Bundestagswahl 2025
Parteitag der Grünen Buhlen um Stimmen aus dem Merz-Lager
Die Grünen gehen problembelastet in den Wahlkampf. Da kommt die Migrationsdebatte zur rechten Zeit. Auf dem Parteitag ist der Unionskanzlerkandidat Merz omnipräsent. Können die Grünen Stimmen von der Union abwerben?
Robert Habeck hat eine Lücke im politischen Spektrum entdeckt - die Mitte. Oder wie er selber sagt: die Merkel-Mitte, sie sei leer. Habecks Leere-Mitte-Herleitung ist die: Friedrich Merz richtet die CDU nach rechts aus und nimmt sogar Stimmen der AfD in Kauf, um eine rigorose Asylpolitik durchzusetzen. "Nichts daran ist harmlos", ruft Habeck den Delegierten beim Parteitag zu. "Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun."
Ob strategische Fehlleistung, politisches Kalkül oder konsequente Politik - für die Grünen kommt die Debatte über die Union, die AfD und die Asylpolitik zum richtigen Zeitpunkt. Problembelastet gingen sie in den Parteitag, die Affäre um den Abgeordneten Stefan Gelbhaar, Habecks Kommunikationspanne zu Sozialbeiträgen auf Kapitalerträge: wie weggefegt. Niemand redet hier darüber - Merz hat die Reihen der Grünen unfreiwillig geschlossen. Die Delegierten stehen zusammen und feiern ihren Kanzlerkandidaten frenetisch.
Grünen liegen weiter hinter eigenen Ansprüchen
Habecks persönliche Werte in Umfragen können sich sehen lassen, aber seine Partei profitiert nicht davon, sie rangiert zwischen 13 und 15 Prozent - das liegt weit hinter den eigenen Ansprüchen. Jetzt aber wittert Habeck eine Chance. Merz will Zurückweisungen an der Grenze, Ausreisepflichtige in Haft nehmen und konsequente Grenzkontrollen. Und er will das umsetzen - offenbar egal, wer dem zustimmt, dazu zählt auch die AfD. So jedenfalls deuten es die Grünen - obwohl Merz versucht, dagegenzuhalten.
Gewagte Strategie der Grünen
Habeck sieht die Union jedenfalls noch ein Stück mehr aus der Mitte herausgerückt. Er hat also - so die Lesart der Grünen - Wähler und Wählerinnen dort zurückgelassen, und die will Habeck dort abholen. "Vielleicht wird der Wahlkampf eine erstaunliche Entwicklung nehmen," sagt er, "dass nicht der Hass, die Missgunst gewählt wird, sondern die Zuversicht."
"Zuversicht" - das ist Habecks Wahlkampfslogan. Er will Mutmacher sein, optimistische Töne setzen. Alles soll "den Bach rauf" gehen. Allerdings ist Habeck von Amts wegen zunächst mal Wirtschaftsminister und schleppt teils miserable Wirtschaftsdaten mit sich.
Könnte das im Wahlkampfgetöse untergehen durch die in Teilen widersprüchlichen Aussagen der Union zur AfD? Die Wirtschaftsdaten sind wie sie sind, jetzt bestimmt erstmal das Thema Migration den Wahlkampf. Friedrich Merz wird seine Haltung zur AfD wieder und wieder wird erklären müssen. Eine Garantie auf eine Wende ist das nicht, allenfalls die Hoffnung der Grünen, jetzt davon zu profitieren.
Abarbeiten an Merz
Und so ist Friedrich Merz auf dem grünen Parteitag omnipräsent - in Abwesenheit. Die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge stellt seine Kanzlertauglichkeit in Frage. "Wie konnte Friedrich Merz auf die Idee kommen, dass sein ewiges 'Wir schaffen das nicht' in irgendeiner Weise eine Bewerbung darum sein kann, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden zu wollen?"
Und auch Annalena Baerbock, gescheiterte Grünen-Kanzlerkandidatin der letzten Bundestagwahl, zielt auf Merz und die Union. Konsterniert sei sie, "weil die Union ja eigentlich als wertkonservative Partei immer wieder die Kraft gefunden hat, die Brandmauer hoch zu halten."
Schwarz-Grün wird immer unwahrscheinlicher
Jetzt halten die Grünen die Brandmauer hoch. Auch sie wollen die Tat von Aschaffenburg aufarbeiten - von konkreten Konsequenzen aber ist keine Rede. Schon gar nicht wollen sie mit der AfD stimmen. Die Grünen wollen Gegenpol zur Merz-CDU sein - nicht nur in der Asylpolitik, auch beim Klimaschutz und der Sozialpolitik.
Außerdem soll investiert werden in Bildung und Infrastruktur, dafür soll die Schuldenbremse reformiert werden. Im Wahlprogramm finden sich eine Reihe von Kontrapunkten zu denen von CDU und CSU. Ob Wähler und Wählerinnen in der Mitte darauf anspringen? Möglicherweise ist das vor allem Autosuggestion bei den Grünen.
Eines aber scheint gewiss: Eine schwarz-grüne Regierung erscheint immer unwahrscheinlicher. Zumindest Markus Söder wird das freuen.