
Wichtiges Wahlkampf-Thema Australiens große Wohnungsnot
In Australien wird gewählt, und die Wirtschaft steht im Fokus. Die hohen Lebenshaltungskosten und eine sich zuspitzende Wohnungsnot sind die wichtigsten Themen.
Die Australierin Amy Wilson ist in den vergangenen Jahren so oft umgezogen, sie komme mit dem Zählen schon nicht mehr hinterher. Eine dauerhafte Bleibe zur Miete zu finden, ist in Sydney selten. Gerade passt sie für ein paar Monate auf die Katze einer Bekannten auf, die verreist ist. Dafür kann sie dort wohnen. Davor hat sie sich mit Kolleginnen eine Mietwohnung geteilt.
Dabei hat Amy Wilson einen gut bezahlten staatlichen Job bei Gericht. Doch die Miete für eine Einzimmerwohnung könne sie sich allein nicht leisten. Die liegt pro Woche bei umgerechnet fast 400 Euro. An Wohneigentum traut sie sich gar nicht zu denken.
Wohneigentum gegen Altersarmut
Dabei war das einst selbstverständlich für viele Australier. Das Eigenheim gilt in Down Under nicht nur als Statussymbol für Erfolg und Lebensqualität, sondern spielt auch eine wichtige Rolle für die Altersvorsorge. Denn in Australien gibt es vom Staat nur eine pauschale Einheitsrente, unabhängig davon wieviel man davor verdient hat. Von den rund 300 Euro die Woche lässt sich im Alter kaum leben. Man muss also privat vorsorgen.
Amy Wilson macht das Angst. "Ich sehe so oft, wie Menschen ihre Miete einfach nicht von der Rente zahlen können. Ich sehe, wie Großmütter in Campervans leben müssen und damit kämpfen, über die Runden zu kommen."
Ein durchschnittliches Eigenheim kostet in Sydney derzeit umgerechnet fast 700.000 Euro, das ist fast 40 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Die australischen Immobilienpreise haben laut dem Immobilienberater Cotality im April einen Rekordwert erreicht. Das spürt auch die ärmere Bevölkerung. Der Mangel an Sozialwohnungen führt zu wachsender Obdachlosigkeit und verstärkter sozialer Ungerechtigkeit.
Jungwähler machen Druck auf die Parteien
Die steigenden Preise, stagnierenden Löhne und mangelnder Wohnraum bereiten gerade jungen Australiern Umfragen zu Folge die meisten Sorgen. Millennials und die Generation Z stellen 43 Prozent der 18 Millionen registrierten Wähler und übertreffen damit erstmals die mächtige Gruppe der Babyboomer.
Viele der Jüngeren sind mit beiden großen Parteien unzufrieden. Die Zustimmung zu Labor und den National-Konservativen ist auf einem historischen Tief. Sie haben ihre Stimme bei der letzten Wahl gerne an kleinere Parteien wie die Grünen und unabhängige Kandidaten gegeben. Aber viele wollen laut Umfragen dieses Mal die regierende Mitte-Links-Labor-Partei wählen, um eine konservative Koalition mit den Rechten zu verhindern.
Die beiden großen Parteien wissen um die Bedeutung dieser Themen und haben daher im Wahlkampf viele Maßnahmen angekündigt. Beide wollen die Rahmenbedingungen verbessern, damit in den nächsten Jahren Hunderttausende neue Wohnungen und Häuser gebaut werden können.
Unterschiedliche Antworten auf dieselbe Frage
Die Labor-Partei legt zudem einen Fokus auf Sozialwohnungen und Wohnungen für Erstkäufer. Normalerweise müssen Australier 20 Prozent des Kaufpreises anzahlen. Dafür muss ein Australier im Schnitt etwa zehn Jahre lang sparen. Doch Labor hat angekündigt, dass Erstkäufer nur noch fünf Prozent des Kaufpreises aufbringen müssten. Für die übrigen 15 Prozent garantiere der Staat. Zudem sollen die Mietpreise fairer gestaltet werden.
Die oppositionelle Liberal Party verspricht, dass Erstkäufer bis zu 28.000 Euro aus ihrer staatlichen Altersvorsorge für den Hauskauf nutzen dürfen. Zudem sollen Hypothekenzahlungen für Neubauten über fünf Jahre teilweise steuerfrei sein. Zudem setzen die Liberalen auf Kaufverbote für Ausländer und wollen die Migration reduzieren - etwa durch eine Begrenzung der Zahl internationaler Studierender.
Kurzsichtige Scheinlösungen?
Diesen beiden Gruppen wird häufig die Schuld gegeben für die stark gestiegenen Mieten und Kaufpreise. Experten widersprechen dem jedoch, da die meisten Migranten sich nur vorrübergehend in Australien aufhalten, wie etwa internationale Studierende, die zum Großteil in Studentenunterkünften leben und keinen Wohnraum auf dem freien Markt beziehen.
Ausländische Käufer haben 2022 und 2023 gerade mal ein Prozent der verkauften Wohnungen erworben. Sehr hohe Aufschläge, die bereits seit Längerem gelten, schrecken ausländische Käufer ab. Die von der Liberal Party geplanten Einschränkungen in der Zuwanderung würden laut Wirtschaftsexperten die Zahl an qualifizierteren Migranten verringern, das könnte zu einer schwächeren Wirtschaftsentwicklung und einer höheren Steuerlast der einheimischen Bevölkerung führen.
Eine Mixtur aus Ursachen
Die Wohnungsnot ist stattdessen auf diverse andere Faktoren zurückzuführen. Durch klimawandelbedingte Buschbrände, Stürme und Überschwemmungen wurden ganze Regionen zerstört und unbewohnbar. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung, und der Wohnungsbau kommt nicht hinterher.
Die hohe Inflation hat einige Bauunternehmen in den Ruin getrieben und damit die Wohnungsknappheit verschärft. Insbesondere in den Großstädten erschweren strenge Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren neue Wohnprojekte. Außerdem konkurrieren Erstkäufer mit kommerziellen Investoren, wodurch Wohnraum vermehrt zu horrenden Preisen vermietet wird.
Experten sagen, dass sowohl die Politik der Labor-Partei als auch die der Opposition zwar Schritte in die richtige Richtung sind, aber keines von beiden ausreicht, um das Wohnungsproblem zu lösen. "Eine Kombination der Programme beider Parteien wäre besser als das, was wir von jeder Seite einzeln sehen", sagt Brendan Coates vom Grattan Institut, einem führenden unabhängigen Think Tank mit Sitz in Melbourne, der BBC.
Lebenshaltungskosten massiv gestiegen
Neben der Wohnungsnot sind die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten ein Thema, das viele Australier umtreibt. Graham Cooke leitet die Verbraucherforschung bei der australischen Vergleichsplattform Finder. "Wir fragen Menschen, welche Rechnungen ihrer Familie den größten finanziellen Stress bereiten. Der Anteil derjenigen, die Lebensmittel nennen, ist in den letzten Jahren dramatisch gestiegen - von etwa zehn Prozent auf rund 40 Prozent der Haushalte."
Die Preise für Eier stiegen im vergangenen Jahr um elf Prozent und die für Bier um vier Prozent, wie aus Regierungsangaben hervorgeht. Zwischen Dezember 2020 und Dezember 2024 stiegen die kumulierten Verbraucherpreise um fast 20 Prozent.
Die Parteien versprechen Abhilfe
Die Labor-Partei will deswegen die Rabatte auf Energierechnungen für Haushalte und kleine Unternehmen verlängern. Bereits vor der Wahl hat sie ein Gesetz zur Senkung des niedrigsten Grenzsteuersatzes verabschiedet.
Die Liberal-Nationale Koalition verspricht den Steuerzahlern Steuererleichterungen von umgerechnet bis zu 680 Euro jährlich. Die Benzinkosten wollen sie für zwölf Monate um 0,25 australische Dollar pro Liter senken, durch reduzierte staatliche Abgaben. Und sie wollen die Gas- und Stromkosten senken, indem sie Exporteure von Flüssiggas an der australischen Ostküste zwingen, einen Teil ihres Gases auf dem Heimatmarkt zu verkaufen.
Viele Maßnahmen, die das Leben der Australier besser machen sollen, doch der Traum vom Eigenheim wird für viele junge Australier wie Amy Wilson vermutlich ein Traum bleiben.