Ein blauer Skoda Enyaq E-SUV mit einem eingesteckten Ladestecker und gelben Ladekabel, parkt zum Aufladen an einer Ladesaeule auf einem E-Parkplatz.
hintergrund

Zukunftsfragen für die Industrie Wohin steuert Deutschland bei Mobilität und Strom?

Stand: 16.03.2025 15:17 Uhr

Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie in den nächsten Jahren die Energieversorgung und die Mobilität gestaltet werden sollen. Es sind wichtige Entscheidungen: Elektro- oder Verbrenner-Autos? Atomstrom oder Erneuerbare Energien?

Von Michael Houben, hr

In Deutschland wurde er erfunden, in Deutschland wurde er perfektioniert: der Verbrenner. Doch schon bald könnte die Erfolgsgeschichte ein Ende haben. Denn ab 2035 dürfen in der EU keine neuen mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Pkw mehr zugelassen werden. Eine Ausnahme von diesem Verbot soll es für E-Fuels geben - mit denen dürften die Verbrenner weiterhin fahren.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hält von dem Verbot wenig: "Wir wollen keine Verbotsdebatte, sondern wir wollen eine Debatte darüber, wie man die Ziele erreichen kann", sagt Simon Schütz vom VDA im Gespräch mit plusminus und meint damit die Klimaziele. Dabei betont er auch: "Es wird Gebiete auf dieser Welt geben, wo man den Verbrenner noch länger fährt."

75 Prozent der deutschen Autos werden exportiert

Das impliziert auch: Solange im Rest der Welt noch mit fossilen Brennstoffen gefahren wird, sollten deutsche Hersteller damit Geld verdienen dürfen. Schließlich werden rund 75 Prozent aller in Deutschland gebauten Autos exportiert - unter anderem nach China. Bisher machten die Deutschen mit ihren luxuriösen und margenträchtigen Verbrennern dort gute Geschäfte. Nun laufen die Geschäfte für deutsche Autobauer in Asien deutlich schlechter - ein Verbrennerverbot im Reich der Mitte ist dafür aber nicht der Grund.

Stattdessen erobern chinesische Hersteller den Markt - laut VDA liegt das aber vor allem an hohen Subventionen. "Und die Unternehmen dort starten als E-Auto-Hersteller, während unsere Unternehmen den Wandel stemmen von Verbrennungsfahrzeugen zu E-Autos", so Simon Schütz.

Bei deutschen Autobauern würden die Gewinne aus den Verbrennermodellen diese Transformation finanzieren - die Verbrenner verdienen also das Geld, um E-Autos zu bauen. Das dürfe Politik nicht abwürgen, so Schütz. Außerdem seien klimaneutrale Kraftstoffe eine Chance für den Verbrenner. Nach heutigem Stand sind die extrem teuer, sagt auch der VDA-Vertreter. Trotzdem fragt er: "Wieso soll man diese Chance denn nicht nutzen, wieso soll man nicht den Markt entscheiden lassen?"

Verbrennerverbot in Äthiopien

Bisher sind die Deutschen bei Kauf von E-Autos zurückhaltend: 2024 waren laut europäischem Branchenverband ACEA 13,4 Prozent aller neu zugelassenen Autos sind hierzulande rein elektrisch. Andere Länder sind da weiter: In Österreich und Frankreich waren es im vergangenen Jahr rund 17 Prozent, in den Niederlanden 34,7 Prozent und in Norwegen sogar 88,9 Prozent. Diesel und Verbrenner machten dort nur noch rund drei Prozent der Neuzulassungen aus.

Und nicht nur in wohlhabenden Ländern vollzieht sich in der Mobilität gerade ein Wandel: Selbst ein armes Land wie Äthiopien hat schon vor einem Jahr die Einfuhr von Verbrennern verboten. In dem ostafrikanischen Land dürfen nur E-Mobile neu zugelassen werden, mit der Begründung, dass im eigenen Land erzeugter Ökostrom viel billiger sei als teure Ölimporte.

Forderung: Infrastruktur ausbauen

Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die ein Verbrennerverbot unterstützen. Etwa Petra Schäfer, Professorin an der Fachhochschule Frankfurt, die schon angesichts der Industriegeschichte für das Verbot ist: "Vor 150 Jahren waren die deutschen Unternehmen bei der Umstellung auf die Gaslaternen ganz vorne mit dabei. Dann wurde umgestellt auf elektrisches Licht und wieder waren die deutschen Unternehmen vorne mit dabei", sagt sie und betont: "Hier zählt Schnelligkeit."

Kein Land habe das elektrische Licht schneller eingeführt als Deutschland. So wurden deutsche Firmen wie Siemens und AEG Weltmarktführer. Doch heute zögert Deutschland, während andere vorangehen. Etwa China, wo bereits mehr als 50 Prozent aller Neuwagen E-Autos sind, während die Entwicklung in Deutschland zu langsam sei. Petra Schäfer betont, dass die Politik die richtigen Weichen stellen müsse, um wieder Schnelligkeit zu fördern.

"Dazu gehört in erster Linie der Ausbau der Infrastruktur", sagt sie im Gespräch mit plusminus. "Egal, ob ich ein Haus habe mit privatem Stellplatz oder in der Mietwohnung wohne - es muss möglich sein, dass ich mir ein Elektroauto kaufen kann." Und in dem Punkt sind sich Befürworter und Gegner des Verbots plötzlich sogar einig: Ein wichtiger Bestandteil dessen, E-Mobilität in Deutschland voranzubringen, ist aus Sicht von Simon Schütz "immer und überall günstige Ladeinfrastruktur zu haben" und das Laden "günstiger ist als tanken". Dann werde sich E-Mobilität von selbst durchsetzen: "Wer einmal elektrisch unterwegs war, der ist begeistert, und da müssen wir hin."

"Teuerstes Kraftwerk ist immer ein fossiles Kraftwerk"

Allerdings bleibt die Frage: Wie wird der Strom für die E-Autos künftig erzeugt, und wie lassen sich künftig niedrige Strompreise erzielen? In Deutschland wird der Ausbau Erneuerbarer Energien vorangetrieben, Strom aus Wind- und Sonne sei schon heute eindeutig am billigsten, heißt es von den Befürwortern der Energiewende. Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, ist einer von ihnen: "Das teuerste Kraftwerk bestimmt immer den Preis an der Strombörse und das teuerste Kraftwerk ist immer ein fossiles Kraftwerk", sagt er im Gespräch mit plusminus.

Das bewiesen die Börsenpreise: 2021, also vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine und damit einhergehenden Energiekrise, kostete Strom aus Erneuerbaren Energien im Jahresdurchschnitt 9,34 Cent je Kilowattstunde. Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche Börsenpreis bei nur noch 7,8 Cent je Kilowattstunde, und zwar inklusive der Kosten, die durch Windstille, Dunkelflauten und teure Importe entstehen.

Französischer Atomstrom subventioniert

Auch der Atomstrom in Frankreich sei in Wahrheit gar nicht so billig: Deren Strom wird aktuell für 4,2 Cent verkauft - aber vom Staat massiv subventioniert. Weil das Frankreich nun aber zu teuer wird, ist ab 2026 eine Preiserhöhung auf sieben Cent fest geplant. Und bei künftig nötigen neuen Atomkraftwerken wären 14,2 Cent je Kilowattstunde fällig, zeigen Berechnungen des französischen Rechnungshofs.

"Deswegen müssen wir durch den Ausbau Erneuerbarer Energie dafür sorgen, dass wir die fossilen Kraftwerke immer weniger brauchen, und dann wird  Strom auch insgesamt preiswerter", betont Volker Quaschning. Auch der Preis für Speicher fällt massiv: Zurzeit werden Anlagen gebaut, die Solarstrom speichern und nach Sonnenuntergang stundenlang Gaskraftwerke ersetzen können - deutlich billiger, ganz ohne Subvention.

Infrastruktur für Erneuerbare Energien kostet

Christof Bauer von der TU Darmstadt hält dagegen, dass derzeit noch Leitungen und Speicher fehlen, um in Zeiten, in denen viel Strom aus Sonne und Wind produziert wird, diesen Überschuss sinnvoll zu verwenden. "Die Erneuerbaren Energien funktionieren in der Versorgung ohne Stromspeicher nicht, ohne Netzausbau, ohne Reservekraftwerke." Beziehe man den Ausbau der nötigen Infrastruktur mit ein, sehe der Kostenvergleich gleich ganz anders aus.

Zu den bereits genannten 7,8 Cent je Kilowattstunde kommen noch 3,5 Cent EEG-Umlage, weitere 0,75 Cent für sonstige Umlagen inklusive Netzumbau und 0,5 Cent für Netzregelung und Reservekraftwerke hinzu. Insgesamt ergibt sich ein durchschnittlicher Preis von 12,55 Cent je Kilowattstunde an tatsächliche Kosten.

Kohlekraftwerke länger laufen lassen?

Doch der Preis ist nicht das einzige Argument, dass aus Sicht von Christof Bauer dagegen spricht, ausschließlich auf Erneuerbare Energien zu setzen. Wenn im Winter wochenlang Sonne fehle, seien die Speicher nutzlos. Für ihn war der Kohleausstieg angesichts solcher Fragen verfrüht: "Deswegen muss man gegebenenfalls die Kohlekraftwerke so lange laufen lassen, bis wir Ersatz haben - in welcher Form auch immer", so der Experte.

Kohleausstieg bremsen? Auch die Befürworter der Energiewende hätten damit kein Problem: "Aus dem Klima-Aspekt ist es relativ egal, ob ich ein Kohle- oder ein Gaskraftwerk laufen lasse", sagt Professor Volker Quaschning. "Die Stunden, die solche Kraftwerke am Netz sind, nehmen immer mehr ab, und wenn wir nur noch wenige Stunden im Jahr haben, wo diese wenigen Kraftwerke laufen, dann ist das am Ende auch egal."

Nicht nur die Industrie braucht billigeren Strom. Weltweit wird deshalb auf Solarstrom umgestellt. Entscheidend ist eigentlich nur, dass diese Umstellung effizient und preiswert gelingt. Und dass Atomstrom nicht die Lösung ist, darin sind sich alle einig: "Neu bauen ist sehr teuer und liefert uns frühestens eine Lösung in zehn Jahren. Und wir brauchen jetzt eine Lösung bis zum Jahr 2030", betont Christof Bauer.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Plusminus im Ersten am 12. März 2025 um 21:45 Uhr.