
US-Bundesstaat West Virginia Wo die Basis der Demokraten erodiert
Die US-Demokraten streiten über die Klima- und Sozialpolitik. Bidens Pläne könnten an Senator Manchin aus West Virginia scheitern - er hält sie für zu teuer und zu ambitioniert. Wie kommt das in seiner Heimat an?
Die Transportbänder rattern, fördern Tonne um Tonne Kesselkohle aus der Erde. Der Betrieb in den Minen im Kohlerevier rund um Fairmont im Norden West Virginias läuft zur Zeit auf Hochtouren. Der Energiebedarf im Land, in der Welt ist enorm, die Preise auf einem Zwei-Jahres-Hoch. Der Niedergang ist dennoch an allen Ecken und Enden zu sehen. Viele Jobs sind in den zurückliegenden Jahren verloren gegangen.
Die Minen sind die Lebensader der ganzen Region, wie überall in West Virginia. Die Gegend ist strukturschwach, die Arbeitsplätze in der Kohleindustrie sind gut bezahlt. Mit Nachtschichten, Wochenendarbeit und Überstunden können Kohlearbeiter auf mehr als 100.000 US-Dollar Jahresgehalt kommen.
Wenn in Washington dieser Tage über Klimaschutz und Umweltgesetzgebung verhandelt wird, klingeln hier die Alarmglocken. Und: Man hält die Politik für weltfern. 20 Prozent des Stroms im Land wird aus Kohle gewonnen. Das lasse sich nicht einfach ersetzen.
Ein Senator für die Kohle
Einer, der in Washington für die Kohleindustrie kämpft, ist der demokratische Senator Joe Manchin. Er kommt aus West Virginia, die Kohlekumpel sind seine Wähler. Außerdem verdient er selbst kräftig mit an der Kohle. Im Kongress geht er der eigenen Partei seit Monaten auf die Nerven, weil er bisher - als einer von ganz wenigen - seine Zustimmung zu Präsident Bidens Sozial- und Klimaschutz-Gesetzen verweigert. Er findet, die Pläne seien zu teuer.
Seine eher konservative Haltung vertritt Manchin seit Jahrzehnten. Nur daher war er für viele hier bei der letzten Senats-Wahl überhaupt noch wählbar. Von den 1930er-Jahren bis zum Jahr 2000 wählte West Virginia verlässlich demokratisch. Zuletzt stimmten hier bei der Präsidentschaftswahl 2020 68,6 Prozent für Donald Trump. Manchin selbst gewann bei der Gouverneurswahl 2008 noch jedes einzelne County - den Senatsposten errang er 2018 gerade eben so.

Joe Manchin hat derzeit viele Fragen zu beantworten - auch aus seiner eigenen Partei.
Wer hat sich verändert - die Wähler oder die Partei?
Lloyd "Bub" Barker ist typisch für die Region. 54 Jahre alt, Minen-Arbeiter in dritter Generation, registrierter Demokrat, Gewerkschaftsmitglied. Sein Elternhaus beschreibt er als zutiefst demokratisch. Die Demokraten seien auch für seine Familie die Partei der Arbeiter gewesen. Auch er hat 2012 noch für Obama gestimmt.
Doch mittlerweile kann er mit der demokratischen Partei nichts mehr anfangen. "Ich habe mich nicht verändert", sagt Barker, "die demokratische Partei hat sich verändert". Der Kampf der linken Demokraten für mehr Klimaschutz und gegen seine Kohle - für ihn ist das ein Affront. Aber es ist nicht vorrangig die Sorge um seinen Arbeitsplatz, die ihn umtreibt. "Wenn ich nicht mehr in der Kohle arbeiten kann, mache ich was anderes. Aber die Demokraten teilen nicht mehr meine Werte. Ich bin gegen Abtreibung, für sichere Grenzen. Ich will, dass das Land wieder ist wie früher. Die Demokraten spalten das Land."

Hat sich von den Demokraten abgewendet: Lloyd "Bub" Barker
Die Frage nach den Alternativen
Rick Altman ist einer derjenigen, für die die Demokraten noch immer die Partei der Arbeiter ist - eine schrumpfende Gruppe. Altmann ist Vizepräsident der "United Mine Workers Association" in Fairmont, der Minenarbeiter-Gewerkschaft. Arbeitssicherheit, gute Löhne, eine gute Krankenversorgung, gute Pensionen - alles Dinge, für die Demokraten an der Seite der Gewerkschaften in der Vergangenheit gekämpft hätten, sagt er. Auch und ganz konkret Manchin. Für ihn ist Manchin ein wichtiger Kämpfer für die Vernunft in Washington.
Wenn über Klimaschutz gesprochen werde, dann müsse auch darüber gesprochen werden, was die Alternative zur Kohle-Industrie sein kann, für Regionen wie die seine. "Bevor man uns die Kohle-Industrie wegnimmt, braucht man erst mal einen Plan, was hier stattdessen an neuen Arbeitsplätzen entstehen kann. Man muss den Menschen erst eine Alternative aufzeigen, bevor man ihnen ihre Lebensgrundlage nimmt", sagt Rick, "sonst fühlen sich die Leute hier zurückgelassen".
Altmann freut es daher, dass Manchin, wie er es nennt, "standhaft bleibt". Andere, wie Barker, kann Manchin jedoch nicht für die Demokraten zurückgewinnen, egal wie sehr er in Washington für die Kohle und gegen zu strenge Umweltschutzauflagen kämpft. Er und viele seiner Kumpel haben bei den Republikanern ihre neue politische Heimat gefunden.
Diese und weitere Reportagen sehen Sie heute in der gemeinsamen Live-Sendung "Neustart für Deutschland - Neue Rolle in der Welt" von "Weltspiegel" und "Bericht aus Berlin" - ab 18:05 Uhr im Ersten.