Ein Mann im Gazastreifen schwenkt Flaggen.

Reaktionen auf Waffenruhe Jubel in Gaza, Zurückhaltung in Israel

Stand: 16.01.2025 02:35 Uhr

Während die Menschen im Gazastreifen nach der Ankündigung einer Waffenruhe in Jubel ausbrachen, herrscht in Israel Zurückhaltung. In den USA reklamieren Präsident Biden sowie sein Nachfolger Trump die Waffenruhe als eigenen Erfolg.

Im Gazastreifen brachen die Menschen nach der ersten Ankündigung einer Waffenruhe in Jubel aus. Augenzeugen zufolge strömten Zehntausende feiernde Menschen auf die Straßen, noch ehe es eine offizielle Bestätigung für das Abkommen gab.

In palästinensischen und sozialen Medien verbreitete Aufnahmen zeigen singende und tanzende Menschen. Auch im Libanon, wo viele palästinensische Flüchtlinge leben, brachen Freudenfeiern aus. 

Die islamistische Hamas feierte die Einigung als Errungenschaft für die Palästinenser. "Das Waffenruheabkommen ist das Ergebnis der legendären Widerstandskraft unseres großartigen palästinensischen Volkes und unseres tapferen Widerstands im Gazastreifen seit mehr als 15 Monaten", teilte die Organisation mit. 

Die Waffenruhe sei "auch eine Bestätigung dafür, dass die Besatzung keines ihrer Ziele erreicht hat", erklärte Hamas-Vertreter Sami Abu Suhri unter Verweis auf Israel. Hamas-Verhandler Chalil al-Haija sagte: "Im Namen aller Opfer, jedes Tropfens vergossenen Bluts und jeder Träne wegen des Schmerzes und der Unterdrückung sagen wir: Wir werden nicht vergessen und wir werden nicht verzeihen."

Zurückhaltung bei Geisel-Angehörigen

Die Angehörigen israelischer Geiseln in Gaza nahmen die Aussicht auf die Freilassung von 33 der Entführten mit gemischten Gefühlen auf. "Für mich ist es erst vorbei, wenn es vorbei ist", sagte Jimmy Miller, Cousin der Geisel Schiri Bibas, im Zentrum von Tel Aviv. Der Platz war am Abend ungewöhnlich leer, niemand schien in Feierstimmung.

"Ich werde es erst glauben, wenn ich sehe, wie unsere Geiseln aus dem Gazastreifen die Grenze nach Israel überqueren", sagte Miller der Nachrichtenagentur dpa. Ifat Kalderon, die Cousine des verschleppten Franko-Israeli Oder Kalderon, sagte, sie habe gemischte Gefühle - einerseits Freude, andererseits einen "schrecklichen Stress" wegen der Furcht, dass die Freilassung scheitern könnte. 

Noch keine formelle Erklärung Netanjahus

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will erst nach abschließender Klärung von Details eine Erklärung zu der Waffenruhe im Gazastreifen abgeben. An den letzten Einzelheiten des Abkommens werde derzeit noch gearbeitet, teilte das Büro des Regierungschefs mit.

Er werde erst dann eine formelle Erklärung abgeben, "wenn die letzten Details des Abkommens, an denen derzeit gearbeitet wird, abgeschlossen sind". Aus israelischen Regierungskreisen verlautete, bei den Details handle es sich um die Liste jener Palästinenser, die freigelassen werden sollen.

Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog hat das Sicherheitskabinett und die Regierung seines Landes dazu aufgerufen, die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas zu billigen. Man müsse die israelischen Bürger zurückbringen - "damit sie sich zu Hause erholen können oder beigesetzt werden". Gleichzeitig sagte Herzog, der Deal werde "zutiefst schmerzhafte, herausfordernde und erschütternde Momente mit sich bringen". 

Netanjahu dankt Biden und Trump

Netanjahu hat dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden sowie dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump für ihre Hilfe bei dem Abkommen zur "Freilassung der Geiseln" gedankt. Netanjahu habe "mit dem gewählten US-Präsidenten Donald Trump gesprochen und ihm für seine Hilfe beim Vorantreiben der Geiselfreilassung gedankt", hieß es in einer Erklärung des Büros Netanjahus. 

Netanjahu habe auch mit dem scheidenden Präsidenten Biden telefoniert, um "auch ihm für seine Hilfe bei dem Abkommen über die Geiselfreilassung zu danken", hieß es demnach weiter. 

Trump und Biden reklamieren Erfolg für sich

Biden und Trump haben beide das Abkommen als ihren Erfolg dargestellt. Biden betonte in einer Rede, die Vereinbarung sei bereits in einem von ihm im vergangenen Mai vorgebrachten Vorschlag genau umrissen worden. Seine diplomatischen Bemühungen, ein Abkommen zu erreichen, hätten niemals nachgelassen.

Trump schrieb in seinem Netzwerk Truth Social: "Dieses epische Waffenruheabkommen konnte nur als Ergebnis unseres historischen Sieges im November zustande kommen, denn dieser signalisierte der ganzen Welt, dass meine Regierung Frieden anstreben und Abkommen aushandeln würde, um die Sicherheit aller Amerikaner und unserer Verbündeten zu gewährleisten."

Unter Biden hatten die USA seit Monaten um eine Waffenruhe für den Gazastreifen gerungen und waren ihr immer wieder zum Greifen nahe gekommen. Trump wiederum hatte gedroht, die Hamas werde es bitter bereuen, wenn bis zu seiner Amtseinführung am kommenden Montag keine Einigung stehe.

Scholz: Chance für dauerhaftes Kriegsende

Bundeskanzler Olaf Scholz hält die Einigung auf eine Waffenruhe für eine Chance auf ein dauerhaftes Kriegsende. "Es ist gut, dass eine Einigung über einen Waffenstillstand und die Freilassung von Geiseln - auch deutschen - in Gaza erreicht scheint! Jetzt muss die Einigung konsequent umgesetzt werden", schrieb Scholz auf der Plattform X.

"Der Waffenstillstand bietet die Chance für ein dauerhaftes Kriegsende und die Verbesserung der schlechten humanitären Lage im Gazastreifen. Dafür setzen wir uns weiter ein", schrieb Scholz.

EU und UN begrüßen Einigung

Auch die EU-Kommission hat erleichtert auf die Vereinbarung reagiert. "Geiseln können mit ihren Angehörigen wieder vereint werden und humanitäre Hilfe kann Zivilisten im Gazastreifen erreichen", erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf X. Dies bringe "Hoffnung für die gesamte Region, in der die Menschen viel zu lange unermessliches Leid erlitten haben".

Beide Seiten müssten die Vereinbarung vollständig umsetzen. Das Abkommen eröffne den Weg für "langfristige Stabilität in der Region und eine diplomatische Lösung des Konflikts".

UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagt, vordringlich sei es nun, das enorme Leid der Bevölkerung im Gazastreifen zu lindern. Die Vereinten Nationen stünden bereit, die Vereinbarung zu unterstützen.

Forderungen von Staaten der Region

Saudi-Arabien hat die Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas begrüßt und zu einem Ende der "israelischen Aggression" im Gazastreifen aufgerufen. "Das Königreich unterstreicht die Notwendigkeit, sich an das Abkommen zu halten und die israelische Aggression gegen den Gazastreifen zu beenden", erklärte das Außenministerium.

Es forderte den "vollständigen Rückzug der israelischen Besatzungstruppen" aus dem Gazastreifen "und allen anderen palästinensischen und arabischen Territorien und die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Gebiete".

Dem türkischen Außenminister Hakan Fidan zufolge ist die Vereinbarung ein wichtiger Schritt für die Stabilität in der gesamten Region. Die Türkei werde sich weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung in dem seit Jahrzehnten dauernden Konflikt einsetzen, sagte er.

Waffenruhe ab Sonntag

Nach mehr als 15-monatigen heftigen Kämpfen haben sich Israel und die militant-islamistische Hamas nach Angaben von Vermittler Katar auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln aus den Händen palästinensischer Extremisten geeinigt. Die Feuerpause soll am Sonntag beginnen.

Gelten soll die Waffenruhe zunächst für sechs Wochen. In dieser Zeit sollen auch schrittweise 33 Geiseln freigelassen werden, die sich noch in den Händen von Extremisten im Gazastreifen befinden. Im Austausch sollen Hunderte von palästinensischen Gefangene freikommen, die in Israel inhaftiert sind.