IStGH verlangt Erklärung Italien lässt mutmaßlichen Kriegsverbrecher frei
Italien hat einen international gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus Libyen verhaftet - und gleich wieder freigelassen. Der Internationale Strafgerichtshof wurde dazu nicht kontaktiert. Das Gericht verlangt nun Aufklärung.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) verlangt von Italien Antworten auf die Frage, warum es einen Libyer freigelassen hat, der mit internationalem Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht wird.
Der Gesuchte Osama Elmasry Njeem, auch bekannt als Osama Almasri Njeem, war am Sonntag nach einem Hinweis des IStGH in Turin festgenommen worden. Die italienische Regierung jedoch ließ ihn am Dienstag aufgrund einer juristischen Formalität unerwartet wieder frei, wie ein Insider des Innenministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärte. Njeem war daraufhin sofort ins libysche Tripolis geflogen.
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen werden in dem von ihm geleiteten Gefangenenlager Menschen unter grausamen Bedingungen festgehalten. Der Haftbefehl des IStGH bezieht sich dementsprechend auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dort mutmaßlich begangen wurden. Er wird seit 2015 gesucht.
Freilassung ohne Konsultation mit IStGH
Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldete, berufen sich die Behörden bei dem "juristischen Formfehler" darauf, dass die Polizei, die Najeem festgenommen hatte, das Justizministerium in Rom nicht, wie vorgeschrieben, unverzüglich über die Inhaftierung Najeems informiert hatte.
Weder das Büro von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni noch das Justizministerium haben sich bislang zu dem Fall geäußert. Melonis rechts-konservative Regierung verlässt sich stark auf die libyschen Sicherheitskräfte, wenn es darum geht, Migranten daran zu hindern, das nordafrikanische Land zu verlassen und nach Süditalien zu gelangen.
IStGH fordert Überprüfung der Schritte
Der IStGH, der seit dem Bürgerkrieg in Libyen im Jahr 2011 schwere Verbrechen in dem Land untersucht, erklärte, man habe zuvor Italien aufgefordert, sich mit dem Gericht in Verbindung zu setzen, falls es Probleme mit dem Verhaftungsprozess gebe. Njeem sei jedoch ohne vorherige Ankündigung oder Konsultation freigelassen worden. Man bemühe sich nun um eine Überprüfung der angeblich unternommenen Schritte der Behörden, habe dazu aber noch nichts erhalten.
Auf Videos im Internet war zu sehen, wie Njeem, der Brigadegeneral der libyschen Kriminalpolizei ist, auf den Schultern von Anhängern getragen wurde, nachdem er am Dienstagabend am Flughafen Mitiga in Tripolis angekommen war.
Scharfe Kritik von Opposition
Oppositionsabgeordnete mehrerer Parteien äußerten sich nach der Freilassung Najeems empört. Ex-Regierungschef Matteo Renzi warf Meloni wegen ihres erklärten Ziels, Menschenhändler zu bekämpfen, Heuchelei vor: "Wenn nun ein Menschenhändler ankommt, von dem uns der Internationale Strafgerichtshof sagt, dass er ein gefährlicher Verbrecher ist, dann bringen Sie ihn nicht zur Strecke, sondern lassen ihn mit einem Staatsflugzeug nach Hause fliegen."
Auch Menschenrechtsgruppen kritisierten die Freilassung scharf. Mediterranea Saving Humans bezeichnete den Schritt als "beschämenden Schutz", den die rechte Regierung in Rom einem "Menschenhändler und Folterer" gewähre.