Fallschirmspringerin im freien Fall über Landschaft

Sachsen Himmelfahrt: Wie eine Dresdner Jüdin im Fallschirmspringen zu sich selbst findet

Stand: 29.05.2025 06:01 Uhr

Himmelfahrt steht für eine Wandlung und die spirituelle Entwicklung der Persönlichkeit. Eine jüdische Frau aus Dresden hat im Himmel ein Glück gefunden, das sie lange vermisste - beim Fallschirmspringen.

Von MDR SACHSEN

Der Himmel ist für Hannah Kruse aus Dresden nicht weit weg. Seine Höhen ziehen sie fast jedes Wochenende an: "Hinauszuspringen, dort diese 60, 65 Sekunden freien Fall zu erleben. Da habe ich schon immer eine Sehnsucht danach." Auch das ist Shabbat für Hannah Kruse. Als Jüdin feiert sie den biblischen Ruhetag oft in ihrem Wohnwagen auf dem Flugplatz von Roitzschjora bei Bad Düben - und betet dort.

Zwischen Himmel und Erde: Leidenschaftliche Fallschirmspringerin aus Dresden

Am Morgen heißt es: Fertigmachen für die Fahrt in den Himmel. Seit 2001 springt sie Fallschirm und hat noch immer Respekt: "Man begibt sich ja in eine potentiell gefährliche Situation. Aber es überwiegt die Freude." Beim Fallschirmspringen ist Sicherheit oberstes Gebot: Beim Packen des Schirms, bei den Startvorbereitungen, beim Flug. Und dann heißt es: Loslassen. Hannah Kruse denkt dann auch an Gott. "Manchmal ist so ein Gebet auch auf Deutsch, wo ich dann sag: 'Ha Schem, nimm mich mit auf diesen Sprung', manchmal lade ich auch ihn ein."

Mehrere Menschen mit Fallschirmgepäck und Helm in Kleinflugzeug

Für Hannah Kruse ist Sicherheit beim Springen sehr wichtig.

Fallschirmspringen gibt Gefühl des Getragenwerdens

Und dann geht es raus aus dem Flugzeug in den freien Fall, in 4.000 Meter Höhe. Als Physik- und Astronomie-Lehrerin an einem Dresdner Gymnasium und nach über 3.000 Sprüngen kennt Hannah Kruse die Gesetze, die da wirken – aber da ist noch mehr zu spüren: "Man liegt auf einem ganz weichen Kissen. Die Erde wird auf einmal so groß, es wird alles so weit, so frei, alle Alltagslast fällt von einem ab." In solchen Momenten fühle sie sich Gott oder auch dem Sinn der Schöpfung näher. Wenn sich dann der Schirm öffnet und sie trägt, ist das für Hannah Kruse ein Gefühl, das sie lange nicht hatte in ihrem Leben - und zweifelte, warum Gott dies zugelassen hat.

Frau sitzt auf einer Wiese und schaut in den Himmel

Hannah Kruse ist mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen und musste lange unter den Folgen leiden.

Man liegt auf einem ganz weichen Kissen. Die Erde wird auf einmal so groß, es wird alles so weit, so frei, alle Alltagslast fällt von einem ab. Hannah Kruse | Jüdische Dresdnerin, die beim Fallschirmspringen zu sich selbst findet

Im falschen Körper geboren

"Ich bin auf die Welt gekommen nicht ganz so, wie es der starre Bauplan mancher Mediziner und mancher Menschen vorsieht. Und da ist, als ich Baby war, an mir herumoperiert worden, und man hat dann eine Entscheidung getroffen, die nicht dem entsprach, was ich bin – und so musste ich leben." Als Junge wurde sie deshalb verspottet und war von Gewalt betroffen. Als Mann lebte sie im falschen Leben.

Fallschirmleinen mit zwei Händen

Wenn sich der Fallschirm öffnet, fühlt sich Hannah Kruse getragen und dem Sinn der Schöpfung näher.

Was Hannah Kruse auffing, war der Gott ihrer jüdischen Urgroßmutter, das Getragenwerden beim Springen und eine Hoffung über den Tod hinaus. "Ich glaube nicht an so einen religiösen Himmel, aber ich glaube schon an etwas, was danach kommen wird."

MDR (Andreas Roth,kbe)