
Nach Wahlausschluss Le Pen setzt auf Angriff
Marine Le Pen darf nach einem Gerichtsurteil nicht bei Wahlen antreten. Doch die Rechtsradikale gibt sich kämpferisch - und attackiert die Justiz. Gerät der Grund für das Urteil dabei in den Hintergrund?
Schon ab dem ersten Satz ist klar, welche Strategie Marine Le Pen als Reaktion auf das Urteil gewählt hat. Der 31. März sei ein "verhängnisvoller Tag", sagte die Politikerin im Sender TF1. Für die Demokratie - und für Frankreich. Die Entscheidung der Richter: politisch motiviert, so Le Pen, und zwar mit dem Ziel, ihre Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2027 zu verhindern.
Und Le Pen geht noch einen Schritt weiter in ihrem Frontalangriff auf die Entscheidung des Gerichts: "Millionen Franzosen sind empört, unfassbar empört. Denn sie haben gesehen, dass in Frankreich - dem Land der Menschenrechte - Richter Praktiken auf den Weg bringen, die man nur aus autoritären Regimen kannte."
Das Urteil bremst ihre politische Karriere empfindlich aus - doch sie bleibe kämpferisch, betonte Le Pen bei TF1. Schon früher am Tag hatte sie angekündigt, in Berufung zu gehen.
Präsidentschaft 2027 ist wohl passé
Es gebe zudem weitere Beschwerdemöglichkeiten, erklärt Politikwissenschaftler Benjamin Morel: Le Pen könne den Verfassungsrat anrufen, die Verfassungsmäßigkeit ihrer Strafe anfechten und möglicherweise erreichen, dass diese nicht angewandt wird. Außerdem könnte laut Morel in sechs Monaten eine Rechtsbeschwerde eingelegt und verlangt werden, dass die sofortige Vollstreckung des Wahlausschlusses zeitweise aufgehoben wird.
Trotzdem ist Le Pens Präsidentschaftsprojekt 2027 wohl passé: Es gilt als eher unwahrscheinlich, dass die juristischen Beschwerdewege bis dahin Entscheidungen bringen.
Mitbewerber äußern sich kritisch über Urteil
Die sofortige Wirkung des Wahlausschlusses ist eine verhältnismäßig harte Strafe. Und entsprechend heftig fallen die Reaktionen aus.
Laurent Wauquiez, der Fraktionschef der Konservativen Les Républicains im französischen Parlament, warnte vor möglichen Konsequenzen. "Ich kommentiere nicht oft Entscheidungen der Justiz, aber das ist ein sehr schwerwiegendes und außergewöhnliches Urteil. In einer Demokratie ist es nicht gesund, dass eine gewählte Abgeordnete nicht mehr zu einer Wahl antreten darf", sagte er.
Politische Debatten müssten an der Wahlurne entschieden werden, und es seien die Franzosen, die darüber entscheiden müssten. "Dieses Urteil wird schwer auf unserer Demokratie lasten", sagte Wauquiez weiter. Es sei nicht der Weg, den man hätte nehmen sollen.
Auch die linksradikale Partei LFI kritisierte die sofortige Wirkung des Wahlausschlusses. Premierminister François Bayrou sei "irritiert" von der Entscheidung des Gerichts, sagten Vertraute. Und der Parteichef des Rassemblement National, Jordan Bardella, schrieb auf der Plattform X, die französische Demokratie sei - so wörtlich - "exekutiert" worden.
Jahrelange, systematische Veruntreuung
Für den Historiker Jean Garrigues sind das gefährliche Angriffe auf die Justiz. "Wenn man sich diskriminiert fühlt, weil einfach Gesetze angewandt wurden und das eine Missachtung der Demokratie nennt: Dann ist das sehr, sehr ernst", sagte er. Nicht das Urteil sei gravierend oder der mögliche Ausschluss einer Kandidatin des Rassemblement National. Gravierend sei, wie ein großer Teil der demokratischen Kräfte den Rechtsstaat angreife, sagte Garrigues im Sender BFM.
Das Urteil wird politisch nachhallen - und seine Konsequenzen sind in ihrem vollen Umfang wohl noch kaum abzuschätzen. In der Debatte scheint eines aber schon in den Hintergrund zu treten: der Grund für das Urteil. Eine jahrelange, systematische Veruntreuung öffentlicher Gelder durch Le Pen und den Rassemblement National - die sieht das Gericht als erwiesen an.