Alice Weidel vor einer Live-Diskussion mit Elon Musk im sozialen Netzwerk X
faktenfinder

Gespräch von Musk und Weidel Falschaussagen von Migration bis Nationalsozialismus

Stand: 10.01.2025 00:27 Uhr

Musk und AfD-Chefin Weidel haben über viele Themen gesprochen. Vor allem bei Migration und Wirtschaft stellte die promovierte Volkswirtin falsche Behauptungen auf - und versuchte es mit Geschichtsrevisionismus.

Von Carla Reveland und Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

Schon gleich zu Beginn des Gesprächs mit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel auf seiner Plattform X folgte die erste Falschaussage von Elon Musk. Er stellte Weidel als derzeit führende und beliebteste Kandidatin mit Blick auf die Bundestagswahl in Deutschland vor. Dabei ist weder ihre Partei, noch sie selbst in Umfragen auf der Spitzenposition. Im jüngsten ARD-DeutschlandTrend liegt die Union aus CDU und CSU mit 31 Prozent an der Spitze, die AfD mit rund 20 Prozent an Position zwei.

Wenn es um die Zufriedenheit mit den Kanzlerkandidaten geht, liegt Weidel ebenfalls nicht ganz vorne, sondern lediglich auf Platz fünf. So haben die Spitzenkandidaten der anderen Parteien, Robert Habeck von den Grünen, Friedrich Merz von der CDU, Christian Lindner von der FDP und Sarah Wagenknecht vom BSW allesamt bessere Zufriedenheitswerte.

Falsche Aussagen über Migration

Eines der zentralen Themen in dem Gespräch war die Migration. Mit Blick auf die Asylkrise im Jahr 2015 behauptete Weidel fälschlicherweise, dass die damalige Kanzlerin Angela Merkel die Öffnung der deutschen Grenzen für illegale Einwanderung durchgesetzt habe. Doch das stimmt nicht.

Denn die Grenzen in Deutschland zu den anderen Ländern waren zu der Zeit gar nicht geschlossen. Schließlich waren stationäre Grenzkontrollen im sogenannten Schengenraum schon lange abgeschafft. Kolja Schwartz von der ARD-Rechtsredaktion konstatierte daher bereits im April 2016: Die Formulierung, Merkel habe die Grenzen geöffnet, sei "grundfalsch, weil es schon seit Jahren keine geschlossenen Grenzen mehr gibt innerhalb des so genannten Schengenraums. Es konnten also im Jahr 2015 auch keine Grenzen geöffnet werden." 

Zudem behauptete Weidel, dass es in Deutschland eine explodierende Kriminalitätsrate gebe. Auch das ist zumindest irreführend. Zwar gab es im Jahr 2023 laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) einen Anstieg auf knapp sechs Millionen Fälle und damit gut fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings lagen die Zahlen beispielsweise 2015 und 2016 noch deutlich höher. Zudem betonen Experten, dass bei der Interpretation der PKS auch Faktoren wie eine möglicherweise höhere Anzeigenbereitschaft in der Bevölkerung berücksichtigt werden müssen.

Auch Musk stellte im Zusammenhang mit dem Thema Migration eine Falschbehauptung auf. So sagte er, dass Diebstahl im US-Bundesstaat Kalifornien quasi legal sei, wenn der Wert der gestohlenen Waren bei unter 1.000 US-Dollar liege. Das stimmt jedoch nicht. Zwar wurde im Jahr 2014 in Kalifornien eine Strafrechtsreform umgesetzt, demnach der Diebstahl von Waren im Wert von 950 US-Dollar oder weniger nur noch als Vergehen und nicht mehr als Verbrechen eingestuft werden kann.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Diebstahl von Waren im Wert von 950 US-Dollar oder weniger nicht weiterhin illegal ist. Wer erwischt wird, dem drohen Geldstrafen bis hin zu sechs Monaten Gefängnis. Der Hintergrund der Strafrechtsreform war nach Angaben der Faktencheckredaktion der Deutschen Welle der Versuch, die Überfüllung der Gefängnisse in Kalifornien zu verringern.

Hitler war kein Kommunist

Kurz streiften Musk und Weidel thematisch die Corona-Pandemie. Mit Blick auf die Schutzmasken während der Pandemie sprach Weidel von "Bluff und Betrug". Dabei zeigen mehrere Studien, dass das Tragen von Masken das Risiko einer Corona-Infektion verringern kann. 

Ausgehend von Aussagen über die Meinungsfreiheit, fragte Weidel Musk: "Weißt du, was Adolf Hitler als Erstes getan hat? Er hat die Meinungsfreiheit ausgeschaltet." Musk stimmte ihr zu. Weidel behauptete, Hitler sei nicht "rechts" gewesen, sondern ein "Kommunist", der sich selbst als "Sozialist" bezeichnet hätte.

Das ist falsch. Der Geschichtsprofessor Werner Suppanz von der Universität Graz beantwortete die Frage, ob Nazis Sozialisten waren, dem "Standard" gegenüber deutlich: "Eindeutig nicht." Hitler selbst habe im Jahr 1928 erklärt, dass seine Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nicht sozialistisch sei.

Die nationalsozialistische Weltanschauung beruht in ihrem Kern auf der Ungleichwertigkeit der Menschen, welche schlussendlich zum Holocaust führte. Bei den Nazis herrschte ein rassisches und biologistisches Denken, das laut Suppanz klar "rechts zu verorten ist". Im Gegensatz dazu verfolgten linke Ideologien wie Sozialismus und Kommunismus ein Gleichheitsideal.

Kommunisten wurden im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet. Tatsächlich existierte vor der Machtübernahme der Nazis ein Flügel innerhalb der Partei, der sich antikapitalistisch und revolutionär gab, dieser war aber hauptsächlich dafür gedacht, um Arbeiter für sich zu gewinnen. 1934 ließ Hitler die Führungsfigur dieses Flügels, Gregor Strasser, ebenso wie weitere innerparteiliche Gegner umbringen.

AfD ein rechtsextremistischer Verdachtsfall

Weidel behauptete zudem, die AfD sei eine "libertäre und konservative Partei", welche die ganze Zeit falsch eingeordnet werde. Die AfD wird jedoch vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet. Drei Landesverbände gelten bereits als "gesichert rechtsextrem": Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch einzelne Funktionäre der Partei fallen immer wieder durch rechtsextreme Aussagen auf. So wurde beispielsweise der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke 2024 zwei Mal wegen Verwendens einer NS-Parole verurteilt.

Eine Neubeurteilung der gesamten Partei war für Ende des Jahres 2024 geplant, wurde jedoch aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl verschoben. Grund dafür ist die sogenannte Chancengleichheit der Parteien. Je näher eine Entscheidung über die Einstufung einer Partei an den Termin für eine Bundestagswahl rückt, desto eher ist eine Verletzung der Chancengleichheit der Parteien zu befürchten.

"Eine Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland!"

Weidel betonte im Gespräch außerdem mehrfach, dass die AfD die einzige Partei Deutschlands sei, die Juden in Deutschland beschütze. Alle anderen Parteien hätten das Gegenteil getan, indem sie Millionen Menschen ins Land gelassen hätten.

Zahlreiche Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, darunter der Zentralrat der Juden, sehen dies grundlegend anders. In einer "Gemeinsamen Erklärung gegen die AfD" heißt es: "Die AfD ist eine Partei, in der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause haben." Die AfD sei "eine Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland!" und vertrete "keinesfalls die Interessen der jüdischen Gemeinschaft". Sie sei vielmehr "eine rassistische und antisemitische Partei!".

Auch das American Jewish Committee Berlin kommt in einer Analyse zum Antisemitismus in der AfD zu dem Schluss, dass Antisemitismus zum "programmatischen Kern" der AfD gehöre. Nicht immer wird dieser jedoch explizit geäußert. Die Heinrich Böll Stiftung führt in einer Analyse aus, dass Antisemitismus "im Denken vieler AfD-Mitglieder fest verankert" sei. Antisemitische Codes und Verschwörungsnarrative, wie etwa eine angebliche globale Weltverschwörung, werden immer wieder von AfD-Politikern genannt.

So auch im Gespräch mit Elon Musk. Es fielen die Namen George Soros und Bill Gates - zwei Namen, die immer wieder im Zusammenhang des "Great Reset" oder einer angeblichen "Neuen Weltordnung" fallen. 

Auch Italien aus Atomenergie ausgestiegen

Auch zum Thema Wirtschaft gab es mehrere Falschbehauptungen. So sagte Weidel, dass Deutschland das einzige Industrieland sei, das aus der Atomenergie ausgestiegen sei. Dabei hatte Italien bereits bis 1990 alle bestehenden Atomkraftwerke abgeschaltet, nachdem dort die Mehrheit aufgrund der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl für einen Atomausstieg gestimmt hatte. Weitere Industriestaaten wie Belgien und Spanien haben zudem zumindest geplant, aus der Atomenergie auszusteigen.

Weidel behauptete zudem, dass Atomenergie komplett frei vom Treibhausgas CO2 sei. Auch das stimmt nicht. Zwar hat Atomenergie nach Angaben des Weltklimarats IPCC im Vergleich zu anderen Energiegewinnungsmethoden einen geringen Ausstoß an CO2-Äquivalenten mit etwa 66 Gramm pro Kilowattstunde - ganz frei von Emissionen ist Kernkraft jedoch nicht.

Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke sorgen pro Kilowattstunde für einen Ausstoß von rund 1.150 Gramm CO2-Äquivalenten, Windenergie nach Angaben des Umweltbundesamts für 17,7 Gramm.

Deutschland hat nicht die höchste Steuerbelastung

Weiter behauptete Weidel, dass Deutschland die höchsten Steuern von allen OECD-Ländern habe. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist eine internationale Organisation mit insgesamt 38 Mitgliedstaaten.

Nach Angaben der OECD hat Deutschland bei insgesamt acht verschiedenen Haushaltstypen in drei Fällen die zweithöchste Steuerbelastung aller OECD-Länder, ansonsten liegen noch mehr Länder davor. Im Verhältnis zum Buttoinlandsprodukt lag Deutschland bei der Abgabenquote im Jahr 2023 auf Platz 12.

Pascal Siggelkow, NDR, tagesschau, 10.01.2025 08:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Januar 2025 um 04:56 Uhr.