
Sachsen Warum sich die Arbeitsbedingungen am Theater ändern müssen
In der Kulturhauptstadt Chemnitz findet von Donnerstag bis Samstag die Jahrestagung des Deutschen Bühnenvereins statt. Dabei treffen sich Intendanten von Theatern und Orchestern aus ganz Deutschland. In Sachsen beunruhigt vor allem die Mindestgage und Umsetzung von Arbeitszeitgesetzen kleine Theater. Im Interview verteidigt der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD), den neuen Tarifvertrag und fordert, Spielräume für mehr kulturelle Angebote zu schaffen.
MDR KULTUR: Bei der Sächsischen Landesgruppe des Bühnenvereins ist ein großes Thema die erhöhte Mindestgage. Das hätte enorme Auswirkungen für die kleinen Theater im ländlichen Raum, hieß es. Denn man brauche jetzt Geld, das eigentlich nicht da sei. Was können diese Theater jetzt tun? Und was kann der Deutsche Bühnenverein für sie tun?
Carsten Brosda: Die Lösung kann aus unserer Sicht nicht sein, dass wir sagen: Wir bezahlen die Beschäftigten, die wir an den Häusern haben, schlecht oder schlechter. Wir reden ja hier durchaus über Gehälter, die am unteren Rand des Niveaus liegen. Sondern wir müssen uns darum kümmern, dass eine öffentliche Kulturfinanzierung so funktioniert, dass man auch ordentliche Arbeitsbedingungen sicherstellen kann.

Der Deutsche Bühnenverein tagt vom 5. bis 7. Juni 2025 im Opernhaus und im Spinnbau der Theater Chemnitz.
Und diese Mindestgagen-Entwicklung ist in den letzten Jahren in einem sehr intensiven Ringen mit den Gewerkschaften, die sich da durchaus noch ganz andere Summen vorstellen konnten und wollten, ausgehandelt worden. Und wir müssen jetzt mit den Rechtsträgerinnen und Rechtsträgern und denen, die Verantwortung für die Theater tragen, dafür sorgen, dass die Mittel auch in den Häusern ankommen und dass die Arbeitsbedingungen ausfinanziert sind.
Hat der Bühnenverein da ausreichend Lobby?
Der Bühnenverein ist sozusagen ein Stück weit eine ganz bemerkenswerte Lobby, weil darin sowohl die Kulturverwaltung, die Kulturpolitik, als auch die Häuser und damit die künstlerisch und betriebswirtschaftlich Verantwortlichen gemeinsam sitzen. Es geht darum, gemeinsam dafür zu sorgen, dass unsere Gesellschaft auch die Entscheidung trifft, Kultur- und Kunstinvestitionen wichtig zu finden.

Manche Theater befürchten, dass die Bühne am Wochenende leer bleiben muss – wegen Arbeitszeitvorgaben und Fachkräftemangel. Im Bild der Spinnbau der Theater Chemnitz.
Und ich glaube, da haben wir alle miteinander noch Arbeit zu leisten, weil man momentan so ein bisschen das Gefühl hat, es geht jetzt nur noch darum, die Wirtschaft anzukurbeln. Es geht darum, Infrastrukturinvestitionen zu tätigen, und der Rest kommt dann, wenn irgendwie noch Geld übrig ist. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir das so handhaben, wird unsere Gesellschaft ärmer.
Der Tarifvertrag soll auch für geregeltere Arbeitszeiten sorgen, das heißt auch mal freie Tage nach einer Premiere. Aber das ist für die Theater in der Praxis gar nicht so leicht umzusetzen und kann bedeuten, dass man dann weniger spielen kann. Deshalb wollen manche Theater aus dem Tarifvertrag aussteigen und wieder eigene Haustarife. Wie kann man das lösen?
Ich warne davor, das so zu sehen, weil es schon eine große Errungenschaft ist, dass wir eine gemeinsame tarifliche Struktur für die Theater im künstlerischen Bereich haben. Wir haben eine Zeit, in der der Fachkräftemangel schon eine Rolle spielt. Und wenn wir gute Leute haben wollen, kann ich nicht darauf setzen, dass die schon alles mitmachen, was ich brauche, damit ich es betrieblich einfacher habe. Sondern wir müssen gemeinsam gucken. Das ist ein Austarieren.
Wenn wir gute Leute haben wollen, kann ich nicht darauf setzen, dass die schon alles mitmachen, was ich brauche, damit ich es betrieblich einfacher habe. Carsten Brosda (SPD) | Präsident Deutscher Bühnenverein
Im Herbst jähren sich 35 Jahre deutsche Einheit. Damals wurde im Einheitsvertrag festgeschrieben, dass die kulturelle Substanz in den Beitrittsländern erhalten bleiben soll. Jetzt kommt natürlich die Frage auf: Kann man so eine Festlegung nach 35 Jahren evaluieren?
Die Frage, was passiert konkret in den Häusern, ist eine, die vor allen Dingen in den Kommunen und ein Stück weit in den Ländern getroffen wird. Sachsen hat mit entsprechender Gesetzgebung auf Landesebene Vorkehrungen getroffen, Thüringen hat einen Theaterfinanzierungsvertrag gemacht, Sachsen-Anhalt geht wieder einen anderen Weg. Und wir erleben quasi überall in den Regionen unterschiedliche Strategien, aber vor allen Dingen überall ein Sich-Bemühen darum, dass kulturelle Infrastruktur erhalten bleibt, weil ich fest davon ausgehe, dass wir nicht ein Überangebot an Kultur in diesem Land haben.
Aus meiner Sicht brauchen wir mehr kulturelle Angebote, weil es in diesen kulturellen Angeboten doch immer darum geht, sich selber zu vergewissern, was wir als Menschen eigentlich kreativ schaffen können und wie wir auch Alternativen zum Status quo denken und spielen können. Und insofern glaube ich, dass sich auch die Investitionen in Kultur- und Kunstangebote lohnen, weil sie eine Gesellschaft insgesamt offener und vielfältiger machen – und nicht nur Theater an sich als Institution.
Aus meiner Sicht brauchen wir mehr kulturelle Angebote. Carsten Brosda (SPD) | Präsident Deutscher Bühnenverein
Das Interview führte Karoline Knappe für MDR KULTUR. Redaktionelle Bearbeitung: sg