eine schwarz-rote Koalition zu gehen. Das spiegelt sich auch im mäßigen Ergebnis für Klingbeil bei seiner Wahl zum neuen Fraktionschef.

Quelle: AFP, dpa, Reuters

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. Februar 2025 um 14:00 Uhr.