
USA Bessere Infrastruktur, mehr Zustimmung?
US-Präsident Bidens Infrastrukturpaket soll Straßen, Brücken, schnelleres Internet bringen. Hilft ihm das aus dem Umfragetief? Im Bundesstaat Kentucky glauben viele nicht daran, dass das Geld ankommt.
Der "Newby Country Store" liegt, wie der Name schon vermuten lässt, auf dem Land. Genauer im ländlichen Kentucky. Besitzerin Ashlie Hatton wählt, wie viele hier, stramm republikanisch. Eine bessere Infrastruktur fände sie jedoch gut: Eine der drei Zufahrtsstraßen in den Ort besteht nur aus Schotter, die sähe sie gerne geteert. Das Internet sei langsam oder oft gar nicht vorhanden. Sobald es stürme oder schneie, falle in vielen Haushalten der Strom aus, weil die Masten umknickten.
US-Präsident Joe Bidens 1,2 Billionen US-Dollar teures Infrastrukturpaket soll auch solchen ländlichen Regionen helfen - frisch verabschiedet vom US-Kongress mit Stimmen aus beiden Parteien. Doch Ashlie Hatton ist skeptisch: "In Gegenden wie unserer kommt bestimmt kein Geld an. Das geht dorthin, wo viele Wähler wohnen. Wir hier sind zu unbedeutend", meint sie.
So wie sie denken alle im "Newby Country Store": Sie sehen die hohen Kosten und versprechen sich keinen Nutzen. "Die Demokraten sagen, das Geld sei für Straßen", sagt Rentner Don Long und mutmaßt: "Am Ende werden sie es für sonst was ausgeben." Eine Vermutung, die durch nichts gedeckt ist. Aber: Noch ist nicht klar, wohin, das Geld genau fließen soll, sprich in welche konkreten Projekte. Das bietet offenbar Raum für Spekulationen.
Louisville wartet und zweifelt
Zwei Autostunden weiter westlich liegt Louisville - die größte Metropole Kentuckys, eher demokratisch denn republikanisch geprägt. Doch auch hier treibt viele die Sorge um: Bei uns kommt das Geld am Ende nicht an.
Zumindest denkt Nyree Clayton-Taylor so. Die Lehrerin wohnt mittlerweile in einem besseren Stadtteil von Louisville, doch im Westend, wo die Afroamerikanerin aufgewachsen ist, sieht man überall den Verfall. Gerade die armen, mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Gegenden der Stadt bräuchten eine bessere Infrastruktur. Aber ob die kommt? Da ist sie skeptisch.
Ohnehin sind für Clayton-Taylor andere Themen wichtiger bei der Beurteilung des ersten Amtsjahres von Präsident Biden. Sie und ihr Mann Antonio waren im vergangen Jahr viele Monate auf der Straße - wie so viele im Land nach mehreren Fällen von Polizeigewalt. In Louisville war es vor allem der Tod von Breonna Taylor bei einem Polizeieinsatz, der Tausende auf die Straße trieb und für mehr Gerechtigkeit kämpfen ließ. Jetzt steht auf dem zentralen Platz in der Ortsmitte Louisvilles ein festlich geschmückter Tannenbaum. An die Proteste erinnern nur noch Schilder hoch oben an den Laternenpfosten. Der Gedenkort für Breonna Taylor: ausgelagert auf einen Basketballplatz am Stadtrand.

Ein Grafitti auf einem Sportplatz - viel mehr ist nicht vom Protest nach dem Tod von Breonna Taylor geblieben.
Bidens unerfüllte Versprechen
Es waren vor allem schwarze Wähler, die 2020 in großer Zahl zur Wahl gingen und Biden zum Sieg verhalfen. Auch Antonio Taylor hat Stimmen unter jungen Schwarzen mobilisiert. "Ich habe ihnen gesagt: Geht wählen, so bekommen wir den Wandel, den wir so dringend brauchen", erinnert er sich. "Da war so viel positive Energie."
Jetzt sind Nyree und Antonio bitter enttäuscht. Polizeireform, Wahlrechtsreform, Reparationszahlungen - nichts davon habe Biden geliefert. "So gut wie nichts hat sich für uns bisher zum Besseren verändert", sagt Nyree. Bleibe das so, werde sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl womöglich gar nicht wählen gehen. Und mit dieser Haltung ist sie nicht allein, wie Umfragen zeigen.

Nyree Clayton-Taylor (hier mit ihren Schülern) hat sich viel von Biden versprochen - und ist nach einem Jahr bitter enttäuscht.
Niederlage bei den Midterms absehbar?
Für Biden sind das alles keine guten Botschaften. Den eigenen Anhängern hat er bisher zu wenig geliefert. Und das, was er erreicht hat, muss er den US-Amerikanern erst noch als Erfolg verkaufen.
Sind die Zwischenwahlen im kommenden Jahr für ihn also bereits verloren? Nicht zwingend. Einerseits sind diese traditionell immer auch eine Abstimmung über den amtierenden Präsidenten - und da sieht es nicht gut aus für die Demokraten.
Aber andererseits kommt es manchmal auch auf die Kandidatinnen vor Ort an. In Kentucky tritt beispielsweise der Demokrat Charles Brooker für einen Senats-Posten an. Und die Stimmen von Nyree und Antonio Taylor wird er bekommen - ganz unabhängig davon, wie viele seiner Wahlversprechen Präsident Biden bis dahin einlöst.
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