Eine Ortschaft in den Hügeln von McDowell County.
weltspiegel

Infrastruktur in den USA Die vergessenen Orte von West Virginia

Stand: 17.05.2025 14:15 Uhr

Die goldenen Zeiten im einstigen Kohlerevier West Virginias sind lange vorbei. Seitdem die Kohlekonzerne fort sind, ist die Infrastruktur marode. So kommt es, dass hier viele Menschen ohne sauberes Leitungswasser leben.

Wenn Mark Wooldridge sauberes Wasser will, fährt er etwa 20 Minuten mit dem Auto zu einem kleinen Wasserfall am Straßenrand der Coal Heritage Road, der "Straße des Kohle-Erbes". Tatsächlich ist alles hier im McDowell County Kohle-Erbe.

Die Orte, die Häuser, die Infrastruktur: Alles wurde von Kohlekonzernen erbaut. Doch die goldenen Zeiten sind lange vergangen. Als die Kohlefirmen gingen, fühlte sich für die Infrastruktur niemand mehr verantwortlich. Das hat sich seitdem nicht verändert.

Mark Wooldridge

Mark Wooldridge holt sein Wasser alle drei Wochen aus einem Wasserfall in der Gegend.

Auch Leitungswasser nicht trinkbar

Wooldridge ist 64, hat lange als Bäcker gearbeitet, bis auch die letzte Bäckerei in der Gegend zumachte. Sein Haus war noch nie an die Wasserversorgung angeschlossen, das ist bei vielen hier so. Aber auch seine Bekannten mit Wasseranschluss könnten ihr Wasser nicht trinken - wenn es denn überhaupt flösse.

Wooldridge nimmt sein Wasser für das Haus aus einem Brunnen in seinem Garten. "Wenn es aus dem Hahn kommt, ist es erst klar, aber wenn es sich setzt, wird es gelb und dann rot-braun", erzählt er. "Wir duschen damit und wir waschen damit unsere Wäsche. Aber wenn du weiße Sachen wäschst, kommen sie braun heraus."

Trinken will er das Wasser absolut nicht. Fast niemand hier scheint das anders zu sehen. Das Wasser sei voller giftiger Schadstoffe aus dem Bergbau, meint Wooldridge. Also fährt er alle drei Wochen zum Wasserfall und füllt dutzende Kanister - so wie viele andere aus den Dörfern des McDowell County.

Brad Davis

Pfarrer Brad Davis von der United Methodist Church verteilt Trinkwasser. Er will den Menschen damit auch zeigen, dass man sie nicht vergessen hat.

"Keiner interessiert sich für uns"

"Keiner interessiert sich für uns", ist Wooldridge überzeugt. Es sei den Politikern in der Hauptstadt West Virginias ebenso egal, ob sie trinkbares Wasser hätten, wie denen in Washington. Man habe die Menschen hier schlichtweg vergessen. Dabei seien sie es gewesen, die mit ihrem Schweiß die USA überhaupt erst groß gemacht hätten.

So sieht es auch Pfarrer Brad Davis von der United Methodist Church. Er betreut fünf Kirchengemeinden in der Gegend, fährt einmal im Monat, gemeinsam mit anderen, Pakete mit Wasserflaschen aus.

Es soll die Not lindern, aber auch ein Zeichen setzen: Wir haben euch nicht vergessen. "Jeder hat ein Recht auf sauberes Wasser", insistiert Davis: "Und was ist die Kernaufgabe einer funktionierenden Regierung, wenn nicht das: sicherzustellen, dass die Bürger die grundlegendsten Bedürfnisse erfüllt bekommen. Die Regierung muss endlich herkommen und das Problem lösen!"

Ein Wasserpumpwerk in McDowell County.

Das örtliche Wasserpumpwerk ist mehr als hundert Jahre alt und stark marode.

Es fehlt das Geld

Doch was so einleuchtend klingt, ist in der Praxis extrem mühsam. Mavis Brewster leitet den Public Service District (PSD), ein gemeinnütziges Versorgungswerk für die Region. Sie zeigt uns eines ihrer Wasserpumpwerke.

Das Dach ist halb eingestürzt, die Pumpe und Rohre sind rostig. Der Schalter für den Motor muss von einer Holzplanke festgehalten werden, weil er sonst auf "aus" kippt. Das Pumpwerk ist mehr als hundert Jahre alt, aber der PSD muss es weiterbetreiben, weil das Geld für einen Ersatz fehlt.

"Als wir in den 1990er-Jahren gegründet wurden, hat man uns die Infrastruktur übergeben, aber kein Geld, um diese zu erneuern", schildert Brewster. Als habe man ihnen sagen wollen: Kein anderer will sich kümmern, macht ihr mal. Ohne Investitionen gehe es schon jetzt kaum, und jedes Jahr werde es schwerer.

Die Finanzierung durch eine Erhöhung der Wasser- und Abwassergebühren sei aber ausgeschlossen. Denn McDowell County ist einer der ärmsten Bezirke der USA, die Menschen sind schon jetzt finanziell am Limit. Das Geld von Bund und Bundesstaat einzuwerben, sei extrem mühsam.

Mavis Brewster

Mavis Brewster leitet das Versorgungswerk für die Region. Ihr fehlt das Geld für eine Verbesserung der Infrastruktur.

Schwierig, Fördergelder zu bekommen

Wie mühsam es ist, zeigt Mavis Brewster eine Autostunde weiter südlich, in Coalwood. Dort ist seit etwa einem Jahr eine neue Kläranlage in Betrieb. 71 Häuser und eine Tankstelle sind nun daran angeschlossen, leiten ihr Abwasser nicht mehr, wie so viele in der Region, direkt und ungefiltert in die Flüsse.

Aber bis diese Anlage stand, vergingen mehr als 20 Jahre, erzählt Brewster. Vor allem, weil es wahnsinnig schwer gewesen sei, die Fördergelder zusammenzubekommen.

Dabei sollte es doch eigentlich ein grundlegendes Menschenrecht sein, dass jeder sauberes Trinkwasser und ein funktionierende Abwassersystem hat, findet Brewster - zumal in einem reichen Land wie den USA.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste im "Weltspiegel" am 18. Mai 2025 um 18:30 Uhr.